Düsseldorf Eine Sammlung jüdischer Augenblicke

Düsseldorf · Zum ersten Mal hat das Stadtmuseum dem jüdischen Leben in Düsseldorf nach 1945 eine Ausstellung gewidmet. Sie gewährt Einblicke in eine facettenreichen Entwicklung der Gemeinde.

 Christoph Danelzik-Brüggemann, einer von drei Kuratoren, die die Ausstellung betreuen, vor einer Tora im Stadtmuseum.

Christoph Danelzik-Brüggemann, einer von drei Kuratoren, die die Ausstellung betreuen, vor einer Tora im Stadtmuseum.

Foto: Andreas Bretz

Normalität im Zusammenleben jüdischer und nicht-jüdischer Düsseldorfer könne es wohl erst geben, wenn die Generation der Täter und der Opfer nicht mehr lebe, sagt Michael Szentei-Heise, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, die die drittgrößte in Deutschland ist. Für den 60-Jährigen selbst ist noch immer normal, von sich zu sagen, er sei ein Jude mit deutschem Pass. Die Gemeinde-Jugend aber rede heute wieder so, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg war: Sie verstünden sich als Deutsche jüdischen Glaubens.

Es ist ein feiner, aber gravierender Unterschied, und um den zu verstehen, ist die Ausstellung "Von Augenblick zu Augenblick", in der das Stadtmuseum die Entwicklung des jüdischen Lebens in Düsseldorf nach Krieg und Shoa dokumentiert, sehr hilfreich. 54 Männer und Frauen sowie drei Kinder hatten sich als Überlebende des Holocaust 1945 in Düsseldorf wiedergefunden. Sie gründeten die Gemeinde neu, auch wenn nicht für alle klar war, ob sie bleiben würden. "Auf gepackten Koffern" heißt dieser erste Teil der Ausstellung, der sich mit jenen Jahren nach dem Horror befasst, als für viele Juden unvorstellbar war, im Land der Massenmörder zu leben.

Die Wiederbelebung der jüdischen Presse, unter anderem durch Lilli und Karl Marx, die das "Jüdischen Gemeindeblatt für die Nordrhein-Provinz" herausgaben, der Umzug des Zentralrats der Juden nach Düsseldorf - wichtige Stationen in der Geschichte der Gemeinde, die schnell auf 300 Mitglieder gewachsen war. Briefe und persönliche Gegenstände vermitteln ihre Gefühlswelt.

Der Synagogenbau an der Zietenstraße - nicht nur ein Grund zum Feiern, denn es wurde ein Gotteshaus, das unter ständiger Bewachung stehen musste. Kaum dass es fertig war, prangten Hakenkreuze auf den neuen Mauern. Auch Antisemitismus ist ein Thema der Ausstellung, Drohbriefe sind zu sehen, die nach dem Wehrhahn-Anschlag und dem Brandanschlag auf die Synagoge im Jahr 2000 bei der Gemeinde eingingen. Und natürlich das Jahr 1991, in dem die Gemeinde um das Fünffache wuchs, als sie Immenses leistete, um jüdische Flüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion zu integrieren. Zeitzeugen aus sieben Jahrzehnten haben die Kuratoren interviewt, die kurzen Filme sind in der Ausstellung zu sehen, die Geschichten vom Leben der Juden in Düsseldorf.

Es ist eine wunderbare Ausstellung geworden, die sich natürlich auch mit der Religion befasst. Vor fünf Jahren hatte es eine Fotoausstellung zu einem ähnlichen Thema gegeben, damals hatten Susanne Anna und Szentei-Heise darüber gesprochen, was sie heute Abend eröffnen: Ein bisher einzigartiges Dokument des jüdischen Beitrags zur Stadtgesellschaft Düsseldorf.

"Wir sind sehr angekommen", sagt Szentei-Heise, dessen Gemeinde den Kuratoren bei der Ausstellung geholfen hat. Viele Dokumente und Exponate gehören ohnehin zum Museumsbestand. "Wir haben sie bewusst nie zu uns geholt, sondern hier, im Herzen der Stadt, gelassen, weil wir ein Teil dieser Stadt sind", sagte gestern Herbert Rubinstein im Namen des Gemeindevorstands. Und lobte nach einem ersten Blick in die Ausstellung hochzufrieden: "Kippa auf, Hut ab."

(RP)
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