Liga der Wohlfahrtsverbände Darum suchen Düsseldorfer Sozialverbände Fachkräfte und Spender

Düsseldorf · Die finanziellen Spielräume werden auch für die Wohlfahrtsverbände in Düsseldorf enger. Sie setzen auf eine neuartige soziale Stadtplanung. Was der neue Sprecher und sein Vorgänger über die soziale Lage in der Landeshauptstadt denken.

 Pfarrer Michael Schmidt vor dem Haupthaus der Diakonie.

Pfarrer Michael Schmidt vor dem Haupthaus der Diakonie.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Düsseldorf Die finanziellen Spielräume werden auch für die Wohlfahrtsverbände enger. „Wir merken, dass es schwieriger geworden ist, von der Kommune unterstützte Stellen beispielsweise in der Sozialberatung längerfristig abzusichern“, sagt Michael Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Diakonie. Der Pfarrer hat zum Jahresbeginn DRK-Chef Stefan Fischer als Sprecher der Düsseldorfer Liga der Wohlfahrtsverbände abgelöst.

Was abstrakt klingt, macht Schmidt anhand eines Beispiels konkret: „In Hassels, einem Quartier, in dem der Beratungsbedarf besonders groß ist, hatten wir bis zum Dezember eine weitere halbe Stelle in der Sozialberatung, die von uns finanziert wurde. Die mussten wir einsparen, stattdessen können wir dank der Beschlüsse des Jugendhilfeausschusses befristet eine Halbtagskraft im Stadtteilladen in Flingern einsetzen“, sagt Schmidt. Und das sei wichtig, denn auch dort sei der Beratungsbedarf sehr groß.

Doch nicht nur schrumpfende Etats, auch andere Faktoren engen die Spielräume der Sozialverbände ein. „Mit unser Stiftung Herzwerk, die aus Eigenmitteln und mit Spenden finanziert wird, setzen wir Akzente gegen Armut und Einsamkeit im Alter. Doch die Spenden brechen uns weg“, sagt Fischer. Kurzarbeit, Inflationsangst, Energiekosten, die Gründe seien vielfältig, meint der DRK-Chef. Auch Erbschaften, die früher immer mal wieder ans Rote Kreuz gegangen seien, gebe es inzwischen kaum noch. „Mitarbeiter, die Spenden generieren, berichten mir, dass sie sich immer häufiger ohne Erfolg die Finger wund wählen.“ Trotzdem könne man froh sein über das bürgerschaftliche Engagement in der Landeshauptstadt. „Ohne die vielen Stiftungen und Initiativen und das Heer der Ehrenamtlichen – 1300 sind es beim DRK, 1600 bei der Diakonie – wäre die Lage deutlich ernster“, meint Schmidt.

Zu schaffen macht den Sozialverbänden der Fachkräftemangel. Personal fehlt an allen Ecken und Enden. „Wir müssen die Lücken, die in den Pflegeeinrichtungen durch die Pandemie und ihre Folgen noch einmal größer geworden sind, durch Zeitarbeiter ausgleichen – und das ist teuer“, sagt Fischer. So habe das DRK im Pflegesektor in 2022 Leiharbeitskosten in Höhe von rund 3,8 Millionen Euro aufwenden müssen; das entspreche 22 Prozent der gesamten Personalkosten in diesem Bereich. „Früher bewarben sich auf eine Stelle zehn oder 15 Menschen, heute schalten wir fünf bis zehn Mal eine Ausschreibung, bis der erste tatsächlich ,Ja‘ sagt“, berichtet der DRK-Chef.

Neben Imageproblemen in diesem Berufsfeld macht Fischer eine Reihe weiterer Ursachen für die Entwicklung aus. Früher seien die Mitarbeiter ein Leben lang geblieben, heute gingen frisch Ausgebildete im Schnitt nach sieben Jahren. Die Mitarbeiter wechselten dann meist als Quereinsteiger in andere Jobs, in denen es keine Nacht- und Wochenendschichten gebe. Dass dadurch auch Zulagen verloren gingen, spiele für einen Teil der jungen Generation keine so große Rolle. „Der Fokus ist häufig nicht mehr darauf gerichtet, möglichst rasch möglichst viel Geld zu verdienen – Freizeit und passende Arbeitszeiten haben einen hohen Stellenwert“, meint Fischer. Dabei beschränkten sich die Abgänge keineswegs nur auf die Pflege. Inzwischen sei auch der Rettungsdienst betroffen, dort werde „die personelle Lage immer schwieriger“.

Die tiefe soziale Spaltung der von außen als wohlhabend wahrgenommenen Landeshauptstadt bereitet den beiden Sozialexperten Sorgen. „Wir sind nah dran an den Menschen und sehen, dass Bildung, Gesundheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben immer stärker davon abhängen, wo genau jemand innerhalb des Stadtgebietes wohnt“, sagt Schmidt. Hinnehmen möchte der Diakonie-Pfarrer das nicht. „Wir streben eine soziale Stadtplanung an, also eine Planung, wie es sie beim Verkehr oder dem Schulbau bereits gibt, und würden das gerne gemeinsam mit der Stadt in Angriff nehmen“, sagt er. Mit Stephan Glaremin als dem künftigen Leiter von Jugend- und Sozialamt hoffe man, „hier etwas Neues auf den Weg bringen zu können“.

(jj)
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