Wirtschaft in Düsseldorf Wie sauber ist die Energie von Henkel?

Interview | Düsseldorf · Der Düsseldorfer Henkel-Standortleiter spricht im Interview über den verzögerten Kohleausstieg des Waschmittelherstellers – und die Zukunft des Werks in Holthausen.

Daniel Kleine, Standortleiter bei Henkel in Düsseldorf: „Wir wollen weiter auf Biogas umstellen, aber die EU verunsichert unsere Planung.“

Daniel Kleine, Standortleiter bei Henkel in Düsseldorf: „Wir wollen weiter auf Biogas umstellen, aber die EU verunsichert unsere Planung.“

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Daniel Kleine liebt es, über Nachhaltigkeit zu sprechen: Als Physiker habe er dafür eine „natürliche Affinität“, als Vater von drei Kindern sei es ihm eine „Herzensangelegenheit“. Der 51-Jährige will vor allem zeigen, was möglich ist – an einem Standort, der 5600 „Henkelaner“ in verschiedensten Bereichen beschäftigt.

Herr Kleine, Henkel-Chef Carsten Knobel hat bei der Bilanzpräsentation vor ein paar Wochen betont, dass das größte Henkel-Werk weltweit nicht mehr in Düsseldorf steht. Sondern in den USA. Verliert Ihr Standort an Bedeutung?

Kleine Überhaupt nicht. Düsseldorf ist unser Firmensitz und unsere Heimat. Wir sind der zweitgrößte Produktionsstandort weltweit und von der Fläche her der mit Abstand größte. Wir investieren jedes Jahr rund 100 Millionen Euro in den Standort Düsseldorf. Erst im vergangenen Jahr haben wir hier ein Innovationszentrum für Klebstofftechnologien eröffnet – mit einem Investitionsvolumen von über 130 Millionen Euro.

Was meint Herr Knobel dann?

Kleine Bei der Produktion von Wasch- und Reinigungsmitteln gibt es in Amerika einen Henkel-Standort, der eine größere Menge herstellt als wir hier auf dem Gelände. Aber in Düsseldorf passieren ja noch viele andere Dinge, zum Beispiel haben wir im vergangenen Jahr mehr als 100 Millionen Pritt-Stifte produziert. Und hier ist auch die Wiege des Unternehmens, wir blicken auf 146 Jahre Geschichte zurück. Und neben Henkel sind hier ja auch Unternehmen wie die BASF tätig.

Aber die deutschen Energiepreise gehören global gesehen zu den höchsten, deswegen zieht es produktionsstarke Unternehmen immer stärker ins Ausland. Glauben Sie, dass Ihr Standort auch in Zukunft so groß bleiben wird?

Kleine Davon gehe ich aus. Wir produzieren hier zum Beispiel große Mengen Waschmittel. Das ist ein Produkt, das aufgrund der großen Menge pro Einheit bevorzugt für den regionalen Markt erzeugt wird. Die steigenden Kosten spüren wir natürlich deutlich. Im vergangenen Jahr haben sich für uns die Strompreise verzehnfacht und die Gaspreise versechsfacht. Das ist viel Geld. Aber die Energiekosten machen nur zwei bis drei Prozent unseres Produktionsaufwands aus. Wir spüren die stark gestiegenen Energiepreise vor allem bei den Rohstoffen, die deutlich teurer geworden sind.

Es hängt also auch von der Nachfrage in Deutschland ab.

Kleine Henkel-Marken sind auf dem deutschen Markt fest etabliert. Das zeigt sich auch in dem Produktionsvolumen. Wir haben in Düsseldorf im vergangenen Jahr über zehn Prozent mehr hergestellt als noch vor zehn Jahren.

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Foto: Henkel AG & Co. KGaA/Henkel

Die Energie für Ihre Produktion kommt aus einem firmeneigenen Kraftwerk, das zu einem Drittel mit Kohle befeuert wird. Um nachhaltiger zu werden, wollten Sie eigentlich Ende Oktober 2022 „aus der Kohle aussteigen“. Der Kohlekessel läuft aber bis heute weiter. Warum?

Kleine Wir haben eine Betriebsgenehmigung bis ins Jahr 2024. Wegen der Energiekrise hat die Bundesregierung entschieden, Kraftwerke wie unseres teilweise länger laufen zu lassen. Damit Deutschland weniger abhängig von russischem Gas wird und keine Gasmangellage entsteht. Wir wurden daher gebeten, unser Kraftwerk länger zu betreiben.

Das Kraftwerkebereithaltungsgesetz läuft Ende März 2024 aus. Steigen Sie dann aus der Kohle aus?

Kleine Ja, spätestens. Unsere Devise war, dass wir schon bis Herbst 2022 so viel Energie einsparen, dass wir auf einen der fünf Dampfkessel des Kraftwerks verzichten können. Und damit Kohle ersatzlos aus unserem Energiemix streichen. Das haben wir geschafft.

Wie haben Sie Energie eingespart?

Kleine Das fällt im weitesten Sinne unter den Begriff Energieeffizienz und bedeutet, die Produktion zu optimieren, sparsamere Motoren zu integrieren, aber auch Leitungen und Gebäude besser zu isolieren. Und eine Veränderung in unserem Produktportfolio hat uns ebenfalls geholfen.

Inwiefern?

Kleine Traditionell wurde in Deutschland viel mit Pulverwaschmittel gewaschen. Mittlerweile sind Flüssigwaschmittel viel beliebter. Und das hat einen deutlich geringeren Energiebedarf als Pulver. So haben wir 2022 bei Henkel am Düsseldorfer Standort insgesamt 58 Prozent weniger CO2 ausgestoßen als noch im Jahr 2010 – und das trotz gestiegener Produktionsmenge.

Wie viel wird der kommende Kohleausstieg einsparen?

Kleine Wenn wir den Kohlekessel stilllegen, sparen wir ungefähr 80.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr. Das entspricht einem Fünftel unseres gesamten Ausstoßes.

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Foto: Krebs, Andreas (kan)

Danach wird das Kraftwerk komplett mit Gas betrieben werden. Wie sauber ist das?

Kleine Im Gegensatz zum Strom, den wir beziehen, haben wir bei Gas keinen Herkunftsnachweis. Aber wir hängen an dem „L-Gas-Gebiet“, das unter anderem von den Niederlanden aus versorgt wird. Und wir sind seit zwei Jahren dabei, Erdgas durch Biogas zu ersetzen. Das wird aus Bioabfällen aus Europa erzeugt.

Wie weit sind Sie bei der Umstellung?

Kleine 50 Prozent des Gases, das wir hier einsetzen, ist Biogas.

Biogas zählt zu den erneuerbaren Energieträgern. Allerdings überlegt die EU, nur noch bestimmte Anlagen als nachhaltig zu deklarieren – um zu verhindern, dass sich bei der Nutzung von Abfällen die Bodenqualität verschlechtert. Bremst das Ihre Planung?

Kleine Wir verfolgen den Weg weiter, aber es verunsichert uns schon. Der Vorteil von Biogas ist, dass wir unsere bestehenden Anlagen nutzen können. Sonst müssten wir umdenken und neu investieren. Aber wir möchten gerne beim Biogas bleiben, denn dadurch ist es uns gelungen, die Waschmittelproduktion in Düsseldorf klimaneutral zu machen.

Im schlimmsten Fall kaufen Sie aber Biogasmengen ein, deren Nachhaltigkeitsmehrwert vom Gesetzgeber in ein paar Jahren gar nicht mehr anerkannt wird.

Kleine Mit Strom zu heizen würde zum Beispiel signifikante Investitionen erfordern. Deswegen warten wir bei der weiteren Umstellung erst einmal ab, bis wir Planungssicherheit haben.

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