Fotoaktion Fotos für den friedlichen Widerstand

Kunst als Reaktion auf den Zeitgeist: Das Kollektiv „Rooooom“ zeigt seine Schau „Silence Kills“ in der Galerie Pretty Portal.

 Der Student Amir ist einer von vielen, die mit Porträt und Statement für mehr gegenseitigen Respekt auf stadtweite Poster kommen wollen. Treffepunkt ist die Galerie Pretty Portal.

Der Student Amir ist einer von vielen, die mit Porträt und Statement für mehr gegenseitigen Respekt auf stadtweite Poster kommen wollen. Treffepunkt ist die Galerie Pretty Portal.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Zehn der 30 Plakate wurden noch in derselben Nacht zerstört, in der sie angebracht worden waren. Den Verursachern dürfte ihre Provokation nicht leicht von der Hand gegangen sein, da gut haftender Kleister das feine Papier an die Wand gebannt hatte; es abzuknibbeln, war Arbeit. Wer auch immer dahinter steckt, die Mühe war es ihm wert. Es war wohl auch ein bisschen Wut im Spiel über das, was Klaus Rosskothen als Kunstaktion bezeichnet. Ihm gehört die Galerie Pretty Portal in Bilk, wo seit 15 Jahren Street Art verkauft wird.

Aktuell jedoch gibt es im Hauptraum Gesichter zu sehen, von denen keines für Geld zu haben ist. Schwarzweiße Porträts von Verwaltungsmitarbeitern, Müttern, Künstlern, Sozialarbeitern, Musikern und Architekten, die sich um ein respektvolles Miteinander sorgen, was sie in knappen Erklärungen ausdrücken – unverkrampft, simpel, hier und da versehen mit einem kleinen Überschuss an Gefühl. „Die Zeit ist reif für ein wenig Zärtlichkeit“ liest man da, „Wenn man nichts sagt, dann wird sich auch nichts ändern“ und „Es geht um Menschenleben. Jeden Tag“. Die Galerie präsentiert lediglich eine Auswahl der Plakate, der weit größere Teil findet sich im öffentlichen Raum auf Düsseldorfer Stadtgebiet, in Flingern zum Beispiel, im Zooviertel oder in Oberbilk. Oft in Unterführungen, damit nicht der erste große Regen die Bekenntnisse wegspült.

„Silence kills“ („Stille tötet“) lautet der rabiate Titel der ansonsten versöhnlichen Aktion, die das Düsseldorfer Künstlerkollektiv „Rooooom“ als eine Art Foto-Shooting für die Demokratie initiiert hat. Die Mitglieder bleiben lieber im Hintergrund, weil sie die Überzeugung teilen, dass „das Projekt nicht nur wir sind, sondern alle, die sich beteiligen“. „Silence kills“ – das klingt gesprochen nach „silent skills“ („stille Fähigkeiten“), was gewollt ist, denn es geht darum, jene zu kontern, die überlaut eine offene Gesellschaft bekämpfen. Der Titel verweist insofern auf ein modifiziertes Verständnis von Stille in einem gesellschaftskritischen Kontext.

„Zu den Parolen rechter Schreihälse zu schweigen, ist heute kein Zeichen mehr von Zurückhaltung oder Neutralität, sondern wird als Ignoranz verstanden“, meint das Künstlerkollektiv. „Rooooom“ suchte nach einer neuen Form, friedlich Widerstand zu leisten, ohne in parteipolitische Fänge zu geraten. Deswegen lädt man nun regelmäßig ein zu Fototreffen, denen sich jeder anschließen kann, der mag. Und die Hoffnung ist groß, dass sich viele einklinken, damit auch weiterhin stadtweit plakatiert werden kann.

Anlässlich der Vernissage vor zehn Tagen ließ sich eine ganze Reihe an Gästen fotografieren, von denen jeder in einem persönlichen Statement das Grundgesetz hochhält. Aus der Aufnahme und dem persönlichen Wort wird ein 42 mal 60 Zentimeter großes Poster, das eines Tages irgendwo in Düsseldorf auftaucht.

Namen werden nicht veröffentlicht. Das sei sicherer, meinen die Künstler und der Galerist, wegen möglicher Aggressionen von Rechten, die vereinzelt bereits versucht hätten, die Kunstaktion mittels Verschandelungen zu torpedieren.

Der Student Amir sitzt in der Galerie vor der Kamera, weil ihm die Chemnitzer Bilder von Aufmärschen und Gewalt bis heute nachsteigen. „Meine Kultur steht in der Kritik“, sagt der Düsseldorfer mit iranischen Wurzeln und wünscht sich schlicht „mehr Menschlichkeit“. Ein junges Paar mit Baby macht mit und auch Galerie-Chef Klaus Rosskothen. Tolle Sache urteilen viele seiner Bekannten und Freunde, winken dann aber doch ab: Keine Zeit, vielleicht beim nächsten Mal. Der Galerist zuckt mit den Schultern, ärgert sich ein bisschen und schlägt weiter die Werbetrommel: „Kunst reflektiert den Zeitgeist, muss jedoch nicht zwingend politisch sein“, sagt er. „Sie ergreift selten so konkret Position wie das aktuelle Projekt. Aber ich finde es gut, wenn Künstler diese Freiheit wahrnehmen. Auch ich versuche in meinem Leben politisch aktiver zu sein. Die Zeit ist danach.“

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