Düsseldorf Düsseldorfs letzte Telefonzellen

Düsseldorf · Wer heutzutage ein öffentliches Telefon benutzen will, muss hoffen, dass es nicht regnet, oder sehr lange suchen. Wir haben die letzten ihrer Art gesucht.

Dinge führen kein eigenes Leben, und doch kann man an der Stahlstraße einer Telefonzelle beim Sterben zusehen. Gegenüber einem Kindergarten befindet sich ein gelbes Häufchen Elend, das mal eine stolze gelbe Telefonzelle der Deutschen Bundespost war. Die Scheiben sind herausgenommen worden, auf dem Boden liegen Pampers, Eierkartons, Milchtüten, Plastikflaschen und Regenschirme. Die Zelle ist beschmiert und bemalt. Und das Wichtigste fehlt: das Telefon.

Die Telekom hat den Standort aufgegeben, ein paar Meter weiter steht eine dieser Telefonsäulen, die lediglich über ein winziges Plastik-Dach verfügen und eine Wand aus demselben Material rechts neben dem Telefon. Bei Regen wird's feucht. Wenn der Wind dazu ungünstig weht, hilft das Dach überhaupt nicht. Wo sind bloß die Telefonzellen hin? Wenn man überhaupt noch ein öffentliches Telefon findet, hängt es meist an einer dieser metallfarbenen Säulen.

Es gab eine Zeit, da war jeder Düsseldorfer regelmäßig auf ein öffentliches Telefon angewiesen. Weil es eben noch keine Handys gab, aber man zum Beispiel zuhause anrufen musste, damit einen irgendwer vom Bahnhof abholte. Dafür gibt es heute Handys. Die Telekom führt keine Statistiken mehr darüber, wie viele öffentliche Telefone es noch in Düsseldorf gibt. 2011 waren es noch 451, davon 182 Telefonzellen, 35 in gelben Häuschen. Damals kündigte die Telekom an, 78 Telefone abzubauen, weil immer weniger Leute so einen Apparat nutzen. Zwar darf die Telekom das nicht ohne Zustimmung der Stadt machen, doch Andrea Blome, Leiterin des Amtes für Verkehrsmanagement, sagt, dass Düsseldorf den Vorschlägen im Normalfall folge.

Besonders betroffen vom Abbau sind die gelben oder magentafarbenen Telefonzellen. Weil sie häufig Opfer von Vandalismus sind und gereinigt werden müssen, ist der Unterhalt teurer als der für eine Telefonsäule. Mit durchschnittlich 100 Euro monatlich gibt Telekom-Sprecher André Hofmann die Kosten an. Sogar die extra für die Kö entworfenen Telefonzellen hielten den Trend nicht auf. Im Mai 2013 wurden die Designer-Häuschen bei Nacht und Nebel abgebaut.

Wer eine der letzten verbliebenen Telefonzellen in Düsseldorf finden möchte, der verlässt sich am besten nicht auf Google Street View. Reist man digital nach Hellerhof, sieht man dort, wo sich Ingeborg-Bachmann-Straße und Carlo-Schmid-Straße treffen, eine magentafarbene Telefonzelle. Doch in der Realität steht dort bereits eine Säule. Auf die Frage, wie lange diese schon da sei, sagt ein Anwohner nur "Noch nicht so lange her." Ein anderer behauptet, die Säule habe hier schon immer gestanden. Selbst die Telefonzellen vor der eigenen Haustür nimmt man also nicht mehr wahr, weil man sie nicht mehr braucht.

Doch noch hat die Telekom nicht alle Zellen abgebaut. Eine von ihnen steht an der Bachstraße, Ecke Weberstraße. Das Magenta ist bereits von weitem zu sehen. Doch die Telekom scheint nicht viel Geld in ihren Erhalt zu stecken. Die Zelle ist plakatiert, die unteren Scheiben fehlen, Telefonbücher gibt es sowieso nirgendwo mehr, auf dem Boden liegen Blätter und Zigaretten. Zwar begrüßt das Display mit "Willkommen Ihre Telekom", doch ein Freizeichen ist der Anlage nicht zu entlocken. Telefonieren nicht mehr möglich.

Die Zelle an der Bilker Allee, Ecke Palmenstraße, sieht auch nicht gepflegter aus. Eine Spinne hat ihr Netz an der Decke gespannt. Neben der Zelle liegt ein alter Koffer. Immerhin — das Telefon funktioniert, die Tür allerdings knallt zu, das Gelenk ist hinüber.

Wer eine der letzten gepflegten Telefonzellen betreten möchte, fährt am besten in einen Stadtteil, der bisher kaum durch Vandalismus in die Schlagzeilen geraten ist. In Oberkassel, in der Nähe des Luegplatzes, steht eine Telefonzelle unter einem Baum, die nicht mit Plakaten beklebt ist, die noch keine Scheibe verloren hat und in der sogar die Innenbeleuchtung funktioniert.

Nun ließe sich das Sterben der Telefonzellen mit dem Hinweis abtun, es besitze doch sowieso jeder ein Handy. Genau darin liegt ja das Problem. Hatte es nicht auch seine Vorteile, als jeder seine Gespräche in einem geschlossenen Raum führte, anstatt in der Straßenbahn?

Und noch für etwas anderes stehen die Telefonzellen. Der Spruch "Hier stecken tausend Geschichten drin" klebt an der Tür der Telefonzelle auf dem Friedensplätzchen. Doch genau das Gegenteil ist ja der Fall. Weil die Nutzung öffentlicher Telefone teuer war und teuer ist (momentan 34 Cent pro Minute für ein Ferngespräch), teilen die Leute in Telefonzellen nur das Nötigste mit und belästigten den Gesprächspartner nicht mit den Banalitäten des Lebens. Wer einer Telefonzelle beim Sterben zusieht, der sieht ein Mahnmal gegen die Geschwätzigkeit sterben. Oder hat einfach kein Handy, auf das er gucken kann.

(RP)
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