"Du wirst verdursten, die trinken da nur Alt." Eine kölsche Närrin im Düsseldorfer Karneval

Düsseldorf · Unsere Autorin kennt viele Sitzungen in der Domstadt. Nun hat sie hier gefeiert – und war angenehm überrascht. Ein Erfahrungsbericht.

 Karneval in Düsseldorf - ja gerne, sagt unsere Kölner Autorin, die überrascht war von der Stimmung in der Landeshauptstadt.

Karneval in Düsseldorf - ja gerne, sagt unsere Kölner Autorin, die überrascht war von der Stimmung in der Landeshauptstadt.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Unsere Autorin kennt viele Sitzungen in der Domstadt. Nun hat sie hier gefeiert — und war angenehm überrascht. Ein Erfahrungsbericht.

"Du wirst verdursten, die trinken da nur Alt." "Bist Du geimpft? Man kann im Ausland nie wissen." "Zieh' auf jeden Fall ein Kostüm mit Maske an. Nicht, dass Dich einer erkennt." "Lass' Dein Handy an." "Iss nichts, was Du nicht kennst." Vor der Expedition in die "Terra incognita" etwa 40 Kilometer rheinabwärts gab es massenhaft gute Ratschläge. Dabei ging es nur um den Besuch einer Prunksitzung in den Düsseldorfer Rheinterrassen.

Habe ich schon erwähnt, dass ich Kölnerin bin? Mit der Sprüche- und Witzesammlung könnte ich in der nächsten Session im Kölner Karneval als Büttenrednerin auftreten. Mit einer sensationellen Type. Vergesst die ganzen Bauchredner mit ihren Affen, Emus und Kühen. Vergesst die Comedians und Parodisten.

Im Gürzenich, im Sartory und in der Hofburg hieße es dann: "Wir empfangen eine Weltsensation. Eine Kölnerin, die in Düsseldorf Karneval feiert." Da fliegt aber schon der erste Tusch in den Saal. Es wäre womöglich zugleich der Letzte. Denn der Auftritt würde ein jähes Ende nehmen, wenn ich meine Eindrücke zu diesem Ausflug in die aus Kölner Sicht "verbotene Stadt" schildern würde. Denn — Achtung, keine Satire — es hat mir in Düsseldorf super gefallen.

Wie, wieso?

Weil ich mich amüsiert habe. Weil ich mich wohl gefühlt habe. Weil einiges angenehmer war, als ich es von Sitzungen in Köln her kenne. Und ich kenne viele.

Ein paar Beispiele: Die Atmosphäre in den Rheinterrassen war von Beginn an entspannt. Das lag an so banal klingenden Dingen wie einem Fässchen auf dem Tisch (statt Wein- und Kalte-Ente-Zwang), vernünftigem Essen zu bezahlbaren Preisen, das am Platz serviert wurde, und einer besucherfreundlichen Bestuhlung. Es gibt Säle in Köln, die mit allem bestückt zu sein scheinen, was das Möbellager hergibt. Da bedarf es einer generalstabsmäßigen Planung, um bei laufendem Programm einigermaßen unbeschadet aus der Reihe klettern zu können. Man kann auch nicht mal so eben aufstehen, ohne dass einem ein Stuhl in die Kniekehle knallt.

Das ist umso blöder, da man genau zu dieser Übung permanent aufgefordert wird. Gefühlte 111 Mal am Abend ergeht der Befehl: "Auf von den Stühlen." Schunkeln im U-Boot wäre wahrscheinlich komfortabler. Das ist richtig anstrengend. Kein Wunder, dass ein derart aufgescheuchtes Publikum wenig Lust verspürt, Wortbeiträgen aufmerksam zuzuhören. Selbst Topredner wie Marc Metzger "Dä Blötschkopp" und Guido Cantz geraten da an ihre Grenzen. Metzger ist einmal aus Protest, weil es einfach zu laut im Saal war, schon nach wenigen Minuten von der Bühne gegangen.

Ganz anders in Düsseldorf. Ein bis zum Schluss diszipliniertes Publikum hörte auch dem relativ spät auftretenden Redner Christian Pape konzentriert zu. Das war toll, da konnte man sich mal entspannt zurücklehnen. Angenehm war auch die unaufgeregte Leitung der Sitzung. Präsidentin Janine Kemmer von der Rheinischen Garde Blau-Weiss brachte die Veranstaltung ohne Getue und Geschwätz souverän über die Bühne.

Das aktuelle Motto des Kölner Rosenmontagszuges lautet: "Zokunft - mer spingkse wat kütt." Das heißt frei übersetzt: Mal sehen, was die Zukunft bringt. Bezogen auf das vorne angedachte Debüt der Nachwuchskünstlerin mit dem seltsamen Sinn für Humor (und Düsseldorf) sähe diese Zukunft so aus: Das Publikum wäre nach dem Düsseldorf-Geständnis paralysiert, gleichsam wie eingefroren.

Und weil wir gerade beim Spinnen sind. Die Szenerie wäre der aus dem Märchen "Dornröschen" nach dem verhängnisvollen Stich an der Spindel und der kollektiven Versteinerung aller Anwesenden nicht unähnlich. Nach ein paar Schrecksekunden kämen die ersten Pfiffe und Buhs. Einige würden auch verhalten lachen. Das wären die Intellektuellen mit Kenntnissen aus der Karnevalshistorie. Diese Kameraden hielten das Ganze für ein besonders dreistes, aber durchaus gelungenes Beispiel für eine "Litsch-Rede". Einst gab es diese Form des Vortrags im Karneval häufiger. Der Redner legte sich dabei bewusst mit dem Publikum an. Ziel war es, von der grölenden Menge von der Bühne geschmissen zu werden. Der Empörung folgte stets das befreiende Lachen.

HaHa, war alles nur Spaß. "Hammer ja tirek jewusst." Der Kabarettist Didi Jünnemann sorgte vor ein paar Jahren auf der Stunksitzung mit einer solchen "Litsch-Rede" für Furore. Er beschimpfte in Köln das Kölner Publikum. Und zwar sehr heftig. In etwa so, wie das sonst in der Domstadt nur über Düsseldorf und die Düsseldorfer geschieht. Ein Seitenhieb auf die Landeshauptstadt ist in Köln immer eine Bank. Wer an der Stelle nicht lacht, kommt wahrscheinlich selbst daher. Das habe ich umgekehrt so drastisch in Düsseldorf nicht erlebt. Es gab hier und da ein paar Schmährufe in Richtung Köln und Kölner, die waren aber nicht spielentscheidend, sondern eher verhalten.

Um das Gedankenspiel um die "Kölnerin, die in Düsseldorf Karneval feiert" zu Ende zu bringen, fehlt noch der Abgesang. Womöglich würde der Präsident die ausgepfiffene Künstlerin ebenso verabschieden wie einst der Chef der Prinzengarde eine gewisse Hella von Sinnen. Sie trat, lange bevor sie sich für RTL Torten ins Gesicht werfen ließ, als "Putzfrau Schmitz" im Kölner Karneval auf. Als ihr Vortrag nicht so gut ankam und das Publikum murrte, versuchte der hochdekorierte Mann auf dem Podium die Situation zu entschärfen und sagte: "Sid friedlich. Ne junge Hungk versäuf mer nit." Der "junge Hund" hat es danach vorgezogen, die Karnevalsbühne zu meiden und aus eigener Kraft zum Fernsehen zu schwimmen.

Das Reisetagebuch zum Kostümtrip nach Düsseldorf ist ganz klar nur eine Momentaufnahme. Eine sehr subjektive obendrein. Aber dies spiegelt genau die Situation und die Eindrücke wider, die die Besucher mit nach Hause nehmen. Ich weiß natürlich, dass es auch in Köln Sitzungen gibt, bei denen es Kölsch im Saal und eine nicht ganz so enge Bestuhlung gibt. Aber dieses rasante Tempo, das nicht nur die Künstler auf der Bühne atemlos macht, setzt sich immer mehr durch.

Es gibt indes schon Stimmen, die dem entgegenwirken möchten. Es gibt die "Flüstersitzung" mit einem Programm ohne viel Remmidemmi. In der nächsten Session soll es mehrere Veranstaltungen geben, in denen auf leisere Töne gesetzt wird.

Zum Schluss etwas zugunsten meiner Heimatstadt. Die Kölner Musikszene mit einer Vielzahl guter Bands, die den Karneval prägen, ist einzigartig. Neben die arrivierten Top-Stars wie Bläck Fööss, Höhner, Paveier, Brings und Räuber treten junge Bands wie Kasalla, Cat Ballou und Kuhl un de Gäng. Ein Geheimtipp für Düsseldorf: Vielleicht ist es in Zukunft einfacher, diese Musikgruppen für eine Veranstaltung in der Landeshauptstadt zu buchen - zumal Köln sie verärgert: Mit Knöllchen an ihren Fahrzeugen.

(RP)
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