Hilfe für wohnungslose Frauen „Eine aggressive Männerstimme bringt mich zum Weinen“

Nach einer aktuellen Uni-Studie im Auftrag der Diakonie gibt es zu wenig Angebote speziell für obdachlose Frauen – auch in Düsseldorf.

 Ein Leben auf der Parkbank wollen viele wohnungslose Frauen auf jeden Fall vermeiden. Doch es gibt zu wenig Angebote.

Ein Leben auf der Parkbank wollen viele wohnungslose Frauen auf jeden Fall vermeiden. Doch es gibt zu wenig Angebote.

Foto: dpa/Martin Gerten

Isa Dickers heiratet, als sie selbst noch fast ein Kind ist: Mit 19 Jahren ist sie in einer Ehe gefangen, die für sie zur Qual wird: Sie erlebt Gewalt und sexuelle Übergriffe. „Ich bekam mehr Prügel als zu essen“, erzählt sie. Die Ehe endet nach kurzer Zeit – und zunächst führt Dickers ein normales Leben. Erst viele Jahrzehnte später bekommt sie nach dem Tod ihrer Schwester eine schwere Depression, verliert durch ihre Erkrankung ihre Arbeit und ihre Wohnung. Heute ist sie 61 Jahre alt und wird seit über einem Jahr von der Einrichtung „Icklack – Wohnung für Frauen“ der Diakonie Düsseldorf betreut.

Immer mehr Frauen sind von Wohnungslosigkeit betroffen. Mittlerweile ist jede dritte der über 32.000 Wohnungslosen in NRW weiblich. Für sie gibt es zu wenig Notübernachtungsstellen, Wohnhilfen und Beratungsangebote, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Hochschule Düsseldorf für das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL).

Im ländlichen Raum und in kleineren Städten fehlen frauenspezifische Angebote für Wohnungslose. „Die Regel ist die gemeinsame Unterbringung mit Männern“, sagt Christian Heine-Göttelmann, Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe. Laut Studie haben rund 42 Prozent der wohnungslosen Frauen Gewalt und sexuellen Missbrauch erfahren. Befragt wurden erstmals wohnungslose Frauen und Mitarbeiterinnen der rund 260 Einrichtungen in der Wohnungslosenhilfe des Landesverbandes. „Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, gehen Frauen oft Zwangspartnerschaften ein“, beschreibt Roland Meier, Vorstand des Evangelischen Fachverbands Wohnungslosenhilfe der Diakonie RWL. Oft handele es sich um eine verdeckte Wohnungslosigkeit. „Bei Frauen ist es oft nicht so, dass sie auf der Straße schlafen, sie nutzen zunächst ihr soziales Netzwerk und Freundschaften“, erklärt er.

Die besondere Lebenslage von Frauen berücksichtigen Einrichtungen wie „Icklack“. 31 Wohnplätze nur für Frauen gibt es dort.18 bis 24 Monate können die Betroffenen dort bleiben. „Hier leben Frauen von 18 bis 65 Jahren“, sagt die Leiterin der Einrichtung, Stefanie Volkenandt. Beratung, Existenzsicherung und Perspektiventwicklung stehen auf dem Programm.

„Ich hätte niemals in einer Unterkunft Hilfe gesucht, in der ich gemeinsam mit Männern untergebracht bin“, sagt Isa Dickers. Obwohl ihre schlechten Erfahrungen  schon über 40 Jahre her seien, lösen aggressive Männerstimmen bei ihr etwas aus. „Dann sitze ich heulend in der Ecke“, sagt sie. Mittlerweile fühlt sie sich stabil, lebt mit fünf Frauen in einer Wohngemeinschaft: „Ich glaube, dass ich wieder ein normales Leben führen kann“, sagt die gelernte Masseurin. Dabei haben ihr die Angebote der Diakonie geholfen. Der Aufbau einer Tagesstruktur und persönliche Beratungen verbesserten die Situation.

In Düsseldorf gibt es dieses Angebot schon seit über 40 Jahren. Neben einer Notaufnahme für Frauen mit 20 Betten und den 31 Plätzen bei „Icklack“ steht auch eine Wohngemeinschaft für wohnungslose Mütter mit Kindern zur Verfügung. Weitere 20 Plätze für wohnungslose Frauen sollen in den nächsten zwei Jahren in Düsseldorf hinzukommen. In der Studie wird deutlich, dass Frauen ihre Anliegen mit weiblichen Ansprechpartnerinnen besprechen möchten. Hier sieht die Diakonie RWL die Kommunen in NRW in der Pflicht, ihre Angebote weiter auszubauen. „Jede Frau sollte im Umkreis von 25 Kilometern ein auf sie zugeschnittenes Hilfsangebot finden“, sagt Heine-Göttelmann. In der aktuellen Studie sieht er eine erste Basis und wünscht sich demnächst eine weitere, größere Studie mit mehreren Trägern.

Isa Dickers ist derweil auf Wohnungssuche. Und das ist der schwierigste Teil. „Hinter jedem Wohnungsnotfall steht eine tragische Lebensgeschichte“, sagt Meier.

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