Verein Mentor Die Düsseldorfer Lese-Lern-Helfer

Seit zehn Jahren engagieren sich Freiwillige, um Kindern an Düsseldorfs Schulen die Freude am Lesen näherzubringen. Die Methoden unterscheiden sich bewusst vom Unterricht, bessere Noten sind nur ein Nebeneffekt.

 Sandra Le Bihan und Carmen Winterberg (v.l.) sind Ansprechpartner für 600 Mentoren, die Kindern den Spaß am Lesen näherbringen sollen.

Sandra Le Bihan und Carmen Winterberg (v.l.) sind Ansprechpartner für 600 Mentoren, die Kindern den Spaß am Lesen näherbringen sollen.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

„Zum Glück hatte ich mit meinem Englischlehrer einen Menschen, der mich mit dem richtigen Lesestoff in Kontakt gebracht hat. Solche Menschen sind extrem wichtig“, lässt sich Andreas Meurer, Bassist der Düsseldorfer Rockband Die Toten Hosen, auf der Website des Vereins Mentor zitieren.

Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, der sich selbst als Lese-Lern-Hilfe bezeichnet, gehört neben Meurers Frau Clara auch Carmen Winterberg, verheiratet mit Hosen-Gitarrist Michael Breitkopf. In diesem Jahr wird der Verein zehn Jahre alt. Das wird ab Oktober gefeiert.

„Hinter Mentor steckt die Idee, Kindern zu helfen, die eigene Freude am Lesen zu entdecken“, sagt Gründungsmitglied Winterberg. Das Konzept: Ein Kind, ein Mentor, eine Stunde in der Woche. Der Verein sucht Freiwillige und vermittelt sie an die Schulen. „Die Lehrer schlagen uns Kinder vor, die aus verschiedenen Gründen mit dem Lesen Probleme haben“, erzählt Winterberg.

Das ist manchmal ein Migrationshintergrund, oft aber auch ein Elternhaus, in dem wenig gelesen und vorgelesen wird. „Unser primäres Anliegen ist aber nicht, die schulischen Leistungen zu steigern“, betont Winterberg. Viel mehr gehe es darum, den Spaß am Lesen zu vermitteln. Die Leistungssteigerung geschehe oft nebenbei.

600 Mentoren betreuen aktuell 620 Schüler, hauptsächlich an Düsseldorfer Grundschulen, aber auch an Haupt- Gesamt-, Real- und Förderschulen.

Bis es soweit war, mussten Winterberg, Meurer und ihre Mitstreiter viel Arbeit in den Verein stecken. „Es hat gedauert, bis wir bei den Schulen so bekannt waren, dass sie mit uns zusammengearbeitet haben und uns auch Räume für die Lesestunden zur Verfügung stellen. Heute läuft es aber sehr gut“, erzählt Carmen Winterberg. Sie ist schon lange wohltätig in Entwicklungsländern engagiert, wollte mit dem Mentor-Verein auch einen bleibenden Beitrag in Düsseldorf leisten. „Denn auch hier gibt es Handlungsbedarf“, ist sie sich sicher. Sie weiß aber auch: „Jedes Kind will Lesen lernen.“

Damit daraus kein Frust, sondern Spaß wird, ist die Arbeit der Mentoren bewusst nicht als Unterricht aufgebaut. Im Gespräch sollen die Ehrenamtlichen erkennen, was dem Kind Spaß macht, und von da aus mit ihm gemeinsam die Freude am Lesen entdecken.

Wie das in der Praxis aussieht, weiß Sandra Le Bihan, selbst Mentorin und stellvertretende Vorsitzende des Vereins. „Ich hatte einmal einen Jungen, der interessierte sich für Dinosaurier. Er wusste aber nicht viel darüber, und so habe ich ihm ein Buch mitgebracht, in dem viele Informationen standen.“ Auf diese Weise habe der Junge das Interesse am Lesen von Büchern entdeckt, freiwillig gelesen – und quasi als Nebeneffekt seine Schulnoten verbessert.

Carmen Winterberg und Sandra Le Bihan sind überzeugt, dass ihre Arbeit auch gesellschaftliche Relevanz hat. „Lesen ist der Eintritt in die Welt“, sagt Winderberg. Denn nur durch diese Fähigkeit erschließen sich viele Dinge in der Gesellschaft. Und es besteht Handlungsbedarf: „Seit 20 Jahren beobachten Forscher, dass die Lesekompetenz der Kinder in Deutschland sinkt“, sagt Winterberg alarmiert. Auch diese Zahlen haben sie vor 10 Jahren bewogen, den Mentor-Verein ins Leben zu rufen. Sie sei überrascht gewesen, wie groß der Bedarf in Deutschland sei.

Dieser habe sich in den vergangenen Jahren nochmals erhöht, als viele Flüchtlingskinder in die Schule kamen, die bislang nur wenig Kontakt zur deutschen Sprache hatten.  „Diese Kinder können oft gut Lesen, nur eben nicht Deutsch. Es ist besonders wichtig, sie zu motivieren, damit sie schnell mit der Sprache zurecht kommen und so nicht vom Unterricht abgehängt werden“, sagt Winterberg.

Dabei helfen die Mentoren. Mindestens ein Schuljahr lang begleiten sie ihre Kinder, oft wird die Zusammenarbeit verlängert, manchmal entwickelt sich daraus eine langfristige, enge Beziehung, die über das Lesen-Lernen-Helfen hinausgeht. 20.000 Stunden haben die Mentoren des Vereins im Jahr 2018 für die Kinder gespendet, in denen sie mit ihnen gelesen, gespielt und diskutiert haben.

Unterstützt wird der Verein bei seiner Arbeit von Düsseldorfer Unternehmen und Stiftungen – und von den Toten Hosen, die auf Konzerten manchmal Werbung bei ihren geladenen Gästen machen. „Dass unsere Männer und die Band hinter uns stehen, freut uns wirklich sehr“, sagt Carmen Winterberg dankbar. Genauso dankbar ist sie jedoch auch den Freiwilligen, die ihre Zeit den Kindern zur Verfügung stellen.

„Das sind übrigens längst nicht nur Rentner“, sagt Winderberg. Der Zeitaufwand sei mit einer Stunde in der Woche nicht groß, so dass auch Berufstätige und junge Leute helfen können. Großen Erfolg hatte eine Werbeaktion in Fahrzeugen der Rheinbahn, die das Verkehrsunternehmen dem Verein geschenkt hatte. „Dadurch haben wir viele neue Mentoren bekommen, und können so noch mehr Kindern helfen“, freut sich Winterberg.

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