Düsseldorf Erste Anklage gegen Silvestertäter

Düsseldorf · Taoufig M. muss im April wegen sexueller Nötigung vor Gericht. 100 solcher Taten sind in der Neujahrsnacht angezeigt worden - dreimal so viele wie im gesamten Jahr zuvor.

 In einer „Spiegel-TV“-Sendung über das sogenannte Maghreb-Viertel in Düsseldorf meint eine 18-Jährige ihren mutmaßlichen Peiniger aus der Silvesternacht erkannt zu haben. Der 33-jährige Marokkaner Taoufig M. (l.) sitzt nun in Untersuchungshaft.

In einer „Spiegel-TV“-Sendung über das sogenannte Maghreb-Viertel in Düsseldorf meint eine 18-Jährige ihren mutmaßlichen Peiniger aus der Silvesternacht erkannt zu haben. Der 33-jährige Marokkaner Taoufig M. (l.) sitzt nun in Untersuchungshaft.

Foto: spiegel tv

Er hat eine 18-Jährige in der Altstadt erst mit Freunden gemeinsam und dann noch einmal alleine bedrängt, ihr auf der Bolkerstraße unter den Rock und zwischen die Beine gegriffen, sie geschlagen. So heißt es in der Anklage gegen Taoufig M., den 33-jährigen Dieb aus Oberbilk, der seit einem Monat wegen des dringenden Verdachts der sexuellen Nötigung in Haft sitzt.

Der Mann, den sein Opfer wiedererkannte, als er sich in einem Fernsehmagazin großspurig als König der Taschendiebe präsentiert hatte, muss sich aber nicht nur wegen dieser Tat im April vor Gericht verantworten: Zwei weitere Anklagen sind wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung noch aus dem vergangenen Jahr anhängig.

M. ist einer von bislang 18 identifizierten Tätern, die in der Silvesternacht auf dem Burgplatz und in der Altstadt Frauen bedrängt, beleidigt, begrapscht und teilweise auch beraubt haben sollen. "Taharush Gamea" heißt diese Form der Gruppenkriminalität, die in arabischen Ländern schon seit einigen Jahren bekannt ist und in der Silvesternacht erstmal nach Düsseldorf kam.

Das Jahr 2015 war im Bereich der Sexualstraftaten bis dahin ein unauffälliges gewesen. Ein leichter Rückgang insgesamt, 54 Vergewaltigungsfälle, das sind weniger als im Vorjahr, 32 Anzeigen wegen sexueller Nötigung, zwei mehr als 2014 - Schwankungen, die durchaus normal sind, wie frühere Jahresberichte belegen.

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"Nicht jede Frau erstattet tatsächlich Anzeige"

Die Zahlen unterscheiden sich dennoch von den Erkenntnissen etwa der Frauenberatungsstelle. Dort sind im vorigen Jahr 150 Vergewaltigungsopfer beraten worden. "Nicht jede Frau erstattet tatsächlich Anzeige", sagt Leiterin Lucia Kleene. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die meisten Opfer sexualisierter Gewalt die Täter kennen. "Und die Hürde, einen Menschen aus dem eigenen, nahen Umfeld anzuzeigen, ist hoch."

Kleene geht davon aus, dass auch bei den Nötigungsfällen 2015 die Dunkelziffer deutlich über der Zahl der Ermittlungsverfahren lag. Das Grapschen in der Altstadt sei von vielen Frauen hingenommen worden. Der Gedanke, man habe das selbst womöglich provoziert, oder der, es sei doch eigentlich nichts passiert, spiele dabei eine Rolle. "Solche Taten wurden bislang in der Gesellschaft nicht ernst genommen", sagt Kleene. Nicht bei der Polizei, aber auch oft nicht von den Betroffenen selbst, bei denen auch Scham eine Rolle spiele.

Bis zu dieser Silvesternacht, in der Taoufig M. und zahllose junge Männer wie er sich zu den zentralen Plätzen deutscher Großstädte begaben. Sollte es sexuelle Gruppen-Übergriffe früher schon gegeben haben, sind sie zumindest in Düsseldorf nicht angezeigt worden, heißt es bei der Polizei. Die ermittelt inzwischen allein in 100 solcher Fälle sexueller Nötigung in der Silvesternacht - mehr als drei mal so viele wie im ganzen Jahr 2015. Dazu kommen zwei versuchte Vergewaltigungen und 16 sexuelle Beleidigungen.

Die Zahlen steigen: Das Anzeigeverhalten der Frauen hat sich mit der öffentlichen Wahrnehmung geändert. Der Grapscher in der Altstadtkneipe, der sich bislang sicher sein konnte, dass ein Übergriff folgenlos blieb, muss nun mit juristischen Konsequenzen rechnen - jedes Wochenende werden solche Täter in der Altstadtwache angezeigt. "Die Frauen werden ernst genommen", sagt Lucia Kleene, die das Bemühen von Polizei und anderen Institutionen durchaus anerkennt. "Der Umgang mit den Folgen dieses Silvesterdebakels ist sehr positiv."

(RP)
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