Serie So Wohnt Düsseldorf Ein Haus stapelt hoch

Düsseldorf · Eine Siedlung am Rande des Naturschutzgebietes Urdenbacher Kämpe: Ulrike und Dietrich Rünger leben in einem Haus mit transparentem Wohngefühl - auf sieben Ebenen.

 Ein Haus mit neuem Wohngefühl und vielen Durchblicken: Ulrike und Dietrich Rünger schauen von der zweiten Ebene auf ihr Wohnzimmer mit einem offenen Kamin.

Ein Haus mit neuem Wohngefühl und vielen Durchblicken: Ulrike und Dietrich Rünger schauen von der zweiten Ebene auf ihr Wohnzimmer mit einem offenen Kamin.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Die Sieben ist eine magische Zahl: Sieben Tage hat die Woche, sieben Stufen die Tonleiter, sieben Farben der Regenbogen. Zudem gilt die Sieben als Glückszahl. Ulrike und Dietrich Rünger hat sie ein spezielles Glück gebracht. Das Paar wohnt seit über 40 Jahren in einem Haus mit sieben Ebenen. Das bedeutet: Alltag in Bewegung. Anstrengend? Nicht, wenn die Beine daran gewöhnt sind, oft 41 Stufen hoch und runter zu laufen. "Das ist unser Sport."

Dieses Haus ist ein Hochstapler, zwangsläufig. Denn es misst nur knapp vier Meter an seiner Breit-, in diesem Fall muss man wohl eher Schmalseite sagen. Um einer Familie mit zwei Kindern (die längst erwachsen sind und eigene Familien haben) Platz zu bieten, war es geradezu notwendig, dass sich die Räume auf mehreren Ebenen verteilen. Dieses Prinzip ermöglicht ein transparentes Wohngefühl und interessante Durchblicke. Besucher reagieren allerdings unterschiedlich, wenn sie das Haus in seiner Mitte betreten - von dort geht es vier Ebenen hinauf und zwei Ebenen hinunter. Für Ulrike und Dietrich Rünger war es 1975 Liebe auf den ersten Blick.

 Das Schlafzimmer auf Ebene 6 bietet einen Fernblick in die Natur.

Das Schlafzimmer auf Ebene 6 bietet einen Fernblick in die Natur.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Auch wegen der Lage: Die Siedlung mit insgesamt 48 Häusern in zwei Reihen, die ein Platz teilt, grenzt unmittelbar an das Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe. Hier kommt Düsseldorf zur Ruhe. Unmittelbar hinter den Gärten der Siedlung lockt ein Spazierweg in eine ungezähmte Natur. Immerhin ist in der Nähe auch eine Bushaltestelle, nicht unwichtig für den Hausherrn, der öffentliche Verkehrsmittel bevorzugt: "Ich habe nie einen Führerschein gemacht."

Dietrich Rünger braucht ein Haus nicht nur zum Wohnen, sondern um Platz zu haben für seine große Leidenschaft: das Sammeln. Was er zusammen trägt, ist von unterschiedlichem Charakter und offenbart die Vielseitigkeit seiner Vorlieben. Rünger ist Grafiker, Gründer der Werbeagentur XEO (die heute sein Sohn Ben leitet) und er malt, mit 78 Jahren offenbar mehr denn je. Das zeigt sich auch im Wohnraum auf der untersten Ebene, an dessen Innenwand ein offenes Kaminfeuer Winterabenden kräftig einheizt. Davor coole weiße Sofas, ein hellgrauer Teppichboden, nur ein knallroter Balken bekennt Farbe. Und die Plattensammlung von Dietrich Rünger, Jazzkenner und Enthusiast des berühmten New Yorker Labels "Blue Note". Viele seiner Raritäten und Liebhaberstücke sind im Regal mit ihrem grafisch reizvollen Cover nach vorn zu sehen - "das wechselt regelmäßig". Der Jazz beeinflusst auch sein künstlerisches Schaffen, das dokumentiert das Buch "Painted Jazz" mit 75 seiner Bilder, die von der Musik inspiriert wurden. "Er hat die Musik von Blue Note sichtbar gemacht", schrieb sein Sohn Ben.

 Auf der Ebene des Hauseingangs dominiert ein roter Ledersessel neben einem großen Arbeitstisch.

Auf der Ebene des Hauseingangs dominiert ein roter Ledersessel neben einem großen Arbeitstisch.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Auf der zweiten Ebene findet ein runder Esstisch Platz und eine Küche, die in ihren bescheidenen Ausmaßen eher an eine Schiffskombüse erinnert. "Reicht aber völlig", meint Ulrike Rünger und weist auf eines der originellen Details hin, die für dieses Haus so typisch sind: Das Fenster zur Platzseite schwebt nur wenige Zentimeter über Straßenniveau - "ich kann jeden Besucher sehen, zumindest die Beine." Vor dem Fenster hat sie vor Jahren mal ein Schachtelhalm-Pflänzchen in die Erde gesetzt, nun schaut sie in kräftig wucherndes Grün.

Ein paar Stufen höher, auf der Ebene des Hauseingangs, dominiert ein roter Ledersessel mit Patina, den übrigen Platz teilt sich ein großer Arbeitstisch und die Glassammlung des Hausherrn: Alltags-Objekte vom Trinkglas bis zur Zitronenpresse in einem hohen Regal direkt am Fenster, Blickfang vor allem bei Sonnenschein, "denn Glas braucht Licht", sagt Dietrich Rünger und erklimmt schon die Stufen zu Ebene 4: Ein großzügiges Bad, Ebene 5: Das ehemalige Kinderzimmer wird heute als Ankleide genutzt, im Mittelpunkt zwei extravagante Hüte von Ulrike Rünger, getragen im Karneval in Venedig. Noch ein paar Stufen, dann ist es fast geschafft, Ebene 6: Das Schlafzimmer, ein heller Raum mit Fernblick - und noch einer (letzten?) Sammlung des Hausherrn - ungezählte Hände, Füße, Herzen, Köpfe aus Metall: Votivgaben, mit denen einst Hilfe erfleht wurde - zusammengefügt zu einer großen Collage. Auf dem Nachtisch liegt "The Kiss", und was hängt da an der Wand? Der Metall-Verschluss einer Sektflasche, plattgetreten. Die sammelt Dietrich Rünger auch. "Jedes hat eine Individualität." Und sie nehmen ja wirklich wenig Platz weg.

 Dietrich Rünger sammelt viele Dinge - vor allem Platten des Jazz-Labels "Blue Note".

Dietrich Rünger sammelt viele Dinge - vor allem Platten des Jazz-Labels "Blue Note".

Foto: Hans-Juergen Bauer

Da einem beim Treppensteigen vielleicht etwas schwindlig werden kann, hätten wir fast Ebene 7 vergessen: Dort hat sich Dietrich Rünger ein winziges Atelier eingerichtet. Rückzugsort über den Baumwipfeln für die Kunst, zum Musik hören. Aber der Jazz, der wohnt sowieso auf allen Ebenen dieses Hauses.

(RP)
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