Forschung in Düsseldorf Wie kommt der Geschmack ins Brot?
Düsseldorf · Wissenschaftler der Uni Düsseldorf testeten das Aroma von 80 verschiedenen Weizenbroten und widerlegten die Annahme, dass alte Getreidesorten besser schmecken.
Manche Menschen vergessen ihn nie: den Duft von frischgebackenem Brot aus Kindertagen. Und verknüpfen ihre frühen Erinnerungen mit der späteren Erkenntnis: „Früher hat Brot einfach besser geschmeckt.“ Aber stimmt das wirklich? Pflanzenforscher der Düsseldorfer Uni haben sich dieser Geschmacksfrage gemeinsam mit Kollegen aus Stuttgart und der Schweiz mit wissenschaftlichen Methoden genähert und Erstaunliches dabei herausgefunden: „Brote, die mit neuen Weizensorten gebacken werden, sind genauso lecker wie Brote aus älteren Sorten.“ Und dennoch bestätigen sie den Eindruck, den jeder schon auf der Zunge hatte: Brot ist nicht gleich Brot.
Auf einer Stellage waren sie gestapelt: 80 Weizenbrote, alle stammten aus einer Backstube, alle wurden am selben Tag verkostet. „Dafür wurden an zwei verschiedenen Standorten jeweils 40 Weizensorten angebaut, geerntet, vermahlen und daraus nach exakt gleichen Rezepten Brot gebacken“, erläutert Benjamin Stich, Professor am Uni-Institut für Quantitative Genetik und Genomik der Pflanzen. Wer im Supermarkt vor zwei oder drei Mehltypen steht, ahnt nicht, welche Vielfalt es gibt. Eigentlich. Denn in Deutschland können Landwirte das Saatgut von etwa 150 verschiedenen Weizensorten wählen. Dabei verschwinden jedes Jahr einige Sorten und werden durch Neuzüchtungen ersetzt, die deutlich höhere Erträge bringen, widerstandsfähiger gegen Schädlinge sind, bessere Backeigenschaften mitbringen sollen.
„Bei der Züchtung, aber auch beim Anbau und Handel von Weizen standen bisher Aroma, Geschmack und Geruch von Brot nicht im Vordergrund“, so Stich. Deshalb wollten die Wissenschaftler die Unterschiede testen und verwendeten für ihren Versuch ausschließlich reine Sorten, „sogar spezielle Mähdrescher wurden genutzt, um diese Reinheit zu gewährleisten“. Dann ließen sie es sich schmecken. Beurteilten zunächst Größe, Geruch und Teigelastizität, dann auf einer Skala von 1 bis 9 die Intensität des Geschmacks, von fad bis sehr aromatisch. Anschließend bewerteten sie Details: Schmeckt ein Brot eher teigig, nussig, vielleicht etwas ranzig?
„Das Ergebnis war eindeutig, sowohl bei den alten als auch bei neuen Weizensorten gab es solche, die sehr wohlschmeckende Brote lieferten.“ Die Annahme vieler Menschen, dass neue Sorten für Geschmackseinbußen stehen, sah das Team jedenfalls als widerlegt an. Gleichzeitig unterschieden sich die Brote deutlich in Form, Aroma und sogar Farbe der Kruste. Das brachte die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Umwelt, also Bodenbeschaffenheit sowie Nährstoff- und Mineralgehalt der unterschiedlichen Lagen, eine entscheidende Rolle spielen. Was wiederum weitere Forschungsprojekte beflügelt. Zumal man die Untersuchungen auf andere Getreidesorten wie Roggen oder Gerste ausdehnen könnte.
„Ein wesentlicher Bestandteil unserer Studie ist, dass wir molekularbiologische Verfahren gefunden haben, mit denen sich die Qualität von Brot hervorsagen lässt“, erläutert Stich. Denn die Düsseldorfer Biologen können genetische und chemische Charakteristika im Saatgut bestimmen – ähnlich wie bei einem Vaterschaftstest. Solche Analysen ließen sich in Zukunft für die Pflanzenzüchtung nutzen. Um neue Weizensorten auf den Markt zu bringen, würden jedes Jahr tausende neue Pflanzen gezüchtet. „Es wäre viel zu aufwendig, aus dem Mehl all dieser Pflanzen Brot zu backen und zu verkosten.“ Mit der neuen Methode könnten Züchter schnell solche Weizensorten erkennen, die den Geschmack von Brot verbessern. Auf eine Komponente hat die Wissenschaft allerdings keinen Einfluss, auf das subjektive Geschmacksempfinden. Und darauf, dass jeder anders auf den verführerischen Duft von Brot reagiert. Der eben auch von Erinnerungen geprägt ist. Auch wenn es kaum jemand so auszudrücken vermag wie Heinrich Böll, der über Brot schrieb: „Es haftet an den Lippen wie trockene Zärtlichkeit.“