Düsseldorf Flingeraner Händler proben den Aufstand

Düsseldorf · Ist ein Straßenumbau gut oder nicht? Die Händler an der Birkenstraße wollen sich nicht für die Diskussion an der Benderstraße instrumentalisieren lassen. Viele von ihnen verbreiten bei der mobilen Redaktion Optimismus.

An diesem Tag ist Siegfried Bröcker ein Einzelkämpfer. Es geht hoch her bei der mobilen Redaktion an der Birkenstraße, aber der Sonnenstudio-Besitzer ist der einzige Kaufmann, der über den Umbau der Einkaufsstraße klagt. "Ich habe 35 Prozent Umsatzeinbuße. Die Parkscheibenregelung endet um 18 Uhr, danach wissen meine Kunden nicht wohin. Ich habe aber bis 21 Uhr auf." Eine Stunde länger mit Parkscheibe, das fänden die meisten gut, die Stadt kontrolliere auch häufig genug und sorge für Umschlag. Anja Egener muss da schmunzeln. Die Modemacherin ist aus Köln nach Flingern gezogen. "Meine alten Kunden, die zu mir kommen, loben die Parkplatzsituation."

Auf die neue Birkenstraße, die im vergangenen Jahr für rund vier Millionen Euro gestaltet wurde, lassen die meisten nichts kommen. Alexandra Pape-Victor hat sogar ein Plakat mitgebracht, auf das sie jetzt noch den Schriftzug "Die Kö von Flingern" drucken will. Dass dies ein bisschen weit geht, ist klar. "Das ist hier wie nach einer Entbindung", sagt Pape-Victor, "das Kind kann noch nicht laufen". Das sieht auch Wieland Freudiger so. Die Umfrage der IHK komme viel zu früh, meint er. "Man muss bei einer solchen Entwicklung in Zeiträumen von fünf bis zehn Jahren denken." Der Immobilien-Boom in Flingern-Nord zeige, dass sich dort viele kaufkräftige Kunden ansiedelten, die man mit einem entsprechenden Angebot auch an die Birkenstraße ziehen könne. "Man muss der Straße eine Chance geben", meint auch Ina Weismüller, die seit 22 Jahren mit dem Optikergeschäft Schroeder selbstständig ist.

Deswegen ärgern sich viele über die IHK-Umfrage (siehe Kasten), die zusätzliche Ansiedlungen erschwere. "Wir werden hier instrumentalisiert, um Stimmung im Streit um die Benderstraße zu machen", sagt beispielsweise Hausbesitzer Lothar Pfänder. Dem stimmt auch Bezirksvorsteherin Annelies Böcker (CDU) zu. "Was haben wir mit denen zu tun? Wir wollten hier diesen Umbau. Wenn die Gerresheimer die Chance vertun wollen: Bitte sehr." Sie erinnert daran, wie schlecht die Straße früher aussah. "Der Umbau ist schon heute ein Erfolgsrezept." Auch Günter Karen-Jungen (Grüne) kritisiert, dass die IHK bereits jetzt eine solche Befragung veröffentlicht hat. "Damit erweist sie ihren Mitgliedern an der Birkenstraße einen Bärendienst", sagt er.

Bernd Mathea von der Initiative Flin e.V. fehlt bei der Umfrage der Vergleich, auch konjunkturelle Gründe spielten keine Rolle. Wichtig sei es, nun bald populäre Geschäfte anzusiedeln, um mehr Laufkundschaft auf die Birkenstraße zu bekommen. Tina Schmidt und Antje Mahn von der IHK wollen dabei helfen. Sie schreiben auf, welche Branchen an der Straße gewünscht werden — die Kammer hat schon oft bei Ansiedlungen geholfen.

Den Umbau selbst loben die Anlieger. "Durch den Asphalt ist es jetzt ruhig, und wenn man aus dem Fenster schaut, ist es schön", sagt Ingeborg Großhanten, die seit 49 Jahren hier lebt. Orhan Tancgil ist sogar wegen des Umbaus zur Birkenstraße gekommen. Er hat eine Bürogemeinschaft mit Architekt Christian Weber gegründet, vertreibt unter dem Titel "Kauf Dich Türkisch" türkische Produkte und Kochbücher online und im Geschäft. Marc Willekes, der in seinem Haus eine Personalberatung betreibt: "Ich habe 20 Mitarbeiter, die den Umbau sehr positiv empfinden.

Als eine Erfolgsgeschichte nach dem Umbau empfinden viele die im vergangenen Sommer eröffnete Gaststätte "Lüders", deren Außenterrasse gut belebt ist. Gastronom Jan Lüders hatte die Eröffnung nur gewagt, weil die Straße saniert wurde. Er hat den Schritt nicht bereut. "Ich bin sehr zufrieden."

(RP)
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