Christian Hagist Familienunternehmen sind Jobmaschinen

Düsseldorf · An der WHU wurde die weltweit erste Professur eingerichtet, die sich mit familiengeführten Unternehmen befasst. Volkswirt Christian Hagist spricht über die Bedeutung des Mittelstands, dessen Probleme und seine Verwurzelung mit Düsseldorf.

 Christian Hagist ist Inhaber des neuen "Lehrstuhls für Generationenübergreifende Wirtschaftspolitik" an der WHU in Flingern.

Christian Hagist ist Inhaber des neuen "Lehrstuhls für Generationenübergreifende Wirtschaftspolitik" an der WHU in Flingern.

Foto: Andreas Bretz

Herr Hagist, beim Lob des familiengeführten Mittelstands gibt es einen breiten Konsens. Warum eigentlich?

Hagist Die regionalen Familienunternehmen schaffen verhältnismäßig viele Arbeitsplätze. 15,1 Millionen oder 53 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Unternehmen, die von Familien kontrolliert werden. Man könnte sie als Jobmaschinen bezeichnen. Das ist einer der Gründe für ihren sehr guten Ruf. Zudem sind viele Mittelständler hoch innovativ. Und da sie oft keine breite Öffentlichkeit bekommen, wird ihre Bedeutung manchmal verkannt. Viele Düsseldorfer Familienunternehmen sind in ihrer Sparte unter den Top drei auf der ganzen Welt. Wir sprechen von den so genannten Hidden Champions, also heimliche oder unbekannte Gewinner, sprich Weltmarktführer.

Was genau ist ein Hidden Champion?

Hagist Der Begriff wurde als Forschungskonstrukt erstmals 1990 in einer Studie von Hermann Simon in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft publiziert und in die ökonomische Diskussion eingeführt. Die Kriterien zur Klassifizierung eines Unternehmens als Hidden Champion definierte Simon so: Sie sind die Nummer eins, zwei oder drei auf dem Weltmarkt oder auf ihrem Heimatkontinent. Der Jahresumsatz liegt in der Regel unter drei Milliarden Euro und in der Öffentlichkeit sind sie kaum bekannt, da sie in der Regel inhabergeführt und nicht börsennotiert sind.

Wie grenzt man den Mittelstand beziehungsweise Familienunternehmen ab?

Hagist Das ist immer noch ein Problem für die Wissenschaft. Theoretisch ist etwa Henkel natürlich auch ein Familienunternehmen. Der Mittelstandsbegriff ist in Deutschland sehr weit gefasst - vom kleinen Handwerksbetrieb bis im Zweifel zum börsennotierten Konzern.

Was machen Familienunternehmen anders als Firmen in Händen vieler einzelner Investoren, etwa Aktiengesellschaften?

Hagist Familienunternehmer haben tendenziell eine längerfristige Perspektive. Oft stehen auch die Gründer selbst noch an der Spitze der Firmenleitung. Das Management etwa in Dax-Konzernen ist selten länger als zehn Jahre in einer Führungsfunktion. Das kann zwar durch intelligente Anreizsysteme und Bezahlungsstrukturen abgemildert werden. Das Kernproblem aber bleibt.

Gerade läuft eine große Werbekampagne, die den Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft preist. Was rechtfertigt diesen doch recht hochtrabenden Titel?

Hagist Nach meinen bisherigen Kenntnissen sind mittelständische Familienunternehmen wesentlich stärker mit ihrer Region verbunden. Das gilt nicht nur für wirtschaftlich attraktive Regionen wie Düsseldorf. Familiengeführte Firmen halten auch an eher unattraktiven Wirtschaftsregionen fest und werden somit zum Anker. Dadurch schaffen sie einen Ausgleich zum wachsenden Stadt-Land-Gefälle. Außerdem sind Familienunternehmen vor Ort stärker außerhalb des eigentlichen Geschäftsbereiches engagiert.

Viele nennen die Nachfolgeproblematik bei Familienunternehmen als großes Problem. Bestätigen Sie das?

Hagist Ein schlechter Übergang vom Inhaber zu seinem Nachfolger kann für ein einzelnes Unternehmen katastrophal sein. Ich als Volkswirt habe aber eher die Makro-Perspektive. Und über alle betrachtet wird die Nachfolgeproblematik, die sicherlich existiert, auch durch den Markt aufgefangen.

Was sind die Probleme des familiengeführten Mittelstands?

Hagist Sie haben mit im Schnitt 36 Prozent eine überdurchschnittlich starke Eigenkapitalausstattung. Das ist natürlich gut. Allerdings sind die Zinsen für Eigenkapital nicht steuerlich absetzbar. Die für Fremdkapital schon. Dadurch wird Verschuldung vom Staat belohnt. In diesem Punkt gibt es sicherlich einen großen Verbesserungsbedarf.

Und was ist der Standortvorteil?

Hagist Die duale Ausbildung mit Berufsschule. Auch wenn es einen Trend zur Akademisierung gibt. Viele Jobs sind durch diese Form der Bildung auch ohne Studium hoch produktiv.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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