Prozess in Düsseldorf Fall Lucan: Das Leben mit dem Verdacht

Düsseldorf · Irgendwann kamen ihr die Tränen. Fünf Jahre habe sie gebraucht, um die Dinge zu verarbeiten, die sie nach dem Tod von Susanne Lucan über ihren heutigen Mann erfahren habe. Das sagte Tanja B, (43), die Ehefrau des Angeklagten Thomas S. am Mittwoch vor Gericht aus. Thomas S. soll seine frühere Freundin Susanne Lucan ermordet haben.

 Im Mordprozess gegen ihren Ehemann sagte Tanja B. gestern über den Beginn ihrer Beziehung Thomas S. aus.

Im Mordprozess gegen ihren Ehemann sagte Tanja B. gestern über den Beginn ihrer Beziehung Thomas S. aus.

Foto: Andreas bretz

"Das alles hat meine Person und Persönlichkeit verändert, es war ein radikaler Einschnitt." Es geht um die Lügen von Thomas S., mit dem sie erst seit einigen Monaten eine Beziehung hatte, und es geht um den schrecklichen Verdacht gegen ihn. "Ich wollte das nicht mehr in meinem Leben haben", sagte B. fast flehentlich, "aber jetzt kommt alles wieder hoch."

Zunächst viel Verständnis

Einen Großteil ihrer Aussage hörten nur das Gericht und die unmittelbar am Prozess Beteiligten. Die Öffentlichkeit hatte der Vorsitzende Richter Rainer Drees zum Schutz der Intimsphäre der Zeugin ausgeschlossen. Die hatte ohnehin Mühe, vor Publikum über die Anfänge ihrer Beziehung zu Thomas S. zu sprechen, der damals, Ende 2003, noch mit Susanne Lucan zusammen war. Das sei zu Beginn für sie nicht relevant gewesen, man habe sich in den Pausen beim gemeinsamen Arbeitgeber gesehen, sich auch mal mit anderen Bekannten verabredet. Eine Zeit lang sei S. mit Susanne Lucan, deren Namen sie nicht gekannt habe, noch zusammen und "mit mir in einer Art Übergangsphase" gewesen. Auch nachdem S. im Februar 2004 zu ihr gezogen sei, sei er mit der früheren Beziehung "noch nicht fertig" gewesen.

"Loslassen ist schwer", sagte die Zeugin. "Ich fand es fair, dass er die Zeit dafür bekommt." Als S. nach kurzer Zeit wieder auszog, zurück zu seinen Eltern, habe sie Verständnis gehabt. "Ich sagte, er soll kommen, wenn er so weit ist." Später aber habe sie ihn auch gefragt, ob er noch immer Kontakt zu seiner Ex-Freundin habe: "Er sagte ,Nein'." Dass er seiner Susanne beim Umzug aus der einst gemeinsamen Wohnung half, habe sie "normal" gefunden. Dass sie nicht dabei sein durfte, als Thomas S. seinen Geburtstag mit Susanne bei seinen Eltern feierte, "wusste ich, aber es war kein Gesprächsthema zwischen uns."

"Radikaler Einschnitt in mein Leben"

Selten blickte die sichtlich angespannte Zeugin, die mit Anwältin erschien, zu ihrem Mann, mit dem sie seit 2004 zusammen lebt und der sie, wie ihr erst im Lauf der Ermittlungen klar geworden ist, in jenen ersten Monaten ihrer Beziehung so oft belogen hat. Er sagte ihr, er gehe zur Geburtstagsfeier seines Vaters — dabei war er mit Susanne essen, guckte bei ihr zuhause "Shrek" auf DVD und hielt sie, wie er aussagte, in den Armen, bis sie eingeschlafen war. Er sagte Tanja B., er verspäte sich, weil seine Mutter krank geworden sei — dabei hatte er gerade miterlebt, wie seine ermordete Ex-Freundin in ihrem Bett gefunden worden war. Und als er ihr spät in der Nacht von Susannes Tod berichtete und beichtete, dass er noch immer engen Kontakt zu ihr hatte, da erwähnte er nicht, dass Susanne Lucan durch ein Gewaltverbrechen starb. Das erfuhr Tanja B. erst am nächsten Morgen von der Kripo.

Die habe sie in fünf Vernehmungen "unter Druck gesetzt und sehr verängstigt", ihr geraten, nicht zuhause zu schlafen, weil S. einen Schlüssel habe. "Man könne nicht ausschließen, dass mir etwas passiert". Verängstigt habe sie eine Nacht bei einer Freundin verbracht, sagte Tanja B. Sie kann sich erinnern, dass sie Thomas S. viele Fragen stellte. An seine Antworten erinnere sie sich nicht, sagte sie. Vieles vermische sich mit dem, was sie später aus der Anklage und der Presse erfuhr. Und schon lange habe sie sich nicht mehr damit befasst. "Das war so ein radikaler Einschnitt in mein Leben. Aber ich muss doch auch meinen Alltag gestalten."

(RP)
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