Düsseldorfer Initiative Führung for free - und in vier Sprachen

Düsseldorf · Studenten bieten ausländischen Bürgern und Gästen einen Stadtrundgang der anderen Art. Keine Geburtshäuser namhafter Düsseldorfer, sondern lustige Geschichte. Alles auf Englisch, alles ohne Geld, alles ganz locker.

 Jonathan Lessing vor seiner internationalen Gruppe, die er durch die Altstadt führt. Das gelb-blaue Wesen in seiner Hand dient als Erkennungszeichen und ist laut Lessing ein Elefisch, also ein Fisch mit Rüssel.

Jonathan Lessing vor seiner internationalen Gruppe, die er durch die Altstadt führt. Das gelb-blaue Wesen in seiner Hand dient als Erkennungszeichen und ist laut Lessing ein Elefisch, also ein Fisch mit Rüssel.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Jonathan Lessing ist baff. Seit einem halben Jahr bietet er mit seinen Freunden aus dem Studentennetzwerk Aegee Düsseldorf Stadtführungen für internationales Publikum an. Mal kamen neun, mal kamen 20. Aber gestern zählte er 60 Besucher. Rekord. Aegee, gesprochen Ah-Eh-Jeh, weil es für den französischen Verbund "Association des Etats Généraux des Etudiants de l'Europe" steht, ist als Studentenvereinigung in vielen europäischen Städten vertreten. In Düsseldorf hat der Club 14 Mitglieder.

Weil die Gruppe zu groß ist, wird sie geteilt. Jonathan Lessing fragt, ob jemand Interesse hat, statt der sonst bei seinen Führungen üblichen Sprache Englisch auch eine deutsche Gruppe zu bilden. Fehlanzeige, besser gesagt: Die Frage versteht keiner. Ein Spanier sagt holprig: "Eins, zwei, drei", um dann in perfektem Englisch auszuführen, dass sein deutscher Wortschaft damit erschöpft ist.

Also halt alles auf Englisch. Der 20-jährige Lessing startet an der Heine-Allee, erklärt, dass seine Führung anders ist als die der klassischen Stadtführer. "Es gibt hier keine Besuche von Geburtshäusern berühmter Düsseldorfer und wir besuchen auch keine Stätten, an denen sich Goethe oder Schiller mehrere Tage oder wenige Minuten aufgehalten haben", sagt der BWL-Student. Stattdessen gehe es bei ihm und den anderen Stadtführern von Aegee um Anekdoten, lustige Geschichten, Kurioses. Zum Beispiel, dass das Carschhaus einmal wegen des U-Bahnbaus einfach abgerissen und ein paar Meter weiter wieder aufgebaut wurde. Das Publikum staunt nicht schlecht.

Weiter geht es zur Oper, in den Hofgarten, zu Ratinger, kreuz und quer durch die Stadt und dann ins Uerige. Eine feste Route? Fehlanzeige. "Wir sind drei Stadtführer, und jeder geht hier ,seine' Runde. Mehrere Studenten machen die Aegee-Führungen, und so ist Lessing ganz schön stolz darauf, die unkonventionellen Touren dank seines Netzwerks neben Englisch auch auf Französisch, Spanisch und Schwedisch anbieten zu können.

Doch Englisch passt schon am besten, denn die Gruppe ist so bunt gemischt, wie es eben nur sein könnte. Peruaner, Kanadier, Niederländer, Japaner und Chinesen, und noch viele Nationen mehr. Kein einziger ist Tourist, nahezu alle sind jüngst nach Düsseldorf gekommen, um hier zu arbeiten oder studieren. Es geht den meisten nicht nur um historisches Stadtwissen, sondern darum, nette Leute in der neuen Wahlheimat kennenzulernen.

Und das klappt wunderbar. Beim Abschluss im Brauhaus stehen Diego Arevalo (27) und Marianna Madam (24) gemütlich beim Alt zusammen und plaudern über Job, Heimat, Studium und halt über Düsseldorf. Sie kommt aus Moldawien, macht gerade ihren Master und ist vor weniger als einer Woche nach Düsseldorf gezogen. Er ist Englischlehrer und kommt aus Chile. Seit April ist er in Düsseldorf, um Deutsch zu lernen.

Gebucht werden muss die kostenlose Führung überhaupt nicht. Unverbindliche Anmeldungen sind auf der Seite von Aegee im sozialen Internet-Netzwerk Facebook möglich. Dort tauschen sich die vielen ausländischen Studenten und zugereisten Mitarbeiter aus.

Lessing hatte die Idee zur so genannten "Free Walking Tour" durch eigene Erfahrungen im Ausland. So hat der 20-Jährige solche Führungen schon in Budapest, Bratislava, Ljubljana und Madrid angeboten. Eine Stadtführerausbildung hat Lessing nicht, das Wissen hat er, weil auch er vorher oft Freunde durch die Stadt führte. "Es geht nicht um Präzision", sagt er. Der enorme Zuspruch gibt ihm recht.

(tb)
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