Düsseldorf Eine Meisterin unter Männern

Düsseldorf · Maler- und Lackierermeisterin Anne Lilly Lippek gehört als Frau in technischen Ausbildungsberufen einer Minderheit an. Obwohl der Job nicht ihre erste Wahl war, ist sie nun das Gesicht einer Werbekampagne.

Eine Köchin wollte sie sein, da war sich die 16-jährige Anne Lilly Lippek sicher. Noch ausgeprägter war aber ihr Wunsch, keine Schulbank mehr drücken zu müssen und so schnell wie möglich den Sprung von der grauen Theorie in die bunte Praxis der Arbeitswelt zu schaffen. Der ging in Erfüllung: Heute ist die 30-Jährige ihre eigene Chefin und als Maler- und Lackierermeisterin auch eine kleine Sensation in dem männerdominierten Berufsfeld. Als gutes Beispiel wird Lippek deshalb jetzt von der Handwerkskammer (HWK) auf Plakaten präsentiert, die mehr junge Frauen zum Umdenken bewegen sollen, um die Geschlechterungleichheit in den technischen Jobs auszugleichen - und den Bedarf an Unternehmensnachfolgern zu decken.

"Der entscheidende Satz war: Du machst das schon!", erinnert sich Lippek an das, was ihr Ausbilder sagte, als er sie an einem ihrer ersten Tage in der Maler-Ausbildung allein eine Wohnung streichen ließ. Nur eine kurze Anleitung habe es gegeben, dann war der Chef weg - und kam erst abends wieder: "Ich musste mich in der Zwischenzeit einfach selber behelfen. Es war kein anderer da." Doch Lippek überzeugte mit ihrem Talent, der Chef war zufrieden, und einige Zeit später ließ er seine Auszubildende einmal seine Rolle einnehmen: Gemeinsam mit einer Meisterin und zwei Gesellen sollte sie sich um eine ganze Baustelle kümmern. Lippek sollte die Koordination übernehmen - und meisterte auch das. Damals bereitete der Stapel der zu erledigenden Papierarbeit noch schlaflose Nächte, heute ist die Dokumentation verwendeter Materialien selbstverständlicher Teil ihres Jobs, den sie schätzt: "Seine eigene Chefin sein: Da teile ich mich selbst ein. Und die schönen Momente überwiegen."

Nur jeder fünfte Absolvent der Meisterfortbildung im Handwerkskammerbezirk Düsseldorf ist weiblich, und gerade einmal fünf Prozent des Bestandes jetziger Meister. Die Vorbehalte vieler Frauen gegenüber dem Handwerk, insbesondere den technischeren Ausbildungsberufen, reichen tief, sagt HWK-Präsident Andreas Ehlert: "Wir wissen aus zahlreichen Gesprächen, dass sie es sich als Schülerinnen oft gar nicht vorzustellen getraut haben, ihre Lust aufs Montieren, auf Mechanik, Elektrik und Elektronik, auszuleben." Die HWK-Kampagne "Wir können Technik", für die sich auch Lippek vor die Kamera gestellt hat, soll neue Rollenbilder schaffen.

Dass sie nicht Köchin, sondern Malerin geworden ist, hat praktische Gründe: Ein großes Cateringunternehmen, bei dem Lippek anheuern wollte, schätzte sie als "zu jung für die Lehre" ein, die anschließende Lehre an der Elly-Heuss-Knapp-Hauswirtschaftsschule war ihr zu theoretisch, allein das Praktikum in einer Krankenhausküche habe ihr gefallen. "Auf Lernen hatte ich keinen Bock mehr", sagt die 30-Jährige. Über ihre Freunde gelangte sie erst an ein Praktikum und schließlich an eine Ausbildungsstelle als Maler- und Lackiererin.

Drei Jahre blieb sie nach der Gesellenprüfung und Berufsschule, die sie als Klassenbeste hinter sich ließ, in dem Betrieb, und immer war es die Praxis, die ihre Leidenschaft für den Beruf am Brennen hielt: "Das Gefühl, am Abend einen Raum gestaltet, eine sichtbare Werkleistung erbracht zu haben, war gut. Und auch, dass ich morgens ohne großen Aufwand vor dem Spiegel in die Firma gehen und einfach losmachen konnte."

Nach einiger Zeit wandelte sich Lippeks Blick auf die Arbeit. Sie verstand, dass die Ansprüche der Kunden immer höher sein würden als die ihres Chefs, und dachte sich: "Ich kann das selbst besser!" Sie ging zur Meisterschule, und ein Verwandter half ihr mit der Einrichtung eines Betriebes, für den sie sich mit Buchhaltung und Steuern auseinandersetzen muss. Mit 30 Jahren kann sie auf gute Referenzen zurückblicken. Die Elephant Bar und das Sir Walter in der Altstadt wurden von ihr gestaltet. Viel Zeit scheint seit ihrem Berufseinstieg vergangen. Den Weg, der aus ihr statt einer Köchin eine kreative Malermeisterin hat werden lassen, bereut Lippek kein bisschen: "Es zählt das, was am Ende dabei rauskommt."

(bur)
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