Düsseldorf Füchschen bis Schlösser: Die Bierzelte der Kirmes

Düsseldorf · Sechs Altbier-Brauereien sind bei der Kirmes dabei, jede ist anders – ein Streifzug durch die Zelte.

 DJ Sascha spielt ein Pur-Medley im Frankenheim.

DJ Sascha spielt ein Pur-Medley im Frankenheim.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Sechs Altbier-Brauereien sind bei der Kirmes dabei, jede ist anders — ein Streifzug durch die Zelte.

 Hauptzelt singt gegen Biergarten, das Hauptzelt gewinnt: Beim Letzten Schrei im Schlösser-Zelt

Hauptzelt singt gegen Biergarten, das Hauptzelt gewinnt: Beim Letzten Schrei im Schlösser-Zelt

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

DJ Sascha weiß, was die Leute jetzt brauchen: ein Pur-Medley. Die Frauen bekommen leuchtende Augen, breiten die Arme aus und singen "Hör gut zu, du bist mein Glück". Ihre männlichen Begleiter würden zwar nicht mitsingen, weil es halt Pur ist, aber lächeln ihre Freundinnen an. Drei stämmige Jungs in der Ecke kennen den Text auch, aber grölen ihn absichtlich hässlich, um allen zu zeigen, dass sie Pur für den größten Mist halten. Es ist alles wie damals, 1993 in der Großraumdiskothek, als die Besucher vom "Frankenheim Heimatstrand" noch jung waren.

Freuten sich über das Altbierlied: Martina Meyer und Joachim Schäfer in der Schumacher-Scheune.

Freuten sich über das Altbierlied: Martina Meyer und Joachim Schäfer in der Schumacher-Scheune.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Um 23 Uhr am Samstag ist es in allen Bierzelten auf der Kirmes rappelvoll. So einen guten Start haben die Wirte lange nicht mehr erlebt. Sechs Altbrauereien sind dabei, jede fischt nach einem anderen Publikum, manche nach neuen Zielgruppen. So wie die Brauerei Frankenheim, die mit der 90er-Party die 30- bis 40-Jährigen im Auge hat, also Leute, die nicht zum Himmel-und-Ähd-Essen ins Stammhaus an die Wielandstraße kommen.

Das vollste Zelt: Henrike Breinhorst kellnerte beim Füchschen.

Das vollste Zelt: Henrike Breinhorst kellnerte beim Füchschen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Schon seit dem frühen Abend füllen sich die Zelte. Der größte Andrang herrscht am Anfang bei Schlösser. Wer dort hingeht, weiß, was er bekommt: Der Letzte Schrei. Die Coverband tritt seit 21 Jahren bei Schlösser auf. Strohhüte werden verteilt. Viele Frauen haben blonde Strähnchen. Der Letzte Schrei legt mit dem "Goldenen Reiter" los, es ist ohrenbetäubend laut. Die Kellner kommen mit dem Zapfen kaum nach. Sie haben Trillerpfeifen, damit sie vorbeikommen, die sind noch lauter als die Band.

In der Schlösser-Scheune ist die Luft noch frisch. Vereinzelte Paare in der zweiten Lebenshälfte stehen an Biertischen. Manche umarmen sich, andere nicht. Bei "Tage wie diese" beginnen die ersten, mitzusingen. Ein Paar, das sich in der Sitzecke vor dem "Sappeur-Corps 1953"-Bild niedergelassen hat und anschweigt, singt mit, jeder für sich.

Beim Füchschen ist es derweil schon voll, und voll bedeutet beim Füchschen richtig voll. Viele Besucher haben eng anliegende T-Shirts, was daran liegt, dass sie gut trainierte Körper haben, was daran liegt, dass sie deutlich jünger sind als das Publikum in den meisten anderen Zelten. Auf der Bühne schmeißt eine Tänzerin ihre Mähne hin und her. Im Séparée, dem VIP-Treff der Kirmes, bespaßt Füchschen-Chef Peter König die Gäste.

Wegen des neuen Gesetzes darf man in keinem Zelt mehr rauchen. Das klappt ohne Probleme. Viele Zelte haben Raucherterrassen. Das Thema Sicherheit, das nach der Loveparade-Katastrophe aufkam, ist auch durch: Das System mit Türstehern, die die Gäste zählen und den Einlass in volle Zelte kurzzeitig schließen, hat sich eingespielt.

Bei Diebels gibt es auch Strohhüte, aber mit grünem Band. Auch dort spielt eine Coverband. Diebels hat sich für ein Zelt entschieden, das eher an Rockfestival als an Brauhaus erinnert, wegen der jungen Zielgruppe. Darunter mischen sich heute Abend viele mittelalte Pärchen. Wahnsinnig viele Männer haben ein kariertes Freizeithemd angezogen. Es spielt "Ranzig", und die kommen vom Niederrhein. Die bringen ihr Publikum vom Dorf mit, erklärt später der Pressesprecher.

Kontrastprogramm beim Schlüssel: Dort spielt auch eine Cover-Band, aber die macht Soul. Der Sänger hat ein weißes Hemd mit schwarzer Weste. Zwei Paare machen Paartanz zu "Le Freak, c'est chic". Sie haben das in der Tanzschule gelernt. An den Tischen stehen Gruppen mit Menschen verschiedenen Alters, die sich ständig versichern, dass die anderen auch Spaß haben, und verkrampft aussehen — offenbar Arbeitskollegen.

21 Uhr. Bei Schlösser singt das Publikum "Ohohohoho". Und zwar Biergarten gegen Tribüne gegen Hauptzelt. Das Hauptzelt gewinnt. Die Luft enthält kaum noch Sauerstoff. Der Letzte Schrei ist noch lauter geworden. Viele Männer haben ihre Hemden aufgeknöpft, einige halten sich am Tisch fest, damit sie beim "Oh"-Singen nicht umfallen.

Nun kommt in alle Zelte Bewegung. Die Zielgruppen mischen sich. Es zeigt sich immer stärker, was die sechs Brauereien verbindet: Sie verkaufen Bier. Bei Diebels wird nun der "Time Warp" getanzt, und nach dem beherzten Sprung nach links, zu dem der Song auffordert, müssen sich mehrere Besucher entschuldigen.

Die Paare in der Schumacher-Scheune sind gut gelaunt oder nach Hause gegangen. Neu gekommen sind die Eingeschlechterausflüge: Zwei Mädelsabende haben einen Tisch in Beschlag genommen, ein Junggesellenabschied ("Helmuts letztes Abenteuer") freut sich über Westernhagen. Ins Füchschen kommt man nicht mehr herein, vor der Tür ist zu viel Gedrängel. Überall liegen Glasscherben.

Um 22 Uhr ist sogar im Schlüssel die gepflegte Fassade gefallen: Dort läuft Schlager: "Ich schenk dir die Welt, nananana." Die langweiligen Kollegen haben die Apfelschorle auf und sind weg, die verbliebenen Gäste lachen so breit wie in einem Werbespot. Das wird ein Morgen. Im Diebels haben die Leute im Studentenalter das Kommando übernommen und tanzen zu "I feel good", bis Ranzig gleich wieder anfangen.

Die Besucher bei Schlösser sind gegen 23.30 Uhr wieder einen Schritt weiter und läuten das Ende ein: Sie bauen schwer ab. Viele Besucher schauen in zwei Richtungen ins Nichts. Einige Gäste müssen gestützt werden. Der Letzte Schrei holt die Balladen raus: "With or without you". Die Kellner stehen eingehakt hinter der Bar. War das wieder ein Abend. Noch sieben Tage Kirmes.

(RP)
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