Interview mit Mary Roos "Freue mich auf jeden ESC"

Die Sängerin Mary Roos nahm zweimal am Grand Prix d'Eurovision teil. Sie spricht über die Unbedarftheit als junge Künstlerin, die schwere Ehekrise mit Werner Böhm und warum sie noch heute den ESC mit Interesse verfolgt.

 Aufgeben gibt?s nicht: Die Sängerin Mary Roos ist auch mit 62 Jahren noch mit viel Freude bei der Sache - zum Beispiel heute in der Tonhalle.

Aufgeben gibt?s nicht: Die Sängerin Mary Roos ist auch mit 62 Jahren noch mit viel Freude bei der Sache - zum Beispiel heute in der Tonhalle.

Foto: Andreas Endermann

Was machen Sie am 14. Mai?

Mary Roos Da habe ich einen Auftritt. Danach gehe ich ganz schnell ins Hotel und sehe mir dort den Song Contest an. Mit Cola und Salzstangen - das ist mein Ritual, so mache ich das seit fast 50 Jahren.

Feuern Sie auch Lena an?

Roos Na klar. Ich finde Lena klasse. Im Vorjahr in Oslo habe ich sie kennengelernt. Sie ist witzig, hat etwas Eigenes, auch im Gesang.

Wie sehen Sie die Titelverteidigung?

Roos Ich war überrascht. Das ist schon ein Wagnis. Als ich aber die Lena-Shows gesehen habe, war mir schnell klar: "Taken By A Stranger" ist der richtige Titel. Es waren viele schöne Lieder dabei. Aber ihr Lied musste anders sein als "Satellite".

Der Titel ist sehr modern, das Publikum seit Lenas Erfolg sehr jung.

Roos Stefan Raab hat geschafft, was in der heutigen Zeit ganz selten geworden ist. Er versammelt jung und alt vor dem Fernseher. Das finde ich super. Das kommt aber auch, weil der Raab einfach so unverschämt gut ist. Na ja, als Sänger eher nicht. Aber als Komponist und Unterhalter - wunderbar.

Bei Ihrer ersten Teilnahme 1972 waren Sie 23 Jahre alt. Mittlerweile sind die meisten Teilnehmer sehr, sehr jung. Zu jung?

Roos Dass die Teilnehmer so jung sind, hat ja auch was für sich. Die überlegen nicht so viel. Habe ich damals auch nicht - und es war toll.

Mit "Nur die Liebe lässt uns leben" sangen Sie sich auf den dritten Platz.

Roos Da musste ich als Erste raus und habe einfach mein Lied gesungen. Die britischen Kommentatoren waren damals begeistert. Erst hinterher habe ich erfahren, dass ich schon bei den Wettbüros auf dem dritten Platz gehandelt worden war.

Wie war es damals in Edinburgh unter den Teilnehmern? Freunde oder Konkurrenten?

Roos Das war eine tolle Zeit. Wir waren alle in einem Hotel untergebracht. Jedes Land hat einen typischen Abend gemacht. Wir waren eigentlich durchgehend besoffen.

Der ESC war ein Sprungbrett für Sie. Unmittelbar danach sind Sie in Frankreich auf Tour gegangen.

Roos Auch da war ich total unbedarft. Ich hatte eine Hauptrolle in einem französischen Theaterstück. Dabei konnte ich kein Wort Französisch. Ich habe mir gedacht ,Das machst du schon irgendwie? - wie immer in meinem Leben.

In den 70er Jahren war der Grand-Prix-Vorentscheid so etwas wie die deutsche Meisterschaft, für den Sieger ging es zur Champions League.

Roos Früher wurden auch viel mehr Titel des Wettbewerbs in ganz Europa im Radio rauf- und runtergespielt. Ich selbst habe "Nur die Liebe lässt uns leben" in unzähligen Sprachen aufgenommen, wurde überall hin eingeladen. Nach dem ESC war man für ein Jahr erst einmal auf Tour.

Die meisten Lieder waren Balladen - ohne Explosionen, Feuerwerk oder leicht bekleidete Tänzer.

Roos Na ja, wir hatten vielleicht kein Feuerwerk. Bei uns ging es um etwas anderes: Da musste man am Ende so lange den Ton halten, bis man blau anläuft.

Zwölf Jahre später traten Sie wieder an. Kurz zuvor hatten Sie erfahren, dass eine andere Frau ein Kind von Ihrem damaligen Ehemann Werner Böhm (Gottlieb Wendehals) erwartet. Wie war das für Sie?

Roos Ich war am Boden. Mein Lied "Aufrecht gehn" hatte so eine Aktualität erlangt, ich bin auf allen Vieren gekrochen. Der Auftritt war dann richtig daneben, ich war überhaupt nicht bei mir. Ich war so blass wie mein Kleid.

Sie wurden abgeschlagene Dreizehnte. Erinnern Sie sich trotzdem gerne an das Lied?

Roos Es ist trotz allem ein wunderbares Lied, das ich immer gerne singe. Für viele Leute in ähnlichen Situationen ist es ein ganz wichtiges Lied. Klar weckt es Erinnerungen. Aber ich bin weiter gegangen - und darum geht?s ja auch im Lied. Aufgeben gibt?s bei mir nicht. Außerdem ist das alles Vergangenheit. Und ich lebe heute. Man muss Spaß haben am Leben.

Sie sind mit 62 Jahren immer noch mit Spaß bei der Sache.

Roos Es ist leichter, wenn man so eine Einstellung hat. Die hab ich von meiner Muter, die mir diese rheinische Frohnatur mitgegeben hat. Mein Vater war immer eher elegant und zurückhaltend, aber meine Mutter hatte schon eine kriminelle Ader, die war gut drauf.

Also denken Sie auch weiterhin nicht ans Aufhören.

Roos Ich geh? bei jedem Auftritt raus und freu? mich. Andere sagen, ich habe dann immer so ein seliges Lächeln auf den Lippen. Ich sage meinen Freunden immer: ,Wenn?s peinlich wird, sagt mir Bescheid.? Ich rechne jeden Tag damit, das aber schon seit Jahren. Bis es so weit ist, mache ich fleißig weiter. Erst vor kurzem bin ich Tandem gesprungen. Ich finde immer etwas neues Aufregendes.

Was ist für Sie ein gelungener ESC-Abend?

Roos Da möchte ich gut unterhalten werden, lustige und schöne Sachen sehen und hören - und alles nicht so ernst nehmen. Der ESC ist nämlich nichts Wichtiges, sondern was Schönes.

Meyel Löning führte das Gespräch.

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