Interview mit Jessica Breitkopf Mit Partnerstädten schaut man in eine andere Lebenswelt

Düsseldorf · Die Leiterin des Büros für Internationale Angelegenheiten spricht über die Notwendigkeit von Städtepartnerschaften und sagt, was man von Palermo lernen kann. Gegensätze, sagt sie, ziehen sich manchmal auch bei Städten an.

 Wir trafen Jessica Breitkopf im Café Europa am Marktplatz, wo es bis Freitag  die Postkartenausstellung „To Düsseldorf with love“ gab.

Wir trafen Jessica Breitkopf im Café Europa am Marktplatz, wo es bis Freitag  die Postkartenausstellung „To Düsseldorf with love“ gab.

Foto: Anne Orthen (ort)

Gleich drei 30. Geburtstage von Städtepartnerschaften konnte Düsseldorf in den letzten Wochen feierlich begehen: Offiziell besiegelt wurden 1988 die Bande mit der britischen Stadt Reading, der israelischen Stadt Haifa sowie mit Chemnitz. Weitere Partnerschaften gibt es seit 1989 mit Warschau, seit 1992 mit Moskau und seit 2004 mit dem chinesischen Chonqing. Zuletzt kam im März 2016 das sizilianische Palermo dazu. Die Leiterin des Büros für Internationale Angelegenheiten, Jessica Breitkopf, sieht nach wie vor in solchen Beziehungen einen großen Nutzen für die Stadt und die Düsseldorfer.

Frau Breitkopf, wir leben in einer globalisierten Welt, die Menschen können selbst überall hinreisen. Brauchen wir überhaupt noch aufwendige Städtepartnerschaften?

Jessica Breitkopf Ein klares Ja! Städtepartnerschaften sind das Instrument der Kommunen, um Außenpolitik zu machen, sich international zu vernetzen und den Bürgern einen Austausch zu ermöglichen. Wir bezeichnen sie oft als „Diplomatie von unten“ neben der eigentlichen Diplomatie des Auswärtigen Amtes. Gerade in den Zeiten eines aufkommenden Nationalismus, und wenn es zwischen den Staaten mal schwieriger wird, kann man auf dieser Ebene weiter im Gespräch bleiben. Das sieht man aktuell auch an den Partnerschaften mit Moskau oder Warschau, die ungebrochen gut funktionieren. Es ist eben viel mehr als ein Urlaub: Man schaut in eine andere Lebenswelt.

Ist der Eindruck richtig, dass die meisten Partnerschaften eher auf einer weichen, kulturellen Ebene beginnen?

Breitkopf Die Grundlage solcher Beziehungen ist nun einmal oft ein persönlicher Austausch und das Interesse an der anderen Kultur. Aus zwischenmenschlichem Vertrauen kann dann viel mehr wachsen, natürlich auch im Bereich von Wirtschaft und Verwaltung.

Die Stadtkasse war schon mal praller gefüllt. Was kosten uns denn unsere Städte-Partner?

Breitkopf Die reinen Sachkosten liegen bei 140.000 Euro. Davon finanzieren wir jährlich um die 40 Zuschüsse an Vereine, Schulen, Studis, Kirchengemeinden und viele andere, die einen Austausch mit einer Partnerstadt durchführen. Damit organisieren wir auch einige Veranstaltungen in Düsseldorf. Ganz frisch in Erinnerung sind das Jubiläumswochenende mit den drei Partnerstädten Chemnitz, Haifa und Reading oder das Reading Weekend 2017. Ein weiterer Teil des Budgets wird für die Reisen in die Partnerstädte verwendet.

Welche Partnerschaft ist für Düsseldorf die wichtigste?

Breitkopf Es ist ein bisschen die Frage, wie man es bewertet. Traditionell ist die Partnerschaft mit Moskau stark und vielseitig. Seit den 60er Jahren ist die Messe aktiv dabei, die Wirtschaftsförderung pflegt einen Austausch zur Kreativwirtschaft, auch die Verwaltungen sprechen viel – im vergangenen Jahr beispielsweise zu Verkehr und Stadtbegrünung. Für die Kultur, von Oper bis Hetjens-Museum, ist die Partnerschaft wichtig. Sehr dynamisch entwickelt sich auch die Beziehung mit Palermo. Das neue Wim-Wenders-Gymnasium organisiert bereits einen ersten Schulaustausch mit einer Partnerschule in Palermo. Am 22. September präsentiert sich Düsseldorf bei der Kunst-Biennale „Manifesta 12“ in Palermo. Da sind wir die einzige Stadt, die sich präsentieren darf.

Viele hat es 2016 gewundert, dass das als reich und ein bisschen schick geltende Düsseldorf sich mit Palermo zusammentat – ein Kollege schrieb in der „FAZ“ mal von der „angeschlagenen, halbversunkenen Grande Dame Siziliens“. Wie passt das?

Breitkopf Das ist doch eigentlich immer eine Frage in Beziehungen, warum sich dieses oder jenes Paar zusammentut. Manchmal ziehen sich Gegensätze an, und man kann dann voneinander lernen. Und als angeschlagen kann man Palermo nun auch nicht bezeichnen: Palermo ist eine Stadt der Kunst und Kultur, ein Hotspot für Touristen. Viele Deutsche lieben ja auch das lebendigere Wesen der Italiener, von dem man sich etwas abschauen kann.

Gibt es denn ein Beispiel, was Düsseldorf konkret von Palermo abschauen kann?

Breitkopf Die Verwaltungen verstehen sich gut, auch die beiden Oberbürgermeister können gut miteinander reden. Leoluca Orlando macht für Europa in Palermo vor, wie man mit Geflüchteten umgeht und sie auch vor Ort in die Stadtgesellschaft integriert. Sich das anzuschauen, bringt einen großen Erkenntnisgewinn.

Trotzdem wäre es vielleicht doch auch wertvoll, mit gut funktionierenden Vorbild-Städten etwa in Skandinavien zu arbeiten. Warum streben wir keine Partnerschaft mit Oslo oder Kopenhagen an?

Breitkopf Es gibt auch einen Trend zur Zusammenarbeit in Netzwerken wie etwa Eurocities. Da treffen sich die größten Städte Europas und kooperieren auch bilateral zu Themen wie Umwelt und Gesundheit. Natürlich bekommen wir auch Anfragen zu allen möglichen Städte-Kooperationen, die wir dann prüfen.

Welches war die exotischste?

Breitkopf Ich erinnere mich an eine besonders lustige: Eine Dame hat uns angeschrieben und vorgeschlagen, dass wir eine Partnerschaft mit einer amerikanischen Kleinstadt aufnehmen. Die Begründung war, dass sie dort eine nette Tante hatte. Das wurde natürlich nichts, aber wir haben sehr freundlich zurückgeschrieben.

Trotz seiner großen japanischen Gemeinde hat Düsseldorf in dem Land noch keine Partnerstadt...

Breitkopf Es gibt aber eine sehr enge Städtefreundschaft mit Chiba, die wir sehr pflegen. Natürlich könnte man das irgendwann auch einmal formal zur Partnerschaft machen. Gelebt wird es eh bereits so.

Vor einiger Zeit haben wir, wenn auch nicht repräsentativ, die Düsseldorfer gefragt, welche Partnerstädte sie kennen. Die Ergebnisse waren dünn. Müssen Sie mehr für die Bekanntheit der Partner tun?

Breitkopf Ich würde das gar nicht so kritisch sehen. In einer kleinen Stadt wie Kaarst kennt jeder die Partnerstadt La Madeleine, klar. In Düsseldorf leben dagegen viele, die erst später aus beruflichen Gründen zugezogen sind und andere Themen haben. Wer etwa hier zur Schule gegangen ist, ist oft viel vertrauter damit. Wir bemühen uns aber natürlich immer, die Partnerstädte bekannter zu machen, und sehen am gestiegenen Interesse an den Zuschüssen, dass das auch gelingt. Und einige Pendler kommen ja jeden Tag an den Schildern vorbei, die wir im vergangenen Jahr erneuert haben.

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