Bernd Kowol ist Pädagoge aus Leidenschaft Kinder können auch Politik
Düsseldorf · Bernd Kowol (65) unterrichtet an der Montessori-Gesamtschule in Flingern. Für die RP schreibt er über das, was ihn am Ende seines Berufslebens bewegt.
Wenn mir jemand vor zehn Jahren erzählt hätte, dass unsere Schüler für ihr soziales Engagement zweimal im Bundestag vorsprechen, in der Paulskirche von einer Kinderjury zu UNICEF-Junior Botschaftern Deutschlands gewählt, zweimal beim WDR-Kinderrechtepreis ausgezeichnet werden, Promis für sich gewinnen und Ferrero mit zum Einstieg in den Fairtrade-Markt bringen würden, den hätte ich nur müde belächelt.
Genau dies realisierte sich mit unserem „SchokoFair“ Schülerprojekt. Eine Schülerin brachte ihre Motivation mit einem Satz auf den Punkt: „Wenn ich auf den Kakaoplantagen arbeiten müsste, würde ich mir wünschen, dass sich jemand irgendwo auf der Welt für mich einsetzt.“ Kinder können mit ihrem unverstellten Gerechtigkeitsempfinden tatsächlich Berge versetzen. Dank ihrer Mitwirkung im Forum nachhaltiger Kakao konnten unsere Kinder dieses Jahr vor 1500 Delegierten des Weltkakao-Kongresses in Berlin eine Rede halten, während vor dem Kongress hunderte Kinder demonstrierten. Und was die Delegierten von unseren Schülern zu hören bekamen, war Klartext: Schokolade mit Kinderarbeit schmeckt uns emotional nicht! Kakaobauern müssen für ihren Kakao endlich fair bezahlt werden, so dass alle Kinder zur Schule gehen können! Und von unserer Regierung forderten sie bessere Gesetze zum Schutz der Kinderrechte im Ausland wie den Schoko-TÜV (Nachweis der Lieferketten und Bestrafung der Firmen bei Verletzung der Kinderrechte) sowie eine Begrenzung der Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln.
Als im Schuljahr 2009/10 zwei Schüler das Unterrichtsthema Kinderarbeit in die Schülervertretung einbrachten, starteten sie ein Lehrstück in Empathie, Engagement und Kreativität. Dass Kinder für ihre Schokolade schuften müssen, ließ ihnen keine Ruhe mehr. Was aber ist das Motivationsgeheimnis, das auch immer wieder neue Schüler zum Weitermachen bringt? Es ist so einfach wie leider nicht selbstverständlich: Wenn Kinder sich ernst genommen fühlen und wenn ihre Arbeit gesehen und aufgegriffen wird, unterstützen wir ihren Wissens- und Gestaltungsdurst. Hier spielen Medien und ihre Berichterstattung eine große Rolle und auch welch authentisch-ehrliches Modell Erwachsene anbieten. Der Bundestag zeigte sich hier von zwei Seiten. Bei ihrem ersten Besuch im Bundestag 2014 erlebten die Kinder Wertschätzung für ihre Idee eines Schoko-TÜVs, den Minister Müller „absolut berechtigt“ und als „gute Forderung“ bezeichnete. Nachdem sich die Bundesregierung allerdings mit der Wirtschaft auf eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ zur Verbesserung abstimmte, erlebten die Kinder beim zweiten Bundestagsbesuch 2016 mit Film-, Ton- und Bildverboten eher das Gegenteil. Da half, dass Promis wie Wolfgang Niedecken den Kindern schon früh den Tipp gaben: „Ihr müsst immer wieder nachfragen, ihr müsst richtig nerven, bis den Kindern geholfen wird.“ Leider hat sich die Situation der Kakaobauern nicht verbessert. Ihre Armut lässt ihnen keine Wahl: Kinder helfen und schuften immer noch auf den Plantagen. Unsere Kinder wollen dran bleiben und das ist beste Erfüllung der Ziele unseres Schulgesetzes, das auf mündige Bürger zielt.