Düsseldorf Fall Lucan: Polizei ging von Suizid aus

Düsseldorf · Im Mordprozess gegen den früheren Lebensgefährten der im November 2004 getöteten Susanne Lucan wurden folgenschwere Fehler der Ermittler offensichtlich. Das erschwert die Argumentation der Anklage.

Als am sechsten Verhandlungstag die Polizisten aussagten, die am 20. November 2004 als erste in die Wohnung der ermordeten Susanne Lucan kamen, wurde klar, warum die Beweislage gegen den einzigen Verdächtigen Thomas S. so schwierig ist. Weil S. in der Wohnung des Opfers ein und aus gegangen war und auch eingeräumt hatte, sie in der Nacht ihres Todes ins Bett gebracht zu haben, waren ohnehin die meisten der ihm zuzuordnenden Spuren erklärbar. Wenn es weitere gegeben hat, sind sie womöglich durch Fehleinschätzungen und -informationen vernichtet worden.

Er habe sofort an einen Suizid gedacht, "durch etwas schussähnliches, weil da so viel Blut verströmt war", sagte ein heute 35-jähriger Beamter, der damals zu einem "Hilfeersuchen" an die Benzenbergstraße geschickt worden war. Nachdem, was Thomas S. und ein Bekannter im Notruf geschildert hatten, ging die Polizei damals zunächst von einem Notfall wie Sturz oder Erkrankung aus. Zwei Feuerwehrleute öffneten im Auftrag der Beamten das blockierte Türschloss, gingen dann mit zwei Rettungssanitätern in die Wohnung — erst dann folgten die Polizisten, deren Dienstvorschrift das allerdings andersherum fordert.

Ein Rettungsassistent tastete am Arm der blutüberströmten Susanne nach dem Puls, stellte dabei die Leichenstarre und den Tod fest. Ob sie zugedeckt gewesen war, als die Sanitäter sie im Bett fanden? Das Licht ein- oder ausgeschaltet? Die Tür offen oder geschlossen? Das konnte, neun Jahre danach, keiner der Zeugen sagen. Aber auch in ihren Vernehmungen kurz nach dem Einsatz widersprachen sich die Angaben.

Unter dem Eindruck der Entdeckung dürfte letztlich keiner der sechs Männer, die als erste am Tatort waren, darauf geachtet haben. "Nachdem ich die Tote gesehen hatte, habe ich auf Details nicht mehr geachtet", räumte vor Gericht einer der Schutzpolizisten ein. Er habe sich vor allem bemüht, die Partygäste, die Susanne für den Abend eingeladen hatte und die vor der Tür unruhig wurden, von der Wohnung fernzuhalten.

In dieser Situation will der Beamte auch nicht gehört haben, wie sein Kollege per Funk seinen Vorgesetzten und die Kripo anforderte, zu einem "Suizid durch Kopfschuss". Mit dieser Information aber traf kurz darauf ein Team der Kripo ein. Um die Tatwaffe zu finden, durchsuchte ein Ermittler das Bett und ging, so ein dritter Polizist vor Gericht, "dabei nicht sonderlich zimperlich" vor. Als dem Kripo-Kollegen klar geworden sei, dass es sich nicht um einen Suizid handeln könne, habe er "recht betroffen" gewirkt.

Von einem Schuss ging die Kripo aber weiterhin aus, untersuchte S. und einen weiteren Partygast sogar auf Schmauchspuren an den Händen. Erst als mit der Mordkommission ein Rechtsmediziner eintraf, stand schnell fest, dass Susanne Lucans Kopfverletzungen von schweren Schlägen stammten.

Wo und wann genau welche Decke wie gelegen hat — das ließ sich deshalb schon damals nicht mehr rekonstruieren. Und ebenso wenig die Position einer Jogginghose voller Blutspritzer, die nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft der Angeklagte bei der Tat getragen hat.

In sechs Hauptverhandlungstagen ist bislang nur nachgewiesen worden, dass Thomas S. monatelang ein Doppelleben führte, seine heutige Ehefrau ebenso hinterging wie die getötete Susanne und deren Familie, dass er ein überzeugender Lügner sein kann, was nicht sehr sympathisch, aber auch nicht strafbar ist. Die Lügen und Widersprüche, die Thomas S. schon vor neun Jahren in Mordverdacht brachten, sind nur ein Indiz. Vor den objektiven Beweisen muss der Verteidigung aber derzeit nicht bange sein.

(RP)
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