Krise der katholischen Kirche in Düsseldorf „Wir haben den Glauben nicht verloren“

Düsseldorf · Oliver und Alexandra Stoffels aus Düsselorf engagieren sich in der katholischen Kirche. Die Missbrauchsfälle haben auch die beiden erschüttert. Warum ein Austritt für sie trotzdem nicht in Frage kommt.

Engagieren sich in Himmelgeist im „Team Nikolaus“: Alexandra und Oliver Stoffels. Sohn Tobias ist sieben Monate alt und wurde vor Kurzem getauft.

Engagieren sich in Himmelgeist im „Team Nikolaus“: Alexandra und Oliver Stoffels. Sohn Tobias ist sieben Monate alt und wurde vor Kurzem getauft.

Foto: Anne Orthen (orth)

Oliver Stoffels muss nicht lange über eine Antwort nachdenken, wenn man ihn nach den Folgen der Kirchenkrise fragt. „Für eine Messe am Samstagabend konnte man noch vor wenigen Jahren auf ein 30-köpfiges Messdiener-Team zurückgreifen. Inzwischen haben wir Gottesdienste, in denen kein Heranwachsender mehr dem Priester assistiert – meist springt dann der Küster ein“, sagt der Katholik.

Jahrelang war der 29-Jährige selbst Leiter der Messdiener-Arbeit, erstellte Pläne und kümmerte sich um den Nachwuchs. „Mit 14 oder 15 fing das an, dann habe ich es nach einer Pause nochmal zwischen 2016 und 2021 gemacht“, sagt der Himmelgeister. Doch als er aus familiären und beruflichen Gründen im vergangenen Jahr die Aufgabe abgab, fand sich kein Nachfolger. „Das ist traurig, aber im Moment erleben wir eine Durststrecke, weil hier vor Ort zwischen den Ältesten und den Jüngsten, die kirchlich aktiv sind, eine große Lücke klafft“, sagt er.

„Vor Ort“, das ist für Oliver und Alexandra Stoffels (31) und ihren sieben Monate alten Sohn Tobias die Himmelgeister Nikolaus-Kirche, die zum Seelsorgebereich Rheinbogen gehört. Hier engagieren sich die beiden im „Team Nikolaus“. Sie machen mit, haben sich in den Pfarrgemeinderat wählen lassen und gehören auch zum Besucherteam. „Ab dem 80. Lebensjahr besuchen wir alle Gemeindemitglieder an ihrem Geburtstag und überreichen ein kleines Präsent. Die Botschaft lautet: Wir denken an dich, sind für dich da, wenn du uns brauchst“, sagt Alexandra Stoffels. Die Freude der Senioren über die Besuche berührt das Herz der jungen Mutter.

Für die gebürtige Bonnerin, die nach ihrer Firmung vorübergehend den Kontakt zur Kirche verloren hatte, sind es genau solche Momente, die sie motivieren, in der Kirche zu bleiben. „Christsein heißt ja, sich zu kümmern, nicht nur an sich zu denken, sondern Gemeinschaft zu ermöglichen“, sagt die 31-Jährige. Das sieht ihr Mann, der sich um das IT-Consulting und den Web-Support bei einem großen Versicherungskonzern kümmert, genauso. „Als mein Opa vor vier Jahren im Sterben lag, haben wir den damaligen Pfarrer angerufen, er hat viele Stunden bei uns verbracht. Das war ein enormer Trost“, sagt er.

Dass sie in ihrer Generation fast schon eine Ausnahme sind, wissen die beiden Himmelgeister. „Für immer mehr Menschen spielen Kirche und christlicher Glaube keine Rolle mehr. Diese Entwicklung hat schon lange vor der Debatte um den Missbrauchsskandal begonnen“, sagt Alexandra Stoffels, die als Studienberaterin am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Bilk arbeitet. Allerdings habe die unzureichende Aufarbeitung der Fälle die Distanzierung noch einmal beschleunigt, etwa nach dem Motto: Der Glaube ist nicht schlecht, aber bitte nicht mit diesem Bodenpersonal.

Ins Grübeln gekommen sind auch die beiden Himmelgeister. So sei der Zeitpunkt für den Rücktritt des Kölner Kardinals „längst überfällig“. „Es gab keine vernünftige Aufklärungsarbeit“, sagt Oliver Stoffels. Inzwischen schaue er gar nicht mehr nach Köln. „Für meinen Glauben ist nicht wichtig, was in Köln gedacht oder gesagt wird, sondern das, was hier im Rheinbogen passiert“, ergänzt er. Auch die Debatte um strukturelle Reformen in der Gesamtkirche steht für die beiden Katholiken nicht im Vordergrund. „Sollten Frauen eines Tages Priesterinnen werden, könnte ich damit umgehen, aber es bereitet mir kein Kopfzerbrechen, dass es im Moment noch nicht so ist“, sagt die Himmelgeisterin.

Haben beide auch über einen Austritt nachgedacht? „Natürlich hat uns das alles erschüttert“, sagt Alexandra Stoffels, aber man könne nicht alle in Haftung nehmen für die schlimmen Verbrechen und Verfehlungen einiger. „Wir haben hier enorm motivierte Seelsorger erlebt, die sich total reinhängen und Menschen helfen, besser im Leben klar zu kommen“, sagt sie. Doch den jungen Eltern geht es nicht nur um soziales Engagement. „Als Christen glauben wir, dass mit dem Tod nicht alles vorüber ist. Dass unser Leben weitergeht, dass wir bei Gott sein werden. Wenn das in unserem Denken keine Rolle mehr spielen würde, wären wir auch nicht mehr in der Kirche“, meint Oliver Stoffels, der sicher ist, dass sein Großvater „immer noch auf die Familie schaut und nach wie vor bei uns ist“.

Davon, dass es gelingen kann, Glauben und Gemeinde neu zu beleben, ist das Ehepaar überzeugt. Gemeinsam mit Pastoralreferent Martin Kürble und weiteren Engagierten suchen sie dabei nach neuen, zeitgemäßen Wegen. Die Idee: Wer die Verpflichtung zu einer jahrelangen Mitarbeit in Gremien scheut, kann sich stattdessen spontan und flexibel einbringen, seinen Neigungen und seinem Zeitbudget entsprechend. Ermöglichen soll das ein neuer vom „Team Nikolaus“ koordinierter Helferpool. „Wir wollen neu anfangen und hoffen, dafür möglichst viele Verbündete in Himmelgeist zu finden“, sagt Oliver Stoffels.

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