So wohnt Düsseldorf Eine Zukunft für Gutshof Niederheid

Christina Tschorn lebt mit ihrer Familie auf dem Kinderbauernhof Niederheid. Das Gut ist baufällig. Aber wegziehen? Auf keinen Fall. Die Stadt bestätigt Verhandlungen mit einem Investor.

Der Gutshof Niederheid in Düsseldorf
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Das Leben ist kein Ponyhof? Von wegen. Für Christina Tschorn und ihre Familie kreist der ganze Alltag um ihren Hof, die Pferde und um die Kinder, die kommen, um die Tiere zu sehen, zu streicheln, zu füttern. Leicht ist dieses Leben sicher nicht immer, zumal der alte Gutshof Niederheid in Holthausen schon bessere Tage erlebt hat, und die Familie mit drei Kindern gerade mal auf 75 Quadratmetern wohnt. Aber die 34-Jährige würde ihr Reich nicht eintauschen wollen, nicht gegen die komfortabelste Eigentumswohnung irgendwo in der Stadt. Sowas nennt man wohl Bestimmung.

"Mama ist Bäuerin", sagt die vierjährige Tochter Emilia. Kein Zweifel, wenn man ihre Mama so sieht, wie sie in Gummistiefeln durch den Matsch läuft, vor sich eine Schubkarre mit Mist. Aber eigentlich ist Christina Tschorn Sonderpädagogin. Beide Neigungen kann sie in ihrem Alltag vereinen. Vor acht Jahren übernahm sie den Kinderbauernhof, ahnte damals nicht wirklich, was da auf sie zukommt, wie viel Arbeit, wie viel Verantwortung. "Aber, wenn man jung ist, dann macht man einfach", sagt sie lachend.

Und spürt doch jeden Tag, dass es die richtige Entscheidung war. Na ja, vielleicht mit Ausnahme der Frosttage im Februar, als sie die Leitungen sperren und das Wasser mit Kannen zu den Tieren schleppen mussten. Mit ein bisschen Abstand wirkt der Hof mitten im Freizeitpark durchaus imposant - ein flacher, weitläufiger Gebäudekomplex aus Wohnhäusern und Stallungen, ehemals weißen Fassaden und Fachwerk. Schon seit über 40 Jahren wird das Gut, das als Denkmal geschützt ist, als Kinderbauernhof genutzt. Und es ist kein Witz, dass die Jungen und Mädchen, die nachmittags zum Reiten oder auch zum Mithelfen kommen, gelegentlich fragen, wie denn die Eier aus dem Supermarkt in den Stall kommen.

Der Hof ist städtischer Besitz, und lange Zeit waren die drohenden Renovierungskosten größer als der Wille, das Gebäudeensemble zu unterhalten. Nun ist ein Trakt so baufällig, dass er gar nicht mehr genutzt werden darf. Auch der Teil, den die Familie Tschorn bewohnt, ist teilweise unbewohnbar wegen Feuchtigkeit. Also bleibt auf zwei Etagen nur Platz für drei kleine Schlafzimmer, ein Bad und eine Wohnküche, ein gemütlicher Ort fürs Alltagsleben. "Aber wir sind ja eh eigentlich immer draußen," meint Christina Tschorn. Denn "draußen" wartet eine Menge Arbeit: Da müssen Pferde und Ponys versorgt werden, zwei rehbraune Rinder, Hühner, die nachmittags auf dem Hof herumpicken (morgens darf der Hund raus), Kaninchen und die Ziegen Luna und Finchen.

Die hat Christina Tschorn einst mit der Flasche großgezogen - im Zwei-Stunden-Rhythmus, auch nachts. Heute eilen sie sofort herbei, wenn sie die "Chefin" sehen. "Ich bedeute: Es gibt Futter." Den Kindern, die nachmittags kommen, ob zum Reiten, um Kindergeburtstage zu feiern, "oder einfach nur so", denen will sie Respekt beibringen. "Die lernen hier, dass Tiere versorgt werden müssen, bevor man auf ihnen reiten darf." Mit Freude erlebt die Pädagogin in ihr dann, was regelmäßig passiert, auch mit Kindern, die als schwierig gelten: "Sie haben ein echtes Erfolgserlebnis, wenn sie auf dem Rücken eines Pferdes sitzen. Und oben bleiben."

Am Abend nach einer letzten Runde durch die Ställe, wenn Ruhe einkehrt (und nicht gerade ein Pferd krank ist, "was gern Sonntagabends geschieht"), dann macht sich Christina Tschorn an den Schreibkram: Mails lesen, Anfragen beantworten, Kindergeburtstage planen, Abrechnungen erledigen.

Wann hat sie zum letzten Mal Urlaub gemacht? "2014 gerade mal fünf Tage Hochzeitsreise nach Sardinien." Sie sieht nicht so aus, als würde sie Reisen besonders vermissen. Zu ihrer Hochzeit hatte sie von ihrer Großmutter eine Einbauküche geschenkt bekommen. Die steht immer noch verpackt irgendwo. "Weil wir immer gesagt haben: Die Küche benutzen wir erst, wenn alles renoviert ist." Aber dazu ist es eben nie gekommen. Vor zwei Jahren hieß es, der Hof würde verkauft, das Kinderparadies geschlossen. Die Nachricht provozierte Unterschriftenlisten und Elternprotest.

Aber inzwischen scheint sich alles zum Guten zu wenden. Die Stadt bestätigt, dass sie zurzeit mit einem Investor verhandelt, der dort einen Reiterhof betreiben will. Auflage: Der Kinderbauernhof und das therapeutische Reiten müssen eine Zukunft haben. Noch in diesem Monat sollen die Gespräche fortgesetzt werden. Christina Tschorn hofft, mit ihrer Familie bleiben zu können - und endlich Großmutters Küche auszupacken. Klingt nach Happy-End.

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