Gerd Kaechele Ein 94-Jähriger verrät seine Zaubertricks
Düsseldorf · Als Junge hat er schon gezaubert, mittlerweile beherrscht Gerd Kaechele etwa 400 Kunststückchen. Da der Düsseldorfer weiß, dass er nicht ewig lebt, tut er etwas Verpöntes. Er gibt sein Wissen weiter - an alle, die es interessiert.

Gerd Kaechele verrät einen Kartentrick
Zwei Würfel, eine Streichholzschachtel, zwei Kartenspiele, ein Seil und ein Taschentuch - mehr benötigt Gerd Kaechele nicht. Mit diesen sieben Sachen stellt er ein kurzes Programm zusammen, "kleines Entertainment" nennt er es. Der Düsseldorfer mag sich selbst nicht als "Zauberer" bezeichnen, schließlich holt er weder Kaninchen aus dem Hut noch zersägt er eine Jungfrau. Er sei ein Entertainer, sagt Kaechele, der früher eine Tanzschule besaß. Unterhaltung habe immer zu seinem Leben gehört. Kunststückchen hätten ihn schon als Jungen begeistert, eines nach dem anderen hat er sich angeeignet, aufgeschrieben, archiviert. In einem dicken, gelben Aktenordner sammelt er sie. Mit der Streichholzschachtel kennt er 99 Tricks, mit den Kartenspielen 90, mit der Kordel 54.
Im Februar wird Gerd Kaechele 95 Jahre. Obwohl er sich gut fühlt und fit ist, glaubt er, dass es wohl nicht mehr so lange dauert, bis er unter der Erde liegt. "Wenn ich einmal dort bin, sind alle meine Tricks weg", sagt er. "Deshalb verrate ich alles, was ich weiß." Dabei ist der Tod für Gerd Kaechele eigentlich kein Thema. Sein Auto rostet zwar vor sich hin, aber nur, weil er lieber mit dem Roller unterwegs ist. Wenn das Wetter schön ist, düst er auf einer Vespa gerne bis nach Wuppertal.
Für einen wie ihn ist der Begriff "verrückter Hund" ein Kompliment. Doch irgendwie scheint es ihn zu beruhigen, wenn er weiß, dass er seine Tricksereien möglichst vielen Menschen vermachen kann. "Ich möchte dafür nichts haben", betont er. In Projektwochen hat er auch an Schulen schon mit Kindern gearbeitet. Er will alles weitergeben, weil ihm selbst der Inhalt des gelben Ordners so viel Freude gemacht hat, er häufig mit fremden Menschen ins Gespräch gekommen ist. "Dabei bin ich eigentlich ein schüchterner Mensch", stellt er fest.
Viele Jahre hat er damit verbracht, seine Sammlung zu vervollständigen. "Bei einer Nil-Kreuzfahrt habe ich abends mit den Stewards an der Bar gesessen: Sie haben mir ihre Sachen gezeigt, ich ihnen meine", erzählt er. Zu Russland hat er eine tiefe Verbindung: Im Krieg, in den er als junger Mann zog, kämpfte er in Moldawien, sah Gräueltaten der Wehrmacht. Dann erwischte ihn 1943 ein Schuss. "Zum Glück", sagt er. "Das war schon lange nicht mehr mein Krieg." 1987 fuhr er mit einem Rotel-Bus ("Das sind die, in die man zum Schlafen so reinkriecht") zum ersten Mal wieder nach Russland und war verzaubert.
Mittlerweile hat er viele Freunde dort, einmal im Jahr besucht er sie. Früher reiste er 66 Stunden mit dem Bus, heute bequem mit dem Flugzeug. In der Moskauer Metro hat er mit einem Trick sogar einmal eine Flasche Sekt gewonnen - und das Herz eines kleinen Mädchens. "Ich habe mit meiner Freundin Marina um den Sekt gewettet, dass ich das Kind zum Lächeln bringe." Aus einem Taschentuch knotete er erst ein Täschchen - das Mädchen schaute interessiert. Dann ein Mäuschen - das Kind lächelte zaghaft. Und dann eine Maus im Nachthemd. "Da gluckste die Kleine nur noch."
Es sei verblüffend, wie einfach es sei, den Leuten Freude zu machen und sie hinters Licht zu führen, sagt Gerd Kaechele. Ein wenig Quatschen hier, ein wenig Ablenkung dort, schon sei das Kunststückchen gelungen. Deshalb weiß er: "Ein Trickdieb oder Enkeltrickbetrüger braucht es bei mir nicht zu versuchen - den durchschaue ich sofort."