Kolumne Auf ein Wort Stürmische Zeiten nicht nur zu Weihnachten

Frank Heidkamp blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück, das auch für ihn persönlich Veränderungen brachte. Im September erst ist er offiziell zum Stadtdechanten der katholischen Kirche in Düsseldorf ernannt worden.

 301020 Stadtdechant Frank Heidkamp, Lambertus Foto: Andreas Bretz

301020 Stadtdechant Frank Heidkamp, Lambertus Foto: Andreas Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Weihnachten ist da, diesmal ganz anders. Corona prägt dieses Fest. Wie viele Menschen werden in die Gottesdienste kommen, wie viele müssen wir abweisen, weil die Kirchen voll sind? Haben wir etwas übersehen? Ist die Ansteckungsgefahr nicht zu groß? Fragen über Fragen. Ich sitze an meinem Schreibtisch, Bilder des Jahres ziehen an mir vorüber.

Was war das für ein Jahr! Ein Virus in China, sehr ansteckend, aber weit weg. Wir feiern Karneval. Toll, ein Wagen der Religionen. Auf dieses Miteinander können wir aufbauen, brauchen wir für Düsseldorf. Das Virus kommt näher, ist da, stoppt das Leben. LKW-Ladungen voller Särge fahren durch Bergamo. Ein schreckliches Szenario! Auch bei uns Einschränkungen, Masken tragen, Hände desinfizieren, auf Abstand gehen.

Ein weiteres Bild taucht auf. Ich stehe vor der Kirche in Wersten an einem Sonntag und muss den Menschen, die zur Messe wollen, sagen: „Es gibt in der nächsten Zeit keine öffentlichen Gottesdienste mehr.“ Ihre Sprachlosigkeit und meine Tränen verbinden sich. Und jetzt? Kreativität ist angesagt. Wie können wir Menschen nahe sein, wie können wir sie schützen? Einkäufe für Senioren werden organisiert, Gottesdienste in Innenhöfen von Altersheimen gefeiert, Telefonketten werden aufgebaut. Eine Messe zu Ostern in einem Autokino hätte ich mir nie träumen lassen. Mich macht traurig, dass trotz allem großartigen Einsatz von Ärzten und Pflegepersonal Menschen allein sterben müssen, ohne ihre Angehörigen, Beerdigungen nur mit wenigen Trauernden stattfinden, Verlust und Schmerz das Leben prägen.

Das Bild von George Floyd kommt mir in den Sinn. Er stirbt, weil das Knie eines Polizisten ihm den Atem abschnürt. Eine Welle von Gewalt in den USA ist die Folge. Ach ja, die USA. Der Wahlkampf und die Äußerungen von Donald Trump lassen mich den Kopf schütteln, genauso wie die Covid 19 Leugner. Menschen sterben in Massen an der Pandemie, und sie wird verharmlost. Auch das Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit wieder stärker werden, ist für mich unbegreiflich. Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt?

Es sind schon schwierige Zeiten, wir stehen am Rand der Belastbarkeit. Dies gilt auch für die Katholische Kirche. Dass Priester Kinder missbrauchen, hätte ich mir nie in diesem Maße vorgestellt. Abscheulich! Ich denke an die Betroffenen, an zerstörte Seelen, zerstörtes Leben. Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden, alles muss ans Tageslicht gelangen, da darf es keine Tabus geben. Vertuscher müssen mit Namen genannt werden und Konsequenzen ziehen. Was bleibt, ist das Leid der Betroffenen, was bleibt, ist ein großes Misstrauen der Kirche gegenüber. Sicher noch lange. Der Ruf nach Veränderung wird immer lauter. Was war das für ein Jahr!

In meinen Gedanken kehre ich wieder zu Weihnachten zurück. Auch nicht gerade eine tolle Perspektive für die Zukunft. Keine Unterkunft, kein Krankenhaus, in einer Gotte in Bethlehem geboren, kurz nach der Geburt Flucht nach Ägypten.

Ein Text des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer fällt mir ein, kurz vor seiner Ermordung geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Tröstend und Mut machend, finde ich, gerade in stürmischen Zeiten.

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