Kreativ in der Corona-Krise Junge Schauspieler bringen Klassiker ins Internet

Das Düsseldorfer Schauspiel-Ensemble „Die Chemiker“ hat aus Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ einen ungewöhnlichen Film gemacht. Ab Samstag kann das Werk online gesehen werden.

 Andrea Freitag und Nina Lange (v.l.) vom Ensemble „Die Chemiker“ haben eine ungewöhnliche Version von „In 80 Tagen um die Welt“ für das Internet produziert.

Andrea Freitag und Nina Lange (v.l.) vom Ensemble „Die Chemiker“ haben eine ungewöhnliche Version von „In 80 Tagen um die Welt“ für das Internet produziert.

Foto: Holger Lodahl

Die Liste der Schauspiele ist beeindruckend. Dürrenmatts „Die Physiker“, Shakespeares „Macbeth“ und Goethes „Faust“ hat das Ensemble „Die Chemiker“ schon aufgeführt – insgesamt zehn Inszenierungen. Angst vor Klassikern der Weltliteratur haben sie also nicht, die Freizeitschauspieler um Nina Lange, die im Jahre 2012 die Gruppe gründete.

„Wir machen das aus Spaß und freuen uns, wenn weniger kulturaffine Menschen durch uns das Theater neu kennen lernen“, sagt sie. Nachdem die Gruppe im Frühjahr noch Molières „Tartuffe“ auf der Bühne im Theatermuseum aufführte, wollte Nina Lange mit ihrer Mitstreiterin Andrea Freitag eigentlich mit der Arbeit und den Proben für ein neues Bühnenstück beginnen. Die Corona-Krise und das Kontaktverbot stoppten diese Pläne aber erst einmal. Jedoch einfach warten bis zum Ende des Shutdowns kam für die beiden jungen Frauen auch nicht infrage. „Schon deshalb nicht, weil unser Schauspiel-Team ungeduldig fragte, wann wir denn weiter machen“, sagt Andrea Freitag.

So kamen sie und Nina Lange auf die Idee, aus einem Buch der Weltliteratur eine Online-Fassung zu machen. Ausgewählt haben sie „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne. Es geht um einen exzentrischen Briten, der im Jahre 1872 die Wette eingeht, in 80 Tagen die Erde zu bereisen. „Den Roman hatte ich schon vor längerer Zeit zum Theaterstück umgeschrieben, als echte Aufführung aber war die Geschichte immer zu aufwendig“, sagt Andreas Freitag. Immerhin gibt es in dem Abenteuer 48 Rollen, Tiere wie Elefanten und Bisons, lange Zugreisen durch viele Länder und wilde Schießereien. Das Konzept für das Projekt: Neun Schauspieler der Gruppe verkörpern alle Figuren aus „In 80 Tagen um die Welt“ – einige von ihnen nur eine Hauptrolle, andere mehrere kleine Parts. Nina Lange übernahm die Position des Erzählers, der im Laufe der Handlung Schauplätze erläutert oder nicht gezeigte Handlungen zusammenfasst. Das Besondere: Alle neun Schauspieler spielten ihre Szenen am heimischen Schreibtisch vor der Kamera ihres PCs. Andrea Freitag kombinierte mit einer Computersoftware die neun Kameraeinstellungen auf ihrem Bildschirm und speicherte jene Neun-Bilder-Sicht komplett auf. Jeder Akteur sollte sich und die zu sehende Fläche (also kaum mehr als 80 Zentimenter) den entsprechenden Spielszenen nach gestalten – und zwar nur mit Requisiten, die ohnehin in ihren Wohnungen vorhanden waren. Der Einfallsreichtum war groß. Einige Topfpflanzen geschickt platziert, machten aus dem Schreibtisch einen Urwald; ein weißes Taschentuch im Kragen und ein handelsüblicher Hammer reichten als Kostüm für einen Richter; eine aktuelle Ausgabe der Rheinischen Post wurde mit Schlagzeilen aus dem Jahr 1872 überklebt. Für einige Requisiten griffen Andrea Freitag und Nina Lange auf ihr Lager zurück. In einem eigenen Raum nämlich sammeln sie alle Stücke aus den vergangenen zehn Inszenierungen. Ein Globus, eine alte Uhr, eine Melone bekamen neue Aufgaben. Und ganz aktuell verzichtete das Ensemble auf historisches Geld und ließ die Figuren der Geschichte mit Klopapier bezahlen.

 Acht Schauspieler und in der Mitte die Moderatorin: So hat die Gruppe Die Chemiker den Film aufgezeichnet, so wird er auf dem PV online erscheinen.

Acht Schauspieler und in der Mitte die Moderatorin: So hat die Gruppe Die Chemiker den Film aufgezeichnet, so wird er auf dem PV online erscheinen.

Foto: Die Chemiker

Diese ungewöhnliche Art des Schauspiels dauerte gute sechs Stunden, in denen manchmal die Internet-Verbindung zusammenbrach, die Schauspieler sich im Text verhaspelten und der Ton ausfiel. Eine mächtige Herausforderung für alle Beteiligten. „Wir haben viel improvisiert und manchen Patzer einfach in der Aufzeichnung gelassen“, sagt Nina Lang. Die sechs Stunden sind per Schnittprogramm nun auf zwei Stunden gerafft. Ab Samstag, 18. April, 19 Uhr, wird „In 80 Tagen um die Welt“ in dieser einmaligen Online-Film-Version auf dem Youtube-Kanal der Schauspielgruppe zu sehen sein.

Entweder in die Suchmaske „Die Chemiker Theatergruppe“ eingeben oder den Link auf der Facebook-Seite anklicken. Das Team freut sich auf viele Klicks. „Wir hoffen, dass die Zuschauer genau so viel Spaß haben wie wir bei der Aufzeichung“, sagen Andreas Freitag und Nina Lange.

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