Düsseldorf Düsseldorferin erforscht Übergewicht

Düsseldorf · Die Medizinerin Regina Ensenauer hat erkannt: Die Weichen für die Entwicklung des Körpergewichts werden früher gestellt, als bisher bekannt war. Wer als Kind dick ist, wird das wohl ein Leben lang bleiben.

 Regina Ensenauer ist seit Anfang des Jahres Professorin für Experimentelle Kinderheilkunde an der Uni.

Regina Ensenauer ist seit Anfang des Jahres Professorin für Experimentelle Kinderheilkunde an der Uni.

Foto: Andreas Endermann

Ihr Kinderarzt nannte sie "kleine Dick-Madame". Deswegen mochte sie ihn nicht. Auch später in der Schule und im Freundeskreis gewöhnte sich Sabine S. (46) nie an die Hänseleien wegen ihrer üppigen Figur. Aber trotz unzähliger Diäten konnte sie ihr Gewicht nicht wirklich reduzieren, im Gegenteil. Ist lebenslanges Übergewicht letztlich also Schicksal?

Die Düsseldorfer Medizinerin Regina Ensenauer, seit Anfang des Jahres Professorin für Experimentelle Kinderheilkunde an der Uni, kommt bei ihrer Forschung zu dem Ergebnis, dass die Weichen früh gestellt werden: "Ob wir ein erhöhtes Risiko haben, krankhaftes Übergewicht zu bekommen, entscheidet sich meist schon vor der Geburt im Mutterleib und in den ersten Monaten des Lebens." Allerdings liegt das wohl weniger an den Erbanlagen, als vielmehr an der Lebensweise der Mütter.

Die Zahlen sind alarmierend: Neun Prozent aller Jungen und Mädchen im Vorschulalter und 17 Prozent aller Jugendlichen haben deutlich zu viel Gewicht. Mediziner sprechen von einem epidemieartigen Anstieg der Adipositas (krankhaftes Übergewicht), dabei sei generell zu beobachten: Wer als Kind dick ist, wird das vermutlich sein Leben lang bleiben. "Was uns dabei vor allem Sorge bereitet, ist der Anstieg der damit verbundenen Krankheiten", so Regina Ensenauer. Diese Folgen erlebt sie täglich im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Uni: übergewichtige Zehn- oder Zwölfjährige mit Bluthochdruck, Fettleber oder einer Vorstufe von Diabetes.

Bis vor wenigen Jahren gab es kaum wissenschaftliche Daten zu diesem brisanten Thema. Deshalb hat Regina Ensenauer verschiedene Studien gestartet, um die frühen Ursachen dieser Epidemie zu erforschen. "In den letzten 20 Jahren hat sich Adipositas bei jungen Frauen mehr als verdoppelt." Übergewicht der Mutter zu Beginn einer Schwangerschaft, so die Wissenschaftlerin, aber sei der stärkste Risikofaktor dafür, dass auch das Kind später dick wird. Gefährdet aber sei ein Kind auch, wenn die Mutter raucht, an Diabetes erkrankt oder wenn sie erst während der Schwangerschaft extrem an Gewicht zulegt. "Eine Frau mit Normalgewicht sollte nicht mehr als 16 Kilo zunehmen, eine Frau mit Adipositas nicht mehr als neun Kilo."

Dass allein unsere Erbanlagen verantwortlich für Übergewicht seien, dieser gängigen Meinung, die auch Sabine S. jahrelang vertreten hat, widerspricht Regina Ensenauer. "Es ist wohl vielmehr so, dass eine falsche Lebensweise die Gene beeinflusst", sagt die Wissenschaftlerin. Bei jeder Frau verändert sich während der Schwangerschaft der Stoffwechsel, bei übergewichtigen Frauen aber geschieht dies vermutlich in besonderem Maße - und beeinträchtigt das Kind.

Was muss geschehen, um diesen fatalen Kreislauf zu durchbrechen? "Wir brauchen neue Strategien, die schon vor der Schwangerschaft ansetzen." Die Wissenschaftlerin plädiert für Vorsorge-Programme für übergewichtige Frauen und hat bereits erste Kontakte zu Geburtskliniken geknüpft. So selbstverständlich künftige Mütter zur Schwangerschaftsgymnastik gehen, so sollten sie sich auch mit einem veränderten Lebensstil auf ihr Kind vorbereiten: Sport treiben, bewusst essen, Gewicht reduzieren. Fazit von Regina Ensenauer: "Wir müssen diese Frauen fit machen für ihre Schwangerschaft."

(RP)
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