Kampfsport für Senioren 94-Jähriger übt mit Senioren Selbstverteidigung

Düsseldorf · Bei Edgar Geller lernen Ältere Techniken aus Taekwondo und Kickboxen. Der Überraschungseffekt sei die beste Waffe der Senioren.

 Vor kurzem erst reichte das entschiedene Auftreten von Edgar Geller, um zwei aufdringliche Betrunkene abzuschrecken.

Vor kurzem erst reichte das entschiedene Auftreten von Edgar Geller, um zwei aufdringliche Betrunkene abzuschrecken.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Edgar Geller möchte seine rechte Hand an diesem Morgen nicht zur Begrüßung reichen – zu sehr würde das Gelenk heute schmerzen. „Das ist bloß das Alter, müssen Sie verstehen“, sagt der 94-Jährige. Noch in seiner Alltagskleidung wirkt Geller auf den ersten Blick wie der nette Senior von nebenan, mit dem man gerne einmal zusammen eine Tasse Kaffee trinkt. Ein älterer Herr eben, dessen gutmütige Stimmung allerhöchstens von den kleinen Zipperlein des Alters getrübt werden könnte. Doch der Schein trügt. Erfordert es die Situation, schlägt Geller auch mit seiner Gicht geplagten Faust feste zu. Zeugnis davon bietet unter anderem sein Auftritt in der ZDF-Show „Hirschhausens Quiz des Menschen“ vor zwei Jahren, als Geller mit seinen Fäusten Bretter zu Kleinholz verarbeitete. „Auch in alten Leuten steckt noch viel Kraft. Man muss dafür nur ihr Selbstbewusstsein stärken“, sagt er.

Genau das ist auch Ziel seines Selbstverteidigungskurses für Senioren: Er soll vor allem die „Hemmungen“ bei den Teilnehmern senken. Hemmungen, die verhindern, dass sich ältere Menschen in brenzligen Situationen selbst verteidigen können. „Die psychischen Latten sind gerade bei Älteren sehr hoch gesetzt. Sie fürchten sich vor den Konsequenzen. Schlägt der mich k.o., wenn ich zuerst schlage? Oder verletze ich ihn gar schlimmer, falls er mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlägt? Die Aggressoren, Betrunkene zum Beispiel, beschäftigen sich mit solchen Fragen nicht.“

Kommt es zu solch einer Situation, können sich seine Kursteilnehmer mit einem Mix aus Techniken von Taekwondo, Judo, Kickboxen und Kung-Fu verteidigen. Auch mit Schlägen, die im Wettkampfgebrauch verboten sind. „In solchen Situationen geht es darum, was man machen muss, und nicht, was man darf.“ Direkt zuschlagen sei aber natürlich nicht immer die erste und beste Alternative, weiß Geller. Doch in brenzligen Situationen sei der Überraschungseffekt die beste Waffe der Senioren. Er gibt jedoch auch Tipps, wie man derartige Situationen überhaupt vermeiden kann. Beispielsweise die Straßenseite vor einer auftauchenden Gruppe suspekter Personen zu wechseln. Oder in der Straßenbahn niemals am Fenster sitzen, um sich einen Fluchtweg frei zu halten. Mittlerweile konnte er mit seinen Ratschlägen sogar ein ganzes Buch füllen.

Dabei war der Diplom-Ingenieur und Physiker eher per Zufall zum Kampfsport gekommen. Bei seiner Tätigkeit als Dolmetscher für fünf Sprachen, welcher er noch immer nachgeht, sah er auf einer Polizeiwache die Flyer für Kurse des Neusser Taekwondo-Meisters Yoo-Young Lee. Aus einem spontanen Besuch wurde eine Leidenschaft. Mit 88 Jahren legte er sogar noch den vierten Grad ab, der zum Meister berechtigt. Eine Motivation für ihn, den Selbstverteidigungskurs wieder aufzunehmen: „Sehr zum Leidwesen meiner Frau. Aber ich mache das hauptsächlich für meine Psyche. Ich brauche einfach eine bestimmte Beschäftigung.“

Während des Interviews rufen immer wieder Interessenten an. Geller nimmt sich Zeit, mit jedem ausgiebig über seine Beweggründe zu reden. Zwar berichten nur wenige von wirklichen Ängsten, abends auf die Straße zu gehen. „Aber wir leben in solchen Zeiten, da wollen die meisten einfach nur vorbereitet sein“, erwidert Geller. Mittlerweile ist der gebürtige Berliner selbst zu abgebrüht, um sich noch Sorgen zu machen. Das ein oder andere Mal musste er sein Wissen jedoch schon anwenden. Erst neulich, als er eine Bekannte abends auf dem Weg nach Hause begleitete, reichte sein entschiedenes Auftreten zur Abschreckung zweier Betrunkener, die sich aufdringlich näherten.

Ein bisschen Angst zeigt sich dann aber doch in seinen Augen – Geller spricht über seine beste Schülerin, eine 92-Jährige, die regelmäßig an seinen Kursen teilnimmt. Mit ihr einen Zweikampf zu führen, traut sich der nur unwesentlich Ältere nicht mehr zu. „Aus der ist nämlich mittlerweile eine richtige Kampfmaschine geworden.“

Kontakt Edgar Geller gibt Informationen zu seinem Angebot unter Telefon 0211 4846390.

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