Brunnenstraße Ende eines Dornröschenschlafs

Düsseldorf · Totgesagte leben länger. Das gilt offenbar auch für Straßen. "Die Brunnenstraße war schon mehrfach tot, aber sie ist immer wieder auferstanden", erzählt Cemil Öztatiklier. Mit seiner Frau Judith Preylowski betreibt er das "Café Milchschaum" neben dem Metropol, Düsseldorfs ältestem Kino.

 Die Brunnenstraße in Bilk.

Die Brunnenstraße in Bilk.

Foto: Werner Gabriel

Seit 2005 bieten die beiden in dem winzigen Ladenlokal Snacks und selbst gemachten Kuchen an. Und sind so etwas wie die Keimzelle einer neuen Brunnenstraße. Denn die Meile scheint momentan gerade aus einem Dornröschenschlaf zu erwachen.

"Als wir eröffneten, war hier nicht viel los", erinnert sich Öztatiklier. Dennoch gab es für das Paar keinen Zweifel. Das kleine Lokal nahe der Wohnung war ideal für die frischgebackenen Eltern. "Und außerdem stand für mich immer fest, dass ich nur in diesem Stadtteil leben und arbeiten will", fügt Judith Preylowski hinzu. Die gebürtige Bilkerin weiß von ihrer Großmutter, dass die Brunnenstraße einmal die "Kö von Bilk" war. Mit Juwelier, Pelzgeschäft und mehreren Bekleidungsläden.

Davon ist die Meile heute weit entfernt. Dafür kann sie einen Mix aufweisen, den es so wohl nirgendwo sonst gibt: vom Autohaus über eine Kinderfreizeiteinrichtung, eine frisch eröffnete private Kita, einen deutsch-iranischen Kulturclub, einen 137 Jahre alten Lackhandel, einen mehrfach ausgezeichneten Chinesen und eine Avantgarde-Galerie bis hin zu Jungdesignern, die ihr Glück mit selbst entworfenen T-Shirts und Taschen versuchen.

Das alles auf einer Strecke von wenigen hundert Metern, an deren Endpunkt einerseits der höchste Kirchturm der Stadt (St. Suitbertus mit gut 80 Metern) und andererseits der neue Shopping-Koloss, die Bilker Arcaden liegen. Mittendrin wird die Straße gar zur Brücke — über den südlichen Arm der Düssel, die auf ihren letzten Kilometern dem Rhein zustrebt.

Da schließen einerseits nach Jahrzehnten alteingesessene Läden wie Sport Brostermann (im Januar aus Altersgründen) oder der Bio-Laden "Kraut und Rüben", weil dort der Inhaber "die Miete nicht mehr zahlen kann", wie Werner Marz freimütig erzählt. "Die Zeit individuell geführter Bioläden ist halt vorbei." Wohnen will er aber auf jeden Fall an der Brunnenstraße.

Optimistischer ist Nathalie Walbeck auf der anderen Straßenseite. "Bilk und die Brunnenstraße sind hip. Das wird hier das nächste Flingern", ist die junge Designerin überzeugt. Das Duo vom "Milchschaum" hatte ihr ein Ladenlokal vermittelt. Dort verkauft sie unter dem Label "My floating world" seit drei Jahren selbst entworfene Taschen.

Ihr Renner: Handytaschen in bunten Mustern und schrillen Farben. Walbeck hat ihrerseits Martin Lukas auf die Straße gelockt. "Zieh dir was an" heißt sein Shop mit T-Shirt-Eigenkreationen. Für den gebürtigen Bayreuther kam stets nur Bilk in Frage: "Hier kommt so langsam Leben rein."

Am Karolingerplatz kann davon keine Rede sein. Das Café "bild&'s art" an der Ecke (früher Mühlensiepen) besticht zwar durch schickes Interieur mit (käuflichen) Designerstücken und duftendem Kaffee und Kuchen. "Aber ich dachte, hier in Bilk wäre mehr Leben", meckert ein Kölner, der sich dort die Zeit bis zu seinem Geschäftstermin totschlägt. Die Arcaden haben dem Karolingerplatz zugesetzt: Der dm-Markt hat zugemacht, ebenso der Obst- und Gemüseladen gegenüber.

"Hier muss dringend wieder ein Drogeriemarkt her", fordert Sivgan Dugan, die mit ihrem Mann Ylmaz den Blumencontainer auf der Düsselbrücke betreibt. "Ich laufe doch nicht für jedes Klopapier in die Arcaden." Der Blumenverkauf gehe seit den Arcaden jedoch besser. "Vor allem an Wochenenden."

Obwohl er in den Arcaden arbeitet, zieht es Adrian Sapia, Mitarbeiter eines Fitness-Studios, tagtäglich zur Mittagspause an die Brunnenstraße ins Milchschaum: "Hier ist es einfach viel gemütlicher und lange nicht so hektisch."

(RP)
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