Historie in Düsseldorf Die Landvermesser

Vom Winkelmesser zum GPS: Düsseldorfs ältestes Vermessungsbüro Blinken & Töpfer besteht seit 125 Jahren.

 Vermessungstechniker wurden früher vor allem in der Landwirtschaft benötigt – wie hier in Hamm.

Vermessungstechniker wurden früher vor allem in der Landwirtschaft benötigt – wie hier in Hamm.

Foto: Marc Ingel

Das mathematische Talent liegt in der Familie von Rolf Töpfer. Trotzdem wollte er zunächst Apotheker werden. Dem Jungen imponierte aber, dass sein Vater, der für die Firma Henkel als Ingenieur tätig war, viel im Land herumkam – und obendrein von einem Chauffeur befördert wurde. Er arbeitete an der frischen Luft, hatte mit Menschen zu tun und trug dazu bei, dass aus Grenzpunkten Grundstücke für Wohnungen und Häuser wurden. Also lenkte der junge Rolf Töpfer sein naturwissenschaftliches Verständnis in eine andere Richtung und studierte Geodäsie, also Vermessungstechnik, wie zuvor sein Großvater und sein Vater.

Heute blickt er amüsiert auf seinen Lebensweg zurück und auf die spannende Veränderung einer Branche, die für die Entwicklung von Städten unerlässlich ist. Während Töpfers Großvater landwirtschaftliche Flächen mit Winkeln unterteilte und bemaß und auf diese Weise Eigentumsrechte herstellte, nutzen Töpfer und sein Partner Robert Blinken heute modernste Technik.

Das Büro, das der frühere Denkmalpfleger der Düsseldorfer Jonges, Rolf Töpfer, und Robert Blinken leiten, wurde 1894 von Robert Blenke in Benrath gegründet. Blenke war der erste amtlich bestellte Landvermesser der Gegend. Er half, neue Grundstücksgrenzen festzulegen und legitimierte die Eigentumsnachweise für Bauland. Bis heute werden Vermessungsingenieure ausschließlich von der Bezirksregierung zugelassen.

Rolf Töpfer (r.) und Robert Blinken leiten gemeinsam das Büro an der Himmelgeister Straße.

Rolf Töpfer (r.) und Robert Blinken leiten gemeinsam das Büro an der Himmelgeister Straße.

Foto: Marc Ingel

In der Anfangszeit der noch jungen Disziplin der Landvermessung machten sich die Techniker mit Winkeln und fünf Meter langen Stäben auf den Weg, um ihre Arbeit zu verrichten. Die sperrigen Geräte transportierten sie mit dem Fahrrad und in einem Anhänger. Sie verließen das Haus am frühen Morgen und kehrten in der Regel erst zwölf Stunden später zurück. Sie hatten hauptsächlich mit der Aufteilung landwirtschaftlichen Besitzes zu tun – zumal im Jahr 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft getreten war und die Festlegung von Eigentumsgrenzen vorschrieb. Um mit ihren simplen Geräten möglichst genau Maß nehmen zu können, nutzten die Techniker damals die Kirchtürme als Fixpunkte.

Ackerland wurde zu Bauland, es entstanden Siedlungen, woran vor allem prosperierende Unternehmen wie Henkel interessiert waren, die der wachsenden Zahl ihrer Mitarbeiter Wohnraum zur Verfügung stellen wollten. Das Büro Töpfer & Blinken ist bis heute für Henkel tätig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und während der Zeit des Wiederaufbaus waren Vermessungstechniker und -ingenieure vor allem damit betraut, einstige und neue Grundstücksgrenzen zu überprüfen und diese beim Wiederaufbau im Blick zu behalten. Nicht selten wurden im Zuge der eiligen Schaffung von Wohn- und Handelsraum Mauern ungewollt verrückt, was wiederum Auswirkungen auf die Besitzverhältnisse und nicht zuletzt auf die Berechnung der Mietflächen hatte. Auf der Königsallee als wichtiger Geschäftsstraße war dies immer wieder ein Thema. Richtschnur für eine ordnungsgemäße Berechnung waren und sind die alten Feldbücher. Sie befinden sich im Archiv des Vermessungs- und Katasteramtes der Stadt.

Bis in die 1970er Jahre hinein war die Setzung von Grenzpunkten zur Bildung von Eigentum noch mit einem Ritual verknüpft. Vermessungsingenieure, Grundstücksbesitzer und deren Familien liefen die Grenzsteine gemeinsam ab und begossen ihre Ländereien mit Hochprozentigem. Wenn am nächsten Tag der Kater ausgestanden war, begutachtete man die Grenzpunkte sicherheitshalber erneut, und nicht selten mussten die Kinder den Erwachsenen helfen, sich zu erinnern. In der Landwirtschaft wiederum war es üblich, im Erdreich unter den Grenzsteinen Schnapsflaschen als zusätzliche Absicherung einzubuddeln. Mit gutem Grund: In Hamm zum Beispiel ist es vorgekommen, dass das Hochwasser oder aber der Pflug eines benachbarten Landwirts dem Grenzstein mehr oder weniger versehentlich einen neuen Platz gaben. Dank der Schnapsflaschen konnten die Besitzverhältnisse wieder zurechtgerückt werden.

Derart zwanglose Methoden gehören heute nicht mehr zum Repertoire des Büros von Rolf Töpfer und Robert Blinken. Sie werden für Großprojekte, die mehrere Hundert Millionen Euro umfassen, engagiert. Wenn Entwickler, Architekten und Großmieter verhandeln, sitzen Töpfer und seine Kollegen mit am Tisch, weil eine seriöse Berechnung der Mietflächen für alle Beteiligten von Bedeutung ist. Die Gerätschaften der Vermessungsingenieure sind heute Drohnen, GPS und Laserinstrumente, die eine genauere und wirtschaftlichere Arbeitsweise ermöglichen.

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