Zehn Jahre Düsseldorfer Hörzentrum Alle mal herhören!

Düsseldorf · Laut Experten-Schätzungen leiden mehr als 50.000 Düsseldorfer an Hörschäden. Dabei sind die Diagnoseverfahren so ausgefeilt wie nie, und Hörsysteme werden immer kleiner. Die HNO-Klinik der Uni informiert am Freitag über modernste Hörgeräte.

 Thomas Klenzner leitet das Hörzentrum des Uni-Klinikums in Düsseldorf.

Thomas Klenzner leitet das Hörzentrum des Uni-Klinikums in Düsseldorf.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Ex-Präsident Bill Clinton hat’s schon lange, der Modedesigner Wolfgang Joop und der Schauspieler Mario Adorf auch. Drei bekannte Männer, die eines verbindet: Sie tragen Hörgeräte. „Es wäre doch schön, wenn durch meinen Spot mehr Menschen zum Hörtest gehen“, erklärt Adorf seinen Werbeauftritt für einen Hersteller. Tatsächlich nehmen irreparable Hörschäden drastisch zu, allein in Düsseldorf sind davon nach Expertenschätzung über 50 000 Menschen betroffen. „Das ist weniger eine Folge der alternden Gesellschaft, als vielmehr unseres Zivilisationslärms“, meint der Hals-Nasen-Ohrenarzt Matthias Meisel aus Oberkassel.

Schwerhörigkeit macht einsam

Dabei könnte alles so einfach sein: Die Diagnoseverfahren sind differenziert, Hörgeräte (heute spricht man eher von Hörsystemen) leistungsstark wie nie und dabei nahezu unsichtbar. Es gibt bereits Modelle, mit denen man sogar duschen kann und längst lassen sich die digitalen Minis über Bluetooth mit dem Handy oder dem Fernseher verbinden. „Trotzdem muss man feststellen, dass Hörgeräte keine starke Akzeptanz genießen“, so Meisel. Während für viele Menschen ein regelmäßiger Sehtest Routine ist, kümmern sich die meisten nicht um ihr Gehör. Dabei macht Schwerhörigkeit einsam, schließt aus von gesellschaftlichen Kontakten. Der Mediziner zitiert Kant und seine berühmte Erkenntnis: „Nichts sehen, trennt von den Dingen. Nichts hören, trennt von den Menschen.“

In seiner Praxis erlebt er immer wieder Patienten in jedem Alter, die kritisieren, dass „alle so nuscheln“, dass sie auch den Fernseher nicht mehr verstehen und schon einen Techniker bestellt haben. „Dass es an ihnen und ihrer Schwerhörigkeit liegt, weisen sie weit von sich.“ Und wenn sie sich dann doch (meist von ihren Angehörigen gedrängt) zu einem Hörgerät entschließen, bleibt dies oft in der Schublade liegen. Diese Erfahrung bestätigt Sabine Bellut, Hörakustikerin mit Meisterbrief bei Aumann, Düsseldorfer Traditionsbetrieb mit 65-jähriger Geschichte. In dessen Anfängen gab es simple Geräte, die im Vergleich zur heutigen Generation riesig waren und die man an einem Band um den Hals trug.

Als Sabine Bellut vor 30 Jahren in den Beruf einstieg, waren die Geräte noch mit analoger Technik ausgestattet und gerade mal in drei Modellen vorrätig. Kein Vergleich mit der digitalen Gegenwart: die aktuellen Systeme haben, so klein sie sind, verschiedene Richtmikrofone, sind mit bis zu 20 Hörkanälen ausgestattet und können zwischen unterschiedlichen Situationen unterscheiden (Restaurantbesuch mit Geschirrklappern und Gesprächsfetzen oder Straße mit Bahnverkehr und Autolärm), und sie können Störgeräusche unterdrücken. Allerdings lassen sich etliche Kunden wohl auch von den Kosten abschrecken, denn Hörgeräte können mit mehreren tausend Euro zu Buche schlagen, von denen die Krankenkassen nur einen Teil übernehmen.

Implantate mit Magnettechnik

Vor Thomas Klenzner steht ein Ohr zum Aufklappen. An diesem Kunststoffmodell kann der Chef des Hörzentrums am Uniklinikum anschaulich erklären, was passiert, wenn das Hören zum Problem wird oder gar ganz unmöglich ist – und welche Möglichkeiten Medizin und Technik entwickelt haben. Patienten, die selbst mit dem leistungsstärksten Hörgerät nicht zurechtkommen, landen irgendwann in seiner Sprechstunde. Wenn sie Glück haben. Denn das Hörzentrum ist auf so genannte Cochlea Implantate spezialisiert, Hightech-Geräte, die per Mikro-Chirurgie direkt ins Innenohr verpflanzt werden. „Diese Implantate sind mit einem Magnet ausgestattet“, so der Spezialist, dadurch haftet der zweite Teil des Geräts sicher an der äußeren Kopfhaut. In diesem Teil sind die Batterien untergebracht, Mikrofone und ein Prozessor, der Sprache verarbeitet. Welche Patienten profitieren von diesen Implantaten? „Alle, die in ihrem Leben schon mal hören konnten, sind geeignet“, erläutert Thomas Klenzner. Generell ließe sich sagen: Je kürzer die gehörlose (oder schwerhörige) Zeit war, desto größer die Erfolgschancen. Die jüngsten Patienten des Hörzentrums sind noch nicht mal ein Jahr alt, bei ihnen sei der Erfolg des Implantates besonders stark messbar.

Solche gravierenden Hörschäden können ganz unterschiedliche Ursachen haben, manchmal sind sie angeboren (von 1000 Neugeborenen sind zwei bis drei schwerhörig), sie können durch Entzündungen oder durch Störung und Verlust der Sinneszellen im Ohr auslöst werden. Oder durch äußere Einflüsse wie eine Explosion oder schwere Kopfverletzungen. Auch wenn die Ursachen noch so unterschiedlichen sind, „eine gravierende Schwerhörigkeit, selbst wenn sie nur einseitig ist, bedeutet immer eine Einschränkung der Lebensqualität“, so Thomas Klenzner.

Informationen im Hörmobil

Das Hörzentrum der HNO-Klinik, das exakt vor zehn Jahren gegründet wurde, organisiert regelmäßig Informationstage und Aktionen mit seinem Hörmobil. Da erfahren Patienten Details über die ausgefeilte Technik oder die Kosten (die von den Krankenkassen voll übernommen werden, denn Implantate gelten aus Prothesen). Gelegentlich berichten auch ehemalige Patienten von ihrem neuen Leben, seit sie wieder hören können. Zu ihnen zählt Björn Koch, Nationaltrainer des Schwimmkaders beim Deutschen Gehörlosen Verband, der seit Jahren Cochlea Implantate aus Düsseldorf trägt. Er fühle sich nun deutlich sicherer in seinem Alltag. Mit zusätzlicher Unterstützung durch Logopäden lerne er jeden Tag etwas Neues. Sein Fazit: „Ich bin glücklich, diesen Weg gegangen zu sein.“

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