Heimatserie Wo Fremde in Düsseldorf heimisch werden

Düsseldorf · Trotz fremder Kultur und unbekanntem Stadtbild erschließen sich auch Zuwanderer eine Heimat in Düsseldorf. Dabei geht es jedoch nicht um Sehenswürdigkeiten, sondern um Orte, die ein Gefühl der Zugehörigkeit ausstrahlen. Selbst wenn es sich nur um eine Sporthalle handelt.

 Sanjeev aus Indien fühlt sich in der Sporthalle des Wim-Wenders-Gymnasiums wohl, wo er immer Basketball spielt.

Sanjeev aus Indien fühlt sich in der Sporthalle des Wim-Wenders-Gymnasiums wohl, wo er immer Basketball spielt.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Sanjeevs erste Tage in Düsseldorf waren kein Vergnügen. Für seinen neuen Job in einem IT-Unternehmen war der 32-jährige Inder im Juli des vergangenen Jahres in die Landeshauptstadt gezogen, doch insbesondere die erste Zeit nach seiner Ankunft drehte sich hauptsächlich um seine Arbeit, da er vor Ort noch niemanden kannte. „Ich hatte große Angst, dass ich hier keinen Anschluss finde“, erzählt er. Doch das änderte sich, als er zum ersten Mal die Sporthalle des Wim-Wenders-Gymnasiums in Oberbilk besuchte. Heimat ist nicht ausschließlich der Ort, in den ein Mensch hineingeboren wird. Heimat kann auch neu erschlossen werden. Denn der Begriff meint neben einem bestimmten Raum auch Emotionalität. Ein Gefühl der Sicherheit und des Zuhause-Seins. Entsprechend schwierig ist es für Ausländer, eine neue oder zweite Heimat zu finden. Vor allem zu Beginn ist, angefangen bei der Sprache über das Stadtbild bis zur Kultur, alles fremd. Doch trotz dieser Voraussetzungen finden auch Zugezogene Orte, die ihnen ein Gefühl von Heimat vermitteln. Dabei handelt es sich nicht unbedingt um naheliegende Plätze wie das Rheinufer oder den Hofgarten, sondern um Orte, die einem ein Gefühl des Dazugehörens vermitteln.

Bei Sanjeev war es die Sporthalle. Seit seiner Kindheit ist er ein leidenschaftlicher Basketballspieler. Deshalb begann er in Düsseldorf nach einem passenden Verein zu suchen. So fand er schließlich die Basketball AG des Vereins Tusa 06 Düsseldorf, die jeden Mittwochabend an der Schmiedestraße trainiert. Er kontaktierte den Verein und besuchte schließlich ein Probetraining. Jedoch mit einem flauen Gefühl im Magen, da er sich unsicher war, ob das Team ihn, den Fremden, aufnehmen würde. Doch das tat es. „Ich war sehr überrascht, wie offen alle waren“, berichtet er über seine erste Begegnung mit seinen Mitspielern. Mittlerweile ist er ein fester Bestandteil des Teams und fiebert jede Woche aufs Neue dem Basketballtraining am Mittwochabend entgegen. „Wenn ich hier Basketball spiele, fühle ich mich zu Hause.“ In der Zwischenzeit hat er aber auch den Rest der Stadt für sich erschlossen. „Ich mag das große kulturelle Angebot in Düsseldorf.“ Sein Arbeitsvertrag ist vorerst bis Ende Oktober befristet, doch mittlerweile kann er sich gut vorstellen, länger in der Landeshauptstadt zu bleiben.

 Die Erasmusstudentinnen Alison und Morane (v.l.) gehen gerne in die Brauerei Kürzer.

Die Erasmusstudentinnen Alison und Morane (v.l.) gehen gerne in die Brauerei Kürzer.

Foto: Anne Orthen (ort)

Das sieht bei den beiden Französinnen Alison (21) und Morane (20) anders aus. Die beiden sind seit Oktober als Erasmusstudentinnen in Düsseldorf und werden im Sommer wieder zurück in ihre Heimat reisen. Doch auch wenn die beiden nur für kurze Zeit in der Rheinmetropole sind, haben auch sie einen Ort gefunden, der ihnen ein Gefühl von Heimat spendet: die Brauerei Kürzer in der Altstadt.

Denn dort verbrachten die beiden Freundinnen ihren ersten Abend in Düsseldorf. „Meine Ankunft und der erste Tag hier waren sehr stressig“, erinnert sich Morane, die durch das Auslandssemester zum ersten Mal in ihrem Leben für eine längere Zeit von ihrer Familie getrennt ist. Insbesondere die Wohnungssuche bereitete ihr große Mühe. Aber natürlich spielte auch die Sorge vor dem Alleinebleiben eine große Rolle. Entsprechend froh war sie, dass der studentische Verein Erasmus Student Network (ESN) für die Neuankömmlinge gleich am ersten Tag einen Besuch in der Altstadt, inklusive Besuch im Kürzer, organisierte. Denn dort lernte sie Alison kennen. „Wir treffen uns seitdem regelmäßig hier mit unseren Freunden“, sagt Alison, „wir mögen die Atmosphäre und fühlen uns wohl.“ Ohnehin lasse es sich in der Landeshauptstadt prima ausgehen. Einzig die Meinungen der beiden über das Düsseldorfer Altbier gehen weit auseinander. „Ich mag es sehr gerne“, sagt Alison, während Morane nur den Kopf schüttelt. „Ich habe mich damit arrangiert“, sagt sie diplomatisch.

Aber das Kürzer ist für die Französinnen ohnehin mehr ein Ort des Zusammenseins als eine Kneipe. Hier wird nicht nur gefeiert, sondern hier wurden nach dem ersten Semester im Februar auch viele Abschiede gefeiert, als die ersten Austauschstudenten wieder zurück nach Hause gingen. Und dort – da sind sich die beiden Studentinnen sicher – werden auch sie im Sommer ihre letzten Abende verbringen. „Das Kürzer ist der Ort, wo alles angefangen hat“, sagt Morane, „und hier wird es auch enden.“

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