Interview mit Elisabeth Wilfart Und Wolfgang Rolshoven Düsseldorfer Jonges und die Frauenfrage

Düsseldorf · Der Heimatverein ist mit 2700 Mitgliedern einer der größten Europas – nimmt aber nach wie vor ausschließlich Männer auf. Ein guter Grund für eine Diskussion zwischen der städtischen Gleichstellungsbeauftragten und dem Jonges-Baas.

 Diskutieren über Männerbünde: Elisabeth Wilfart, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, und Wolfgang Rolshoven, Baas Düsseldorfer Jonges.

Diskutieren über Männerbünde: Elisabeth Wilfart, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, und Wolfgang Rolshoven, Baas Düsseldorfer Jonges.

Foto: Andreas Bretz

Der Heimatverein ist mit 2700 Mitgliedern einer der größten Europas — nimmt aber nach wie vor ausschließlich Männer auf. Ein guter Grund für eine Diskussion zwischen der städtischen Gleichstellungsbeauftragten und dem Jonges-Baas.

Herr Rolshoven, haben Sie etwas gegen Frauen?

Rolshoven Nein, ganz im Gegenteil.

Aber warum führen Sie als Baas der Düsseldorfer Jonges einen Verein, bei dem Frauen ausgeschlossen sind?

Rolshoven Weil es Vereine nur für Frauen gibt, wir sind einer nur für Männer. Das ist so, seit die Heimatfreunde das 1932 festgelegt haben. Wir sind zwar nicht mehr in den 1930er Jahren, aber es gründen sich auch reine Frauen-Netzwerke. Ich glaube, dass kluge Frauen nichts dagegen haben, wenn Männer sich mal alleine treffen und umgekehrt. Reine Männer- und Frauenvereine halte ich für sehr modern.

Frau Wilfart, sehen Sie das als Gleichstellungsbeauftragte auch so? Ist das modern oder reagieren Frauen damit nur auf Männerbünde?

Wilfart Beides stimmt. Dass Männer sich zu Vereinen zusammenschließen, hat Tradition. Frauen waren über Jahrhunderte zu Hause, gingen nicht arbeiten. Sicherlich gab es Treffen von Frauen, aber nicht so organisiert. Männer-Vereine hat es hingegen schon immer gegeben. Und zwar zweckorientiert, um sich gegenseitig zu stärken. Deshalb ist es modern, dass Frauen eigene Netzwerke gründen, um solidarisch zu sein und voneinander zu profitieren.

Wären Sie gerne Mitglied der Jonges?

Wilfart Ich bin schon beeindruckt von der Größe und der Vielfalt des Vereins, welche Berufe und Institutionen dort vertreten sind. Wenn Herr Rolshoven mich fragen würde, würde ich sofort ja sagen!

Reizt Sie das nicht, Herr Rolshoven?

Rolshoven Es reizt mich ohne Ende, mich mit Frau Wilfart zu treffen und sie auch als Ehrengast oder Referentin zu den Jonges einzuladen. Aber aufnehmen — da hätte ich 2700 Männer gegen mich. Auch aus innerster Überzeugung heraus halte ich es nicht für richtig und notwendig, Frauen bei uns aufzunehmen.

Könnte es Vorteile haben, wenn Frauen bei den Jonges wären?

Wilfart Ich kann mir das vorstellen. Es gibt traditionelle Vereine, die sich Frauen geöffnet haben. Das bringt eine Erweiterung der Perspektiven. Davon profitieren beide Seiten. Ich muss schon sagen, Herr Rolshoven, 2700 Mitglieder und dann eine strikte Nicht-Aufnahme von Frauen, ist ein starkes Stück. Wir hätten doch auch Interesse an Ihrem wirklich spannenden Programm.

Rolshoven Aber wir haben doch den Verein "Düsseldorfer Weiter"! Die haben zwar nicht so viele Mitglieder. Die Frage ist aber, wie man einen Heimatverein aufzieht. Ich habe erlebt, wie der Industrie-Club sich Frauen geöffnet hat. Das ist noch gar nicht so lange her.

Hat es dem Industrie-Club gut getan?

Rolshoven Es hat ihm auf jeden Fall nicht geschadet. Dort geht es aber auch eher um wirtschaftlichen Gedankenaustausch, bei uns eher um Heimat, Düsseldorf, Stadtbildpflege und Brauchtum.

Das sehen viele aber anders. Es heißt, an den Tischen der Jonges werden die besten Geschäfte vereinbart ...

Rolshoven Ich habe solche wirtschaftlichen Aktivitäten bisher nicht festgestellt. Wir versuchen zum Beispiel, in unserer Vereinszeitschrift "Das Tor" einen Tauschmarkt "Jonges für Jonges" aufzumachen. Das läuft aber noch nicht.

Brauchen Männer solche Rückzugsräume?

Rolshoven Ich finde das für Männer genauso wichtig wie für Frauen. Frauen müssen ja deshalb bei ihren Treffen nicht über Stricken und Haushalt reden.

Wilfart Klar müssen Rückzugsräume sein. Ich mag nur nicht, wenn es so dogmatisch ist. Ich komme aus Bayern, da ist das verbreitet. "Das war schon immer so" lasse ich nicht gelten. Es muss doch flexibel und lebendig sein.

Rolshoven Das stimmt. Wir stellen zurzeit alles auf den Prüfstand.

Wilfart In den 1930er Jahren war es nicht möglich, dass die Jonges Frauen aufnehmen. Heute ist aber vieles möglich. Düsseldorf ist doch eine internationale, weltoffene Stadt. Trotzdem gibt es hier eine Männer- und eine Frauenwelt. Im Heimatgefühl sollte sich auch Aufgeschlossenheit für Zeitgeist spiegeln.

Wie ist in diesem Kontext der Streit von früheren Jonges-Vorstandsmitgliedern zu beurteilen?

Wilfart Bei Frauen würde man sagen, das ist Zickenkrieg!

Rolshoven Das sind Männer, die nicht harmoniert haben und sich gegenseitig verklagen, statt zu sagen: Wir sind Heimatfreunde, haben uns gestritten, aber vertragen uns wieder. Der jetzige Vorstand mischt sich da nicht ein. Ich habe Zweifel, dass es mit Frauen anders gelaufen wäre. Wogegen ich mich aber verwahre, ist, wenn Frau Koch (Geschäftsführerin Grünen-Ratsfraktion, d. Red.) sagt, wir seien altmodisch. Das sind wir nicht. Wir haben oft Frauen zu Gast auf der Bühne.

Zum Beispiel?

Rolshoven Die Bürgermeisterinnen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Gudrun Hock, Sahra Wagenknecht von der Linken, Grünen-Chefin Mona Neubaur, Landtagspräsidentin Carina Gödecke. Bald kommen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Henkel-Aufsichtsrats-Chefin Simone Bagel-Trah und auch Sie, Frau Wilfart.

Wie war das eigentlich mit Oberbürgermeisterin Marlies Smeets?

Rolshoven Es gab Überlegungen, ihr eine Ehrenmitgliedschaft anzubieten. Aber dafür fand sich nach meiner Erinnerung keine Mehrheit.

Wilfart Schade. Mit Frauen als Mitgliedern gäbe es mehr Impulse für interessante Fachgespräche, etwa zu häuslicher Gewalt, Prostitution, Alleinerziehende oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es macht Sinn, wenn Männer und Frauen sich austauschen. Im Moment sind Sie doch völlig abgeschlossen.

Rolshoven Aber diese Themen spielen für uns eine Rolle. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass für Alleinerziehende und Hausfrauen viel mehr getan werden müsste. Ich halte Frauen mit dem Beruf Hausfrau für gleichwertig mit Frauen, die Karriere machen. Da sehe ich auch eine Lücke in der Versorgung.

Stimmen Sie dem zu?

Wilfart Ich sehe die Lücke darin, dass sich zu wenig Männer dafür entscheiden. Würden mehr Männer Erziehungszeiten nehmen, würde das die Lage der Frauen verbessern.

Rolshoven Aber junge Männer sind doch heute viel mehr dazu bereit.

Wilfart Da kann sich aber noch mehr tun. Mich ärgert, dass Männer, die das machen, so hofiert werden. Das macht es zu einer Besonderheit, es müsste aber eine Selbstverständlichkeit sein.

Es gibt Männerdomänen, vor allem auf Führungsebene, und Frauendomänen in Erziehung oder Pflege — brauchen wir für beide eine Quote?

Rolshoven Ich habe Bedenken bei einer festen Quote, bin dafür, dass generell mehr Frauen in Führungspositionen kommen, nicht nur bei DAX-Unternehmen. Was gar nicht geht, ist die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern bei gleichen Positionen und Qualifikationen oder, dass die Rente von Witwen niedriger ist als die von Witwern.

Wilfart Es ist gut, dass darüber eine Diskussion in Gang gekommen ist. Aber eine Quote allein reicht nicht. Die Rahmenbedingungen müssen verändert werden.

Was konkret?

Wilfart Dass zum Beispiel Teilzeitarbeit mit einer Führungsposition vereinbar ist. Außerdem müssen wir die Berufe, in denen Männer unterrepräsentiert sind, durch bessere Bezahlung aufwerten.

Heute ist der UN-Aktionstag gegen "Gewalt an Frauen". Was planen Sie?

Wilfart An den öffentlichen Gebäuden wird die Flagge von "Terres des femmes" gegen Gewalt gehisst. Das erste Mal auch auf Türkisch, Englisch und Französisch. Im Rathaus selber gibt es eine sehr interessante Ausstellung der Frauenberatungsstelle, die um 16 Uhr von OB Dirk Elbers eröffnet wird.

Rolshoven Ich finde es gut, dass das mit so einem Aktionstag öffentlich thematisiert wird.

Wenn Sie für einen Tag die Rollen tauschen könnten, was würden Sie tun?

Rolshoven Ich würde mich um die alleinerziehenden Mütter kümmern. Sie müssen finanziell besser ausgestattet werden und bessere Berufschancen erhalten. Dafür würde ich versuchen, den Etat zu erhöhen.

Wilfart Und ich würde die Jonges revolutionieren und die erste Frau aufnehmen.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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