Interview Georg Jungbluth und Ulrike Schneider „Das Auto bleibt das wichtigste Verkehrsmittel“

Düsseldorf · Die Vorsitzenden des Seniorenrats über bezahlbaren Wohnraum, helle Straßen und weniger Sparkassen-Filialen.

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Herr Jungblut (Vors.) und Frau Schneider (VizeVors.)
Foto: Andreas Bretz

210219 Herr Jungblut (Vors.) und Frau Schneider (VizeVors.) Foto: Andreas Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Herr Jungbluth, was sind die Sorgen der Düsseldorfer Senioren?

Jungbluth Dass viele im Alter die Wohnung nicht mehr bezahlen können. Dass stationäre und ambulante Pflegekapazitäten fehlen. Und dass man keine Bankfiliale mehr fußläufig erreichen kann.

Damit spielen Sie auf die Ausdünnung des Sparkassen-Filialnetzes an.

JUNGBLUTH Genau. Das ärgert uns als Interessenvertreter der Älteren. Aber es ist wohl der Lauf der Zeit.
SCHNEIDER Ein Institut wie die Sparkasse entscheidet nach kaufmännischen Gesichtspunkten. Das muss es ja auch, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Aber wer sich klar aus der Fläche zurückzieht, läuft doch Gefahr, wichtige Kunden zu verlieren?

SCHNEIDER Das glaube ich nicht. Wer über 70 ist und seit 40 oder 50 Jahren Kunde einer bestimmten Bank ist, geht in der Regel nicht von der Fahne. Das wissen die Entscheider in den Chefetagen ganz genau.

Bleibt am Ende nur Resignation?

JUNGBLUTH Nein. Wichtig ist die prompte Umsetzung der angebotenen Alternativen. Dazu zählen die mobilen Filialen auf vier Rädern.
SCHNEIDER In einzelnen Fällen, beispielsweise wenn jemand sehr schwer erkrankt ist, ist es auch möglich, dass Mitarbeiter das Geld nach Hause bringen. Wenn der Rückzug aus der Fläche so abgefedert wird, können die Senioren etwas leichter damit umgehen.

Düsseldorf ist schick, anziehend, mehr Menschen kommen in die Stadt. Die Kehrseite der Medaille: Wohnen wird immer teurer.

JUNGBLUTH Ein Riesen-Problem ist das für Menschen, die kaum Vermögen haben, und von einer kleinen oder mittleren Rente leben müssen. Viele wollen sich im Alter verkleinern, können das aber nicht, weil die neue Wohnung teurer ist als die bislang bewohnte. Wieder andere müssen ihr angestammtes Quartier verlassen und sogar weiter weg ziehen, weil sie sich Düsseldorf nicht mehr leisten können.
SCHNEIDER Im Grunde ist es noch komplizierter. Viele Vermieter geben einem Menschen, der älter als 70 oder 75 ist, keine Mietwohnung mehr. Sie denken, dass er sie vielleicht nicht mehr so in Ordnung halten kann oder es finanziell mal eng werden könnte. Wenige sagen so etwas, aber viele denken es. Wer Beispiele für Altersdiskriminierung sucht, wird sie in diesem Bereich finden.

Was kann die Stadt tun?

JUNGBLUTH Sie muss die Quote des sozial geförderten Wohnungsbaus über die bisherigen Vereinbarungen hinaus erhöhen.

Laut Handlungskonzept Wohnen müssen  zwischen 20 und 30 Prozent der neuen Wohnungen öffentlich gefördert, also besonders günstig, sein.

Jungbluth Ich würde 35, vielleicht sogar 40 Prozent für den sozialen Wohnungsbau befürworten. Es kann nicht sein, dass Menschen, die ihr Leben lang in dieser Stadt verbracht haben, sich im Alter eine Wohnung in Düsseldorf nicht mehr leisten können. Im Übrigen würden davon auch junge Leute, Alleinerziehende und Menschen mit niedrigem Einkommen profitieren.

Sie beide stehen seit fünf Jahren an der Spitze der Interessenvertretung für die Generation 60 plus. Haben Sie erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?

Schneider Wir haben zweifellos viel erreicht.

Zum Beispiel?

Jungbluth Dazu zählt sicher das Friedhofsmobil, das am Nord- und am Südfriedhof Senioren mit Einschränkungen ermöglicht, die Gräber ihrer Lieben zu besuchen. Das dritte Mobil wird in ein paar Monaten in Stoffeln an den Start gehen. Zu dieser Art von Service passt auch der Begleitservice der Rheinbahn, der ebenfalls sehr geschätzt wird.
SCHNEIDER Unser Einsatz für Lehnen an Sitzbänken war an einigen Standorten erfolgreich, der Kulturherbst, den wir mit großer Unterstützung der Stadt umsetzen, ist ein erfolgreicher Dauerbrenner. Und wir haben den freien Eintritt für Senioren in städtischen Kultureinrichtungen an Sonntagen durchgesetzt. Wir hätten das gerne an allen Tagen gehabt, aber es ist ein Anfang. Wer sonntags ins Stadtmuseum geht, kann sich vom Erfolg überzeugen. Ganz wichtig ist auch, dass wir unter der engagierten Führung unseres Mitglieds Hartmut Mühlen das Thema Altersarmut und Alterseinsamkeit sehr viel stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt haben.

Ihre Mitglieder sind sehr präsent, nehmen an den Sitzungen der Ratsausschüsse und der Bezirksvertretungen teil. Werden Sie denn tatsächlich gehört? Reichen die Ihnen gewährten Einflussmöglichkeiten?

Jungbluth Ein klares Ja. Die Anerkennung und die Einbindung der Seniorenräte haben sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verbessert. Zum einen sind jetzt beide Mitglieder, die in einem Stadtbezirk gewählt wurden, stimmberechtigt. Davor hatte es nur eine Vertreterlösung gegeben. Zum anderen werden wir bei wichtigen Themen von Beginn an einbezogen. Die Netzwerke funktionieren gut.

Stichwort Verkehrswende. Was halten Sie von einem stärkeren Vorrang fürs Rad und von einer Umweltspur, wie sie unter anderem auch für die Corneliusstraße diskutiert wird?

Jungbluth  Ich bin skeptisch. Mobilität ist für Senioren enorm wichtig. Und viele trauen sich längere Fahrten mit dem Rad einfach nicht mehr zu. Das liegt am Großstadtverkehr, aber auch an den Gebrechen, mit denen viele aus unserer Generation leben müssen. Und wer in bestimmten Stadtteilen wohnt, kann auch nicht einfach so auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Anders gesagt: Das Auto ist und bleibt für viele Senioren ihr wichtigstes Fortbewegungsmittel.
SCHNEIDER Wer beispielsweise im Norden in die U 79 steigt und in die Innenstadt fahren will, findet zu bestimmten Uhrzeiten nicht einmal einen Platz. Wir sollten die Mobilität auf vier Rädern in einer Stadt wie Düsseldorf nicht so stark einschränken, dass bestimmte Gruppen sich plötzlich immobil fühlen müssen.

Das Thema Gaslaternen schlägt immer wieder hohe Welle. Viele engagierte Bürger wollen diese Besonderheit erhalten.

Schneider Grundsätzlich ist dagegen nichts zu sagen.

Aber?

Schneider Aus unserer Sicht ist das entscheidende Kriterium, dass es auf der Straße hell genug sein muss. Wenn eine LED-Beleuchtung das leistet, dann ist sie auch die richtige Wahl. Wenn Gaslicht es leistet, ist es auch in Ordnung. Aber noch ist das nicht an allen Stellen so, ich denke an bestimmte Straßen in der Altstadt oder in Oberkassel.

Die Wahlen zum neuen Seniorenrat beginnen am kommen Freitag. Treten Sie wieder an?

Jungbluth Nein. Ich bin 79 und außerdem noch in den Gremien der Seniorenunion aktiv. In diesem Alter muss ich mit den Kräften haushalten.
SCHNEIDER Ich werde antreten.

Ist die Zeit reif für eine Frau an der Spitze dieses Gremiums?

SCHNEIDER Manche meiner Mitstreiter glauben das. Aber dabei muss es sich ja nicht zwangsläufig um mich handeln. Ich strebe den Vorsitz nicht aktiv an, werde das Ganze aber erst nach der Wahl abschließend bewerten.

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