Serie Mein Tag Ein Pferdeleben

Düsseldorf · Wir begleiten Düsseldorfer durch einen für sie typischen Tag. Heute: Sascha Smrczek (44) ist Trainer an der Galopprennbahn in Grafenberg. Allein im vergangenen Jahr hat er 70 Siege feiern können, dafür arbeitet er fast rund um die Uhr. Mit den Tieren - und am Schreibtisch.

 Die erste Runde der Arbeitsreiter am Morgen, immer am Trainer vorbei. Ab 7 Uhr ist Sascha Smrczek (rechts) am Stall.

Die erste Runde der Arbeitsreiter am Morgen, immer am Trainer vorbei. Ab 7 Uhr ist Sascha Smrczek (rechts) am Stall.

Foto: Ludwig Krause

Nur Vogel-Gezwitscher. Wer die Galopprennbahn schon einmal am Renntag erlebt hat, kennt das Vibrieren in der Luft. Diese Melange aus plärrenden Lautsprecherdurchsagen, Kindergeschrei, schimpfenden Zuschauern und Würstchen auf dem Rost. Renntag-Sound eben.

7.30 Uhr morgens in Grafenberg. Es ist dieselbe Rennbahn, das Vibrieren ist aber einer Stille gewichen, die sich wie der Morgentau auf die ganze Anlage gelegt hat. Nur jene Vögel sind zu hören auf dem Weg hinauf zu den Stallungen. Auf einem kleinen Rundkurs dreht ein halbes Dutzend Reiter seine Kreise. Am Rand steht ein Mann mit grüner Jacke, Jeans und schwarzen Stiefeletten. Seine hohe Stirn hat er kaum sichtbar in Falten geworfen. Sascha Smrzcek hat hier das Sagen. Das muss man nicht zugeflüstert bekommen, das sieht man. Er sieht gerade aber nur eines: Rennpferde.

 Der Trainer prüft die Bahn. In der Nacht hat es geregnet, das kann sie hart machen.

Der Trainer prüft die Bahn. In der Nacht hat es geregnet, das kann sie hart machen.

Foto: Ludwig Krause

Der 44-Jährige ist einer von drei Trainern an der Rennbahn in Düsseldorf. Und er hat in den vergangenen Jahren Siege gefeiert wie kaum ein anderer in der Szene. Zählt man nationale und internationale Rennen zusammen, ist er deutschlandweit der Beste seiner Zunft - und das jährlich seit 2013 in Folge. Allein 70 Siege im vergangenen Jahr, davon mehr als die Hälfte im Ausland. Frankreich liegt ihm besonders. "Da geht jeder wetten. Eine ganz andere Mentalität als hier", sagt er. Ob ihn der Erfolg stolz macht? "Na klar."

Ein paar Minuten schon geht es für die Pferde im Kreis. Ein kurzes Zeichen, dann reihen sich die Arbeitsreiter vor ihm auf und der 44-Jährige bestimmt, wen er gleich auf welcher Bahn sehen möchte. Seit 7 Uhr ist er am Stall. Erst gab es einen Kaffee, dann folgte eine kurze Besprechung mit dem Futtermeister. Zu Fuß geht es jetzt von den Ställen zur Rennbahn. Nur mehrere Hundert Meter sind das, die muss der Trainer aber dutzende Male am Tag laufen. Er könnte es vermutlich längst mit geschlossenen Augen.

 Im Galopp geht es für Rennpferd und Reiter am Trainer vorbei.

Im Galopp geht es für Rennpferd und Reiter am Trainer vorbei.

Foto: Ludwig Krause

Kurz vor acht. Bevor er die Pferde an sich vorbei galoppieren lässt, schreitet Smrczek die Bahn selbst ab. "Es hat wieder geregnet. Dadurch kann die Bahn hart werden", sagt der Trainer. Heute hält sie seinem prüfenden Blick stand. Insgesamt 55 Pferde stehen im Stall des 44-Jährigen - und das sind nicht irgendwelche: Alles Englisches Vollblut, den Stammbaum man bis ins frühe 18. Jahrhundert nahtlos zurückverfolgen. Franzosen sprechen von "pur sang", reinem Blut. Sie gelten als schnellste Rennpferde der Welt und können Millionenerträge erzielen, auch weil immer wieder Scheichs auf den großen Auktionen ihre Portemonnaies öffnen. "Ich kann das aus Sicht der Besitzer verstehen", sagt er. Bis zum Erfolg steckt in den Tieren nicht selten ein Haufen Geld, wenn dann der Gewinn lockt, schlagen viele zu. "Mein Name wird hoffentlich trotzdem am Pferd klebenbleiben."

Am Vormittag ist der Trainer wie ein Getriebener, kaum 15 Minuten verbringt er am selben Ort. Boxengasse, Führanlage, Büro, Rennbahn. 8.30 Uhr, Sascha Smrczek sitzt in der Gemeinschaftsküche, vor ihm Kaffee und Zigaretten. Manche kommen vorbei, zünden sich ebenfalls eine an, wechseln ein paar Sätze. Immer wieder schaut er aufs Handy, verschickt Nachrichten oder liest E-Mails von Kunden und Rennanbietern. Einige Besitzer kommen am Wochenende, um nach ihren Tieren zu schauen, andere hat Smrczek noch nie gesehen. Aber alle wollen dasselbe: ihr Pferd soll gewinnen. "Das kann manchmal ein wenig schwierig sein", sagt er.

 Von seinem Platz unterhalb der Zuschauertribünen beobachtet er die Pferde.

Von seinem Platz unterhalb der Zuschauertribünen beobachtet er die Pferde.

Foto: Ludwig Krause

Aufgewachsen ist Sascha Smrczek in der Lüneburger Heide. "Meine Familie hat mit Pferden überhaupt nichts zu tun", sagt er. Beim Austragen der Zeitung, der Junge ist zwölf oder 13 Jahre alt, spricht ihn ein Züchter an. "Ich war ja klein und mickrig", sagt er. Ob er nicht mal beim Einreiten von Pferden helfen wolle? "Na klar, habe ich mir gedacht. Aber ich bin sofort vom Pferd geflogen", sagt Smrczek und lacht. "Dann bin ich aber sofort wieder rauf. Und dabei geblieben."

9 Uhr. Smrczek steht wieder vor den verlassenen Zuschauertribünen an der Rennbahn, an ihm jagen die Zweijährigen vorbei. Ein Pferd erschrickt und macht einen Satz, kurz sieht es so aus, als könnte der Reiter fallen. Alles geht gut, das geht es aber nicht immer. Mal bricht Smrczek sich als Reiter den Oberarm, einmal erwischt es ihn, als er von einem Pferd in den Bauch getreten wird und innere Verletzungen erleidet. Not-Operation. "Das hätte auch ganz anders ausgehen können", sagt er. Den ernsten Gesichtsausdruck schiebt er aber schnell bei seite und grinst wieder. "Et hätt noch immer jot jejange", sagt der Norddeutsche, der in Gerresheim wohnt. Nach zehn Jahren als Reiter hat er dann die Sporen an die Wand gehängt. "Ich hatte immer so meine Probleme mit dem Gewicht", sagt er. Ein Jockey wiegt 53 Kilogramm, sagt man.

 Er hätte auch Landwirt werden können, sagt der Pferdetrainer. Schwierig, ganz ohne Hof. Nun ist das sein Reich: Der Stall in Grafenberg.

Er hätte auch Landwirt werden können, sagt der Pferdetrainer. Schwierig, ganz ohne Hof. Nun ist das sein Reich: Der Stall in Grafenberg.

Foto: Ludwig Krause

Um 12 Uhr sitzt der Trainer in seinem Büro am Stall. Die Reiter haben erst einmal Pause. Ein halbes Dutzend Pferde hatte jeder heute Morgen unterm Sattel. "Heute ist man als Trainer auch Manager", sagt er. Wo sollen welche Pferde an den Start gehen? Zwischendurch immer wieder E-Mails, Anrufe und Kurzbesuche. An der Wand hängt eine Zeitungs-Collage von seinem bisher größten Wurf: Prinz Flori, Galopper des Jahres 2006 und Sieger beim Großen Preis von Baden, dotiert mit 650.000 Euro. Manche Tiere bleiben also doch ganz besonders in Erinnerung. Was es für ein Erfolgspferd braucht? "Geld, Geduld und Glück."

 Hündin Sina ist 13 Jahre alt, schwirrt am Hof herum und ist mittlerweile ein Masskotchen.

Hündin Sina ist 13 Jahre alt, schwirrt am Hof herum und ist mittlerweile ein Masskotchen.

Foto: Ludwig Krause

Am Nachmittag kommt ein wenig Ruhe in Smrczeks Alltag, ohne dass er je ruhig werden würde. Schreibtisch-Arbeit, immer wieder klingelt das Telefon. Das letzte Mal auf dem Sattel saß er vor einem halben Jahr. "Da bleibt gar keine Zeit für", sagt er. Auch um seine Mitarbeiter muss er sich kümmern, insgesamt 13 Leute arbeiten am Stall. Um 17 Uhr dreht Smrczek noch einmal seine Runde. Guckt, wie es den Pferden geht, weiß wo es Probleme gibt. An einer Wand in der Sattelkammer sortiert er Magneten mit Namen darauf. So weiß jeder der Reiter, welches Pferd ihm am nächsten Morgen zugeteilt ist. Auf die Frage, ob er sich einen anderen Job vorstellen kann, überlegt er kurz. "Ich wollte immer etwas mit Tieren machen. Landwirt vielleicht", sagt er und muss wieder lachen. "Ein bisschen schwierig ohne Hof." Ab 18 Uhr lässt der Trainer das Telefon auch schon mal klingeln, meistens sitzt er trotzdem noch zwei Stunden vor dem Rechner.

 Beim Rundgang durch die Boxen schaut der Trainer nach seinen Schützlingen.

Beim Rundgang durch die Boxen schaut der Trainer nach seinen Schützlingen.

Foto: Ludwig Krause

Womit beschäftigt er sich, um abzuschalten? Smrczek zuckt die Schultern. "Ich wüsste gar nicht, was mein Hobby ist. Im Kopf geht es immer weiter." Damit am Renntag, wenn es wieder vibriert in der Luft, sein Pferd als erstes ins Ziel rast.

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(lukra)
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