Schutz vor häuslicher Gewalt Die Düsseldorfer Frauenhäuser sind voll

Düsseldorf · Bundesweit wird derzeit über die Situation von Frauenhäusern diskutiert. Der Bedarf ist da, doch die politischen Maßnahmen laufen stockend. Ein Blick auf die Situation in Düsseldorf.

 Endlich in Sicherheit: Frauenhäuser sind wichtige Zufluchtsorte.

Endlich in Sicherheit: Frauenhäuser sind wichtige Zufluchtsorte.

Foto: dpa/Maja Hitij

„Es ist furchtbar, wenn man Frauen wegen Vollbelegung abweisen muss“ – für Silvia Röck, Leiterin des Internationalen Frauenhauses der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Düsseldorf, ist diese Situation trauriger Alltag. Rund 20 Anfragen bekämen sie und ihre Mitarbeiterinnen pro Monat. „Wir beraten die Frauen dann am Telefon, die wir nicht aufnehmen können.“ Derzeit haben im Awo-Frauenhaus sechs Frauen und sechs Kinder Platz gefunden. Sie teilen sich zwei 3-Zimmer-Wohnungen, jede Familie hat ein Zimmer für sich. Küche und Bad nutzen sie gemeinsam. „Wir sind ausgelegt für acht Frauen – im Notfall müssen sich zwei Frauen ein Zimmer teilen“, so Röck.

Ähnlich sieht die Situation beim Frauenhaus Düsseldorf aus, das von dem Verein „Frauen helfen Frauen“ getragen wird. Im Jahr 2018 habe es schätzungsweise 100 Frauen nicht aufnehmen können, so die Vorsitzende Birgit Rossdeutscher. Dort ist Platz für 17 Frauen. Derzeit seien sie mit 15 Bewohnerinnen, die teilweise ihre Kindern mitgebracht haben, ausgelastet. Aus Sicherheitsgründen werden die Orte der Frauenhäuser geheimgehalten.

Beide Schutzeinrichtungen werden vom Land als Projekt finanziert. Das heißt: Sie müssen immer wieder neue Förderanträge stellen. 90 Prozent trägt dabei das Land, die restlichen zehn die Stadt. „Wir brauchen endlich eine langfristig gesicherte Finanzierung“, sagt Röck. Beide Frauenhäuser können jeweils vier Vollzeitstellen finanzieren. „Die Stadt ist sehr engagiert“, betont Rossdeutscher, „aber da uns die Gelder immer nur für einen gewissen Zeitraum bewilligt werden und die Restfinanzierung durch Spenden und Mitgliederbeiträge gewissen Schwankungen ausgesetzt ist, besteht ein Restrisiko bei der Existenzsicherung.“

Die 120 Millionen, die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey kürzlich bundesweit für die Unterstützung von Frauenhäusern in den Raum gestellt hatte, sehen beide zwiespältig. „Die Stadt finanziert den Großteil der Personalkosten, aber wir brauchen mehr“, so Röck. Auch die Regelung, dass Frauen, die Einkommen haben, ihre Unterbringung im Frauenhaus selbst finanzieren müssen, hält sie für eine „politische Katastrophe“: „Es kann nicht sein, dass Frauen sozusagen für ihre eigene Misshandlung bezahlen müssen.“ Neben den unzureichenden finanziellen Mitteln kritisieren beide Frauen den fehlenden Rechtsanspruch auf einen Platz. „Solange es diesen nicht gibt, bleibt es problematisch“, sagt Rossdeutscher, „jemand, der in Not ist, sollte ein Anrecht auf einen Platz haben.“

Eine Frau, die eine solche Gefahrensituation erlebt hat, ist die 30-jährige Nesrin aus dem Libanon*. 2007 kam sie erstmals nach Deutschland, um mit ihrem heutigen Ex-Mann, der auch aus dem Libanon stammt, zusammenzuleben. Nach nur drei Jahren verlor der Mann das Interesse an seiner Frau, mit der er inzwischen einen gemeinsamen Sohn hatte. „Er wollte, dass ich und mein Sohn wieder zurück in den Libanon gehen“, erzählt Nesrin. Auch geschlagen habe er sie. Da Nesrin finanziell von ihm abhängig war, gab sie seinem Drängen nach und machte zunächst Urlaub im Libanon. „Von einer deutschen Lehrerin vor Ort bekam ich die Nummer vom Frauenhaus.“ Gemeinsam mit ihrem damals zweieinhalbjährigen Sohn wurde Nesrin, mit knapp 20 Jahren, Ende 2010 im Frauenhaus aufgenommen. „Als ich im Zimmer war, habe ich erst einmal geweint“, erzählt sie. Nach fünf Monaten war sie bereit, wieder alleine zu leben. Die Zeit im Frauenhaus habe sie wieder stark und selbstbewusst gemacht und ihr Sicherheit zurückgegeben. „Es ist wie eine Familie – auch heute noch.“ Sie kommt regelmäßig ins Haus zurück und hilft als Ehrenamtliche.

Die meisten Frauen, die in Frauenhäusern Obdach suchen, haben körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt erlebt – oftmals ist es eine Kombination dieser Formen. „Psychische Gewalt und systematische Demütigung ist in der Regel immer dabei“, sagt Silvia Röck. Die psychischen Folgen einer Misshandlung sind oft langwierig. „Die Frauen sagen immer: ‚Die blauen Flecken gehen weg, aber was auf der Seele ist, das bleibt‘“, so Röck. Zugenommen habe zudem digitale Gewalt – etwa Drohnachrichten per Handy – und Stalking. Einige Frauen erleiden die Tortur Monate, andere Jahre, bevor sie sich entscheiden den Mann, der sie misshandelt, zu verlassen, sei es der Vater, Bruder oder Ehemann. Oftmals sei es die Sorge um die Kinder, die die Frauen dazu bringe, sich Hilfe zu suchen, so Röck. Nach einer Trennung würden Kinder vom Vater oft instrumentalisiert, um wieder Kontakt mit der Frau aufzunehmen, im schlimmsten Fall könne es zu Entführungen kommen.

Im Frauenhaus finden die Frauen nicht nur Zuflucht, sondern treffen auch auf Gleichgesinnte. Das hat auch Nesrin geholfen. „Ich kannte vorher niemanden, außer meinen Mann und seine Familie“, erzählt die 30-Jährige. Ihr Mann habe ihr verboten, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Im Frauenhaus fand sie Anschluss. „Wir haben zusammen gekocht, gegessen oder im Garten gesessen.“ Andere Frauen sind schlicht traumatisiert und brauchen Ruhe. „Wir machen zu Beginn immer ein Aufnahmegespräch und lassen die Frau erzählen“, sagt Röck. Daraus ergebe sich, was sie brauche. „Viele Frauen sind so hoch gefährdet, dass sie erst einmal stabilisiert werden müssen und ein Sicherheitsplan erstellt werden muss.“ Oft fehlten Papiere – denn einige Frauen fliehen in einer Nacht- und Nebel-Aktion und haben keinen Zugang zu ihrem eigenen Pass oder der Krankenkassenkarte.

In den meisten Fällen verbringen Frauen eine ähnlich kurze Zeit im Frauenhaus wie Nesrin. Laut Angaben der Awo bleiben die Betroffenen im Durchschnitt sechs bis acht Monate in der geschützten Umgebung, das Frauenhaus vom Verein „Frauen helfen Frauen“ spricht von drei bis sechs Monaten. „Wir wollen Hilfe zur Selbsthilfe geben“, erklärt Rossdeutscher. Um dem notwendigen Bedarf zumindest ein wenig entgegenzukommen, will die Awo 2020 drei weitere Frauenhausplätze schaffen.

Die meisten Frauen, die in den beiden Frauenhäusern leben, sind Migrantinnen, bei der Awo aktuell ausschließlich, im anderen Haus zu Dreiviertel. Da sei auch schon vor 2015 so gewesen, sagt Röck. Auch Frauen mit deutschem Pass müssen oft genug Schutz in Frauenhäusern suchen. Im Durchschnitt sind sie zwischen 20 und 45 Jahre alt. Obwohl viele der Frauen Traumatisches erlebt haben, bringen die wenigsten die Gewalttaten zur Anzeige. „Die Frauen wollen in der Regel einfach nur weg von dem Mann und ihn nie wieder sehen müssen“, erklärt Röck. Trotzdem gibt es auch immer Frauen, die zu ihren Männern zurückkehren.

Bei Nesrin, die nun eine Ausbildung zur Apothekengehilfin macht, hat sich die Angelegenheit anders geklärt. Seit der Scheidung sieht sie ihren Ex-Mann wieder regelmäßig, da er weiterhin Kontakt mit seinem jetzt elfjährigen Sohn pflegt und Unterhalt zahlt. Inzwischen ist er wieder verlobt.
*Name und Ort geändert

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