Wolfgang Riechmann Flaschenpost des getöteten Musikers

Düsseldorf · Heute erscheint das erstmals 1978 veröffentlichte Album "Wunderbar" des Düsseldorfers Wolfgang Riechmann in einer neuen Ausgabe. Zur Platte gibt es eine tragische Geschichte: Zwei Wochen bevor sie in die Läden kam, wurde der Musiker in der Altstadt erstochen.

 Wolfgang Riechmann wurde 1978 in der Altstadt erstochen. Nun erscheint sein Album "Wunderbar" in Neuauflage.

Wolfgang Riechmann wurde 1978 in der Altstadt erstochen. Nun erscheint sein Album "Wunderbar" in Neuauflage.

Foto: Hersteller

Es war noch sehr warm, als Wolfgang Riechmann und seine Freundin auf ihrem sommernächtlichen Spaziergang über den Carlsplatz schlenderten. An den Blumenkästen, die damals dort standen, wurden sie von zwei Männern angesprochen.

Und obwohl das eine scheinbar freundliche Begrüßung war, hatte das Paar kein gutes Gefühl: "Guten Abend." Einer der Fremden begann sogleich auf Riechmann einzuprügeln, ihn zu treten. Dann stieß er ein Messer in den Brustkorb des 31-jährigen Musikers, "mit großer Wucht", wie ein Sachverständiger vor Gericht erklären wird. Das Opfer starb drei Tage nach der Tat im Marienhospital an seinen Verletzungen.

Keine rein nostalgische Sache

Nun wird man noch einmal an das Verbrechen aus der Nacht zum 21. August 1978 erinnert, denn heute erscheint das Album, das Wolfgang Riechmann damals gerade fertiggestellt hatte in einer Neu-Ausgabe. Es heißt "Wunderbar" und ist das Solo-Debüt des ehemaligen Schülers der Freiherr-vom-Stein-Realschule, der Chemiker gelernt hatte und als Sozialarbeiter angestellt war. Vierzehn Tage nach seinem Tod wurde es veröffentlicht.

"Ein Meilenstein", urteilt Günter Körber, Chef des Plattenlabels Sky, der Riechmann kurz zuvor unter Vertrag genommen hatte. "Rund 20 000 Mal hat es sich verkauft — ein Renner für diese Art von Musik."

Riechmann produzierte elektronische Klänge, nahe an dem, was man schon damals "Düsseldorfer Schule" nannte. Das war Rockmusik, die stark perkussiv und repetitiv angelegt wurde und mit Elektronik experimentierte. Der gebürtige Düsseldorfer bewunderte Gruppen wie Kraftwerk, La Düsseldorf und Neu!. Er musizierte bereits als Schüler, etwa in der Band Spirits of Sounds, die so etwas wie die Keimzelle der rheinischen Variante von Krautrock war. Auch Michael Rother (Kraftwerk, Neu!, Harmonia) und Wolfgang Flür (Kraftwerk) erprobten dort ihren Stil. Später sang er bei der Band Streetmark.

Die Neuauflage des Albums, das es lange nicht zu kaufen gab, stieß die Hamburger Plattenfirma Bureau B an. Sie veröffentlicht die Musik aus dieser Zeit, vor allem aus Düsseldorf, weil es dafür weltweit einen großen Interessentenkreis gebe. Die Originale erschienen sämtlich beim Label Sky, die erste Adresse für so genannte "schwebende Musik", wie Günter Körber sie nennt.

"Wunderbar" hört sich an wie eine Mischung aus den besten Momenten von Klaus Schulze und Tangerine Dream: instrumental, warm, erhaben, magisch, aus weiten Synthesizerflächen gebaut. Manche Stücke strukturiert ein Bass, in anderen sorgt ein elektronisches Schlagzeug für das rhythmische Gerüst. Dabei fällt die Eigenständigkeit des Ansatzes von Riechmann ins Auge. Er streut Wortfetzen auf die sphärischen Stücke, lautmalerischen Gesang, der Akzente setzt und die Lieblichkeit von Titeln wie "Abendlicht", "Himmelblau" und "Traumzeit" kontrastiert. In einigen Momenten fühlt man sich an "Silvercloud" von La Düsseldorf erinnert, anderswo an das später erschienene "Neonlicht" von Kraftwerk.

Im Gegensatz zu vielen Stücken etwa von Tangerine Dream wirkt "Wunderbar" noch immer frisch, die Veröffentlichung ist kein rein nostalgischer Akt. Das Album ist eine lange erwartete Flaschenpost. "Ich habe die Neuausgabe schon, aber ich traute mich bisher nicht, sie zu hören", sagt der Gitarrist Michael Rother, der heute im Weserbergland wohnt und arbeitet. "Die Geschichte ist traurig. Wolfgang kontaktierte mich vor der Veröffentlichung. Er wollte wissen, wie er vorgehen soll, wenn die Platte erschienen ist." Diesen Moment erlebte Riechmann nicht mehr.

Zwei Jahre nach der Tat wurde der Mörder verurteilt, zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Er habe willkürlich zugeschlagen, um sich "abzureagieren", sagte er dem Richter. Gekannt habe er sein Opfer nicht.

(RP)
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