Grundschule in Düsseldorf Gelebte Integration im Klassenzimmer

Düsseldorf · An der Adolf-Klarenbach-Schule in Düsseldorf haben 70 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Bald sollen noch Flüchtlinge kommen. Die Rektorin schaut nicht ohne Sorge auf diese Aufgabe.

 Die Schüler der Klasse 1c der Adolf-Klarenbach-Gemeinschaftsgrundschule in Düsseldorf-Holthausen.

Die Schüler der Klasse 1c der Adolf-Klarenbach-Gemeinschaftsgrundschule in Düsseldorf-Holthausen.

Foto: Bild Andreas Bretz

Die Schüler der 1c schauen gebannt nach vorn. Es ist Blitzrechnen angesagt, da muss man gut aufpassen und schnell sein. Yassir (7) kennt die Antwort, vor Aufregung hält es ihn kaum auf seinem Stuhl. "19" sagt er und meint damit die Aufgabe "14+5", die seine Klassenkameradin mit roten und blauen Plättchen auf dem Tageslichtprojektor gelegt hat. Die Lösung stimmt.

"Rechnen geht immer, da fallen Sprachprobleme kaum auf", sagt Susanne Hartwig. Sie ist Klassenlehrerin in der 1c und gleichzeitig Rektorin der Adolf-Klarenbach-Gemeinschaftsgrundschule in Düsseldorf-Holthausen. Der Stadtteil gilt als sozial schwach und hat einen hohen Migrantenanteil. An der städtischen Grundschule haben rund 70 Prozent der 314 Schüler einen Migrationshintergrund. "Viele Kinder sprechen kein gutes Deutsch, wenn sie zu uns kommen", sagt Hartwig. Das gelte nicht nur für die ausländischen, sondern auch für die deutschen Kinder.

Was den Unterricht mitunter zur Herausforderung macht, spielt unter den Schülern selten eine Rolle. "Da kommt es mehr darauf an, ob ein Kind Fußball spielen kann", sagt Hartwig. Ihrer Erfahrung nach lernen die Schüler die fremde Sprache am besten im Umgang mit den anderen Kindern.

In der "Singpause" in der Klasse 1a werden sprachliche Barrieren ganz nebenbei aufgebrochen. Dörte Högner vom Städtischen Musikverein Düsseldorf kommt viermal die Woche, heute hat sie ein neues Lied mitgebracht. Das sollte "bitte lustiger als das andere" sein, hat sich ein Junge gewünscht. Er wird nicht enttäuscht: In dem Lied geht es um die Düsseldorfer Kö, auf der "schöne Mädchen promenieren". Die Erstklässler kugeln sich vor Lachen. Erst als Högner fragt, wer denn das Wort "promenieren" kenne, wird es wieder ruhig. Keines der Kinder weiß die Antwort, auch die deutschen Muttersprachler nicht. Singleiterin Högner liefert die Erklärung: "Promenieren bedeutet, dass man elegant spazieren geht." Jetzt haben alle Kinder ein neues Wort gelernt -ganz gleich, welche sprachliche Herkunft sie haben.

Gemeinsames, also integratives Lernen ist ein zentrales Anliegen von Schulleiterin Hartwig und ihrem Team. An der Schule werden auch 21 Kinder mit Behinderung unterrichtet. Um allen Schülern besser gerecht werden zu können, unterrichten in den Klassen des ersten und zweiten Schuljahres immer mindestens zwei Lehrer gemeinsam. Von solch einer personellen Besetzung können viele Schulen nur träumen. "Meist macht eine von uns den Unterricht, während die andere die Kinder individuell unterstützt", sagt Petra Weber, Co-Klassenlehrerin der 1c. "Der Vorteil ist, dass immer jemand da ist, der die Kinder gut kennt", sagt Hartwig. Das ist nicht zuletzt auch deshalb wichtig, weil viele eine individuelle Förderung brauchen.

Auch im Matheunterricht in der 1c sind nicht alle Kinder gleich konzentriert bei der Sache. Erik (7) macht lieber Quatsch mit seinem Freund Ibrahim. Der ist 8 und kommt aus der Türkei. Erik kommt aus Russland. Doch das ist den beiden völlig egal, Hauptsache, sie dürfen nebeneinandersitzen.

Anders als bei den weiterführenden Schulen wird bei der Grundschule nicht vorsortiert: "Wer hier im Stadtteil wohnt, kommt zu uns", sagt die Schulleiterin. Dass die kulturellen Unterschiede, die die Kinder und ihre Eltern mitbringen, im Schulalltag eine Rolle spielen, zeigt nicht zuletzt das Burka-Verbot, mit dem die Schule im vergangenen Herbst Schlagzeilen machte. Die Hausordnung verbietet es Frauen, das Schulgelände mit Gesichtsschleier zu betreten. "Mit Lehrern und Eltern wurde die Regelung gemeinsam beschlossen und wird seitdem respektiert", sagt Hartwig.

"Wir wollen allen Kindern das Gefühl geben: Wir finden es gut, dass du hier bist", sagt die Schulleiterin. Das soll auch für die Flüchtlingskinder gelten, die voraussichtlich im Februar kommen sollen. Hartwig blickt nicht ohne Sorgen auf diese Aufgabe. Denn bislang ist noch völlig unklar, wie viele Kinder kommen werden. Hartwig zufolge gibt es an der Schule eigentlich gar keinen Platz für weitere Schüler: "Schon jetzt sind die Klassen mit 24 bis 31 Kindern voll."

Die Rektorin will auch diese neue Aufgabe gemeinsam mit ihrem Team angehen. "Ein gutes Team ist das A und O. Wir sprechen viel und offen miteinander." 21 Lehrer unterrichten an der Schule, darunter vier Sonderpädagogen.

Doch es gibt Situationen, in denen sie an Grenzen stoßen. Dabei wird vor allem schwieriges emotionales und soziales Verhalten der Kinder zum Problem. "Dann merken wir, dass den Kindern die Schule hier nicht gut tut. Manchmal können wir ihnen nicht helfen", sagt Hartwig.

Ebendiese Sorge treibt die Schulleiterin um, wenn sie an die Flüchtlingskinder denkt. Hartwig und ihre Kollegen stellten sich darauf ein, dass einige traumatisiert sind. "Mir ist wichtig, dass auch die Kollegen das bewältigen können. Deshalb mache ich mir Gedanken." Doch sie werde positiv und mit viel Flexibilität an die Aufgabe herangehen und sich im Notfall Hilfe vom Schulamt holen. "Dort habe ich bisher immer ein offenes Ohr gefunden", sagt Hartwig. Sie sei optimistisch, dass die Schule die Integration der Kinder meistern werde. "Als Grundschulrektorin muss ich das so sehen."

(lsa)
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