Eigenbedarfskündigung nach 38 Jahren Vom Suchen und Finden einer Wohnung in Düsseldorf

Düsseldorf · Nach 38 Jahren wurde Helga und Rolf Buddé der Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt. Mit über 70 begaben sie sich auf die Suche nach einer neuen Bleibe – und wurden kreativ. Ihre Geschichte ist auch eine Geschichte über den Düsseldorfer Wohnungsmarkt.

 Helga und Rolf Buddé im neuen Wohnzimmer – sie haben es fast genauso eingerichtet wie das alte.

Helga und Rolf Buddé im neuen Wohnzimmer – sie haben es fast genauso eingerichtet wie das alte.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Genau 450 Schritte sind es vom alten Leben ins neue, Rolf Buddé hat sie alle gezählt. So weit entfernt ist die Wohnung, in der die Buddés fast 40 Jahre lange lebten, von der, in der sie jetzt seit einigen Wochen wohnen. Drei Zimmer, 80 Quadratmeter und eine Terrasse in der Sonne: Das war fast ihr halbes Leben lang das Zuhause von Helga Buddé, 70, und ihrem Mann Rolf, 75 Jahre. Hier haben sie mitten in Gerresheim ihren Sohn aufgezogen, den kleinen Garten gehegt und gepflegt und in der Adventszeit die Nachbarschaft mit einer ausgeklügelten Weihnachtsbeleuchtung erfreut. Dann kam die Kündigung wegen Eigenbedarfs.

Mann und Sohn der Vermieterin wollten selbst einziehen; das Paar musste raus. „Das hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt Rolf Buddé. Und trotzdem haben sie Verständnis, „Eigentum geht vor“, sagt Helga Buddé. Der Vermieter habe sie beim Umzug sogar finanziell unterstützt. Den beiden ist wichtig, dass ihre Geschichte keine von Gut gegen Böse ist. Sondern eine von einer besonderen Suche – mit, so viel darf verraten werden, glücklichem Ende.

Es ist eine Geschichte, wie sie sich auf dem überhitzten Düsseldorfer Wohnungsmarkt häufig abspielt. Die Stadt zieht viele Menschen an, Wohnraum ist knapp und teuer. Im vergangenen Jahr kostete eine 60 Quadratmeter große Wohnung in Düsseldorf einer Erhebung des Onlineportals Immoscout24 zufolge im Schnitt 11,24 Euro pro Quadratmeter – 2011 waren es noch 8,77 Euro. Selbst viele Durchschnittsverdiener können sich das kaum noch leisten.

Gegen die Misere hilft nur, massiv in neuen und günstigen Wohnraum zu investieren, da sind sich die Experten einig. Die Stadt hat ein Konzept für mehr günstigen Wohnraum aufgelegt und verschärft dies zum kommenden Jahr noch einmal. Doch all das dauert – und hilft Menschen wie den Buddés kaum weiter. Das Paar wollte so schnell wie möglich etwas Neues finden, und das am liebsten in Gerresheim.

Seit 52 Jahren leben die beiden schon hier – ebenso lange, wie sie verheiratet sind. Sie ist im Viertel großgeworden, schon die Großeltern lebten in Gerresheim, er kommt gebürtig aus Heerdt. Aus Düsseldorf wegzugehen, kam nicht in Frage. Hätten sie in Gerresheim nichts gefunden, wäre es vielleicht Kaiserswerth geworden oder Angermund. Aber zuerst wollten sie es in ihrem Viertel probieren, da, wo sie jede Straße, jede Ecke kennen – und wo man auch sie kennt.

Die Buddés fragten bei Dutzenden Maklern an. Doch die Antwort war meist dieselbe: Das suchen doch alle, da gibt es nichts, da müssen Sie Geduld mitbringen. Doch die hatten sie nicht. Sie schalteten eine Anzeige  in der Zeitung, verbreiteten die Nachricht im Freundes- und Bekanntenkreis. Ohne Erfolg. Dann war ihnen klar: Es braucht eine Aktion, etwas, das Aufmerksamkeit erregt. Also setzte sich Helga Buddé hin und tippte einen kurzen Text. „Als alte Gerresheimer“ suchten sie eine neue Bleibe im oberen Teil des Stadtteils, drei bis vier Zimmer, mit Balkon oder Terrasse – das sei ihr Traum, heißt es darin. Und: Sie suchten schweren Herzens, aber voller Hoffnung.

 Mit diesem Aushang suchten die Buddés nach einer Wohnung.

Mit diesem Aushang suchten die Buddés nach einer Wohnung.

Foto: RP/Marlen Keß

Die Zettel verteilten sie in der Nachbarschaft, klebten sie bei der Bäckerei und kleinen Läden ins Schaufenster. Man kennt diese Zettel, oft kleben sie an Laternenmasten, manchmal sind sie mit Kinderzeichnungen verziert. Und eigentlich immer sind sie anonym gehalten, die Blöße, auf Suche zu sein, will sich kaum jemand geben. Anders die Buddés: Neben einem Foto der beiden waren ihre vollen Namen zu lesen, dazu eine Telefonnummer. Ein bisschen peinlich sei ihnen das schon gewesen, sagt Helga Buddé, „aber es hilft ja nichts.“ Vielleicht lag es an ihrer Offenheit, an ihren ehrlichen Worten, vielleicht hatten sie auch einfach Glück, aber schon nach wenigen Tagen kamen die ersten Rückmeldungen. Insgesamt acht Wohnungen wurden dem Paar angeboten, eine davon nahmen sie. Eine Streifen-Polizistin hatte die Aushänge gesehen und einen ihr bekannten Hausverwalter kontaktiert, der sich bei Buddés meldete. Die Wohnung ist größer und auch teurer als ihre alte, sie hat keinen Garten, dafür einen großen Balkon.

Nur fünf Monate nach der Kündigung zogen sie ein. Einige Tränen haben sie dabei schon vergossen, besonders die vertraute Nachbarschaft fehlt ihnen bis heute. Doch in ihrer neuen Wohnung fühlen sie sich wohl, die neuen Nachbarn seien nett, sagen sie, „und wir genießen es hier, zu sein.“ Bis es sich wie Zuhause anfühlt, wird es vielleicht noch ein bisschen dauern, aber die Buddés haben es geschafft. Und sie sind glücklich. Die Wohnung ist fast genauso eingerichtet wie die alte, die gleichen Wandfarben, die gleichen Möbel. Helga Buddé ist gelernte Schaufensterdekorateurin, beide haben ein Faible für Antiquitäten und Dekoration. Bald will Rolf Buddé die Weihnachtsbeleuchtung am Balkon und an den Fenstern anbringen. Nur ihren Stellplatz nahe der alten Wohnung haben sie behalten. Es sind ja nur 450 Schritte.

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