Eltern-Kolumne Vergesst den Ratgeber!

Düsseldorf · Eine ganze Woche als Teilzeit-Alleinerziehende mit zwei Kindern ist wie ein perfektes Training für Schauspieler.

Zur Zeit bin ich alleinerziehend. Mein Mann, mit dem ich mir die Aufgaben sonst teile, ist auf Dienstreise. Seit einer Woche verzichte ich auf seine Unterstützung, und ich kann sagen, so eine Woche als Alleinerziehende, das ist das perfekte Schauspieltraining. Montags hatte ich Lampenfieber: Werde ich an alles denken? Alle Aufgaben erledigen? Aber ich war motiviert: „Ich habe meinen Text gelernt und weiß, wie man eine gute Mutter spielt. Was soll schon sein?“ Auch am Dienstag lief es gut. Allerdings ist mir die Mimik kurz entgleist.(Als mein Sohn sagte: „Ich höre nur, wenn Papa schreit.“) Und gegen Abend hatte ich kaum noch überzeugende Gesten im Repertoire. Die Müdigkeit. Naja. Passiert den Besten.

Am Mittwoch bin ich zu dramatischer Höchstform aufgelaufen und habe einen ergreifenden Monolog improvisiert. Er hieß: „Wer hilft seiner Mutter in der Küche?“ Leider hat mir niemand dabei zugehört. Ich war ziemlich gut. Auch beim Küche sauber machen, übrigens. Und zwar ganz allein. Applaus! Am Donnerstag bin ich dann vor den Kindern ins Bett gegangen. Gegen neun. Wann die Kinder ins Bett gegangen sind, weiß ich nicht, ich habe sie auf jeden Fall am Freitagmorgen in ihren Betten wiedergefunden, immerhin. Am Wochenende musste ich mir eingestehen: So, wie ich die Rolle ursprünglich spielen wollte, schaffe ich es nicht.

Nach einer Woche voller beruflicher Herausforderungen, alleine mit zwei Jungs spielt man keine Supermutter mehr, da bleibt nicht mal eine besonders gute Mutter übrig, nur man selbst. Und das ist gar nicht mal so schlecht. Denn der Moment, wo gutes Spiel entsteht, ist der, in dem der Schauspieler sich traut, seine Idealvorstellung über Bord zu werfen und die Rolle mit dem auszufüllen, was nur er zu bieten hat: seine Persönlichkeit. Denn die ist authentisch. Und das überzeugt den Zuschauer. Oder das Kind. Mir hat es gutgetan, mich probehalber von dem zu lösen, was im Erziehungsratgeber steht und mal als die aufzutreten, die ich bin. Die Kinder waren überrascht: Hey, Mama ist auch nur ein Mensch! Sieh an. Und weil sie eigentlich sehr süß auf ihre menschliche Mama reagiert haben, habe auch ich etwas über meine Jungs erfahren. Aber das wusste ich eh. Mein Respekt gilt allerdings allen Alleinerziehenden. Ihr seid wahre Supereltern! Und zwar ganz in echt.

Autorin Mareile Blendl ist Schauspielerin und Mutter zweier Söhne im Alter von 5 und 14. Sie wohnt in Düsseltal. RP-Foto: Andreas Tobias

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