Polizeipräsident Schenkelberg im Interview Düsseldorf, Stadt der Diebe

Düsseldorf · Polizeipräsident Herbert Schenkelberg nennt es im Interview mit unserer Redaktion die "Kehrseite von Boomtown": Immer mehr Einbrecher und Diebesbanden kommen in die Landeshauptstadt, weil sie hier mit hoher Beute rechnen können. Vielfach sei Kriminalität aber auch ein Indikator für soziale Probleme.

 Polizeipräsident Herbert Schenkelberg.

Polizeipräsident Herbert Schenkelberg.

Foto: RP, Werner Gabriel

2010 hat die Düsseldorfer Polizei erstmals weniger Personal bekommen, als sie im vergangenen Jahr verloren hat. Die Neuen sind jetzt drei Wochen da - haben sich Lücken aufgetan?

Schenkelberg Wir haben die neuen Kollegen so verteilt, dass alle Organisationseinheiten bestehen bleiben. Die Sicherheit ist also gewährleistet. Insbesondere für kritische Bereiche wie die Altstadt, Fußball- und Demonstrationseinsätze hat das Land Unterstützung zugesagt.

Nun haben auch 140 Bachelor-Studenten ihre Ausbildung begonnen, die im Präsidium betreut werden. Haben die "alten Hasen" dazu noch Zeit?

Schenkelberg Die Arbeitsverdichtung nimmt überall zu, also auch bei den Ausbildern. Die 140 sind schon der dritte Bachelor-Jahrgang, die Ausbildungslast ist erheblich. Es ist aber sehr wichtig, dass die künftigen Kollegen mit hohem Praxisanteil ausgebildet werden.

Sie haben gesagt, das Jahr 2009 sei schwierig gewesen. Wird Ihre Bilanz 2010 ähnlich ausfallen?

Schenkelberg Leichter ist es nicht. Im Bereich der Autoaufbrüche schreiben wir zwar unsere Erfolgsgeschichte fort. In anderen Bereichen gibt es aber enorme Anstiege der Fallzahlen, wie bei Wohnungseinbruch und Taschendiebstahl.

Beim Wohnungseinbruch waren die Zahlen schon mal deutlich besser.

Schenkelberg Ja. 2009 sind sie erstmals seit Jahren wieder gestiegen. Dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Aber auch die Zahl gescheiterter Versuche steigt, woran wir sehen, dass sich die Präventionsarbeit lohnt.

Ein Rekordtief hat die Polizei voriges Jahr auch bei den Taschendiebstählen vermeldet - das scheint vorbei zu sein.

Schenkelberg Wir haben es offensichtlich mit Profis zu tun, die Düsseldorf als attraktive Stadt erkannt haben: Hier ist die Beuteerwartung hoch, und es gibt viele Großveranstaltungen. Das ist die Kehrseite von Boomtown. Wir reagieren, indem wir unsere Präsenz, sichtbar und verdeckt, verstärken. Aber wir müssen auch mehr aufklären. Deshalb haben wir bereits Kontakt mit dem Kriminalpräventiven Rat aufgenommen.

Die jüngsten Festnahmen von Einbrecherbanden lassen ein bisschen den Eindruck entstehen, Einbruch sei ein Migranten-Delikt.

Schenkelberg Die Aufklärungsquote ist leider ziemlich bescheiden und entsprechend begrenzt ist unser Einblick in die Täterstrukturen. Fest steht, dass viele Einbrecher nicht in Deutschland wohnen, sondern sich nur kurze Zeit hier aufhalten. Im Übrigen erfassen wir aber auch gar nicht systematisch, ob ein Täter Migrationshintergrund hat. Kriminalität ist nicht per se ein Phänomen der Migration, sondern vielmehr Indikator für andere Probleme, insbesondere soziale.

Was uns zum Thema Jugendkriminalität bringt, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder mit dem Thema Migration in Verbindung gebracht wird.

Schenkelberg Mal abgesehen davon, dass unter den jugendlichen Intensivtätern sehr viele Deutsche sind: Mir ist völlig egal, welchen Pass erziehungsunfähige Eltern haben. Jugendliche, die die Ansprüche unserer Leistungsgesellschaft nicht erfüllen, sei es durch mangelnde Bildung, Erziehung oder Sprachkenntnisse, gelten als Verlierer, und sie fühlen sich auch selbst so. Wenn sie das Signal spüren, sie seien nicht gewollt und würden nicht gebraucht, entwickeln sie Aggressionen gegen die Gesellschaft. Außerdem solidarisieren sie sich, so dass Gruppen entstehen, die wiederum als Bedrohung empfunden werden.

Das klingt nicht wirklich nach einer Aufgabe für die Polizei.

Schenkelberg Es ist nun einmal so, dass diejenigen, die mit kriminellen Jugendlichen als Erste zu tun haben und am nächsten an ihnen dran sind, die Polizeibeamten sind. Aber die Polizei kann dieses komplexe Problem nicht alleine lösen. Deshalb haben wir ein vorbildliches Netzwerk, in dem Jugend- und Sozialamt, Justiz und Polizei gemeinsam daran arbeiten, auszugleichen, was sie an Defiziten vermuten.

Also leisten die Jugendsachbearbeiter da auch ein Stück Sozialarbeit?

Schenkelberg Wir sind immer da gefordert, wo Fehlentwicklungen bei Erziehung, Ausbildung oder Integration zu Kriminalität führen. Und wir reagieren darauf gezielt und ganz individuell. Es gibt Fälle, in denen letztlich nur die Haft bleibt. Aber es gibt auch Fälle, wo Hilfe oder Unterstützung angesagt ist.

Im Juni hat der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes einen Wettbewerb für die Sanierung des Präsidiums ausgeschrieben. Darüber ist schon oft geredet worden. Glauben Sie, Sie werden den Umbau noch im Amt erleben?

Schenkelberg Ganz sicher. Es wird so kommen, dass ich zum zweiten Mal einen Umbau bei laufendem Betrieb ertragen muss und dann gehe. Als das Essener Präsidium fertig war, bin ich nach Düsseldorf gekommen, wenn es hier so weit ist, gehe ich in den Ruhestand.

Sie sind ja sehr zuversichtlich.

Schenkelberg Ich habe noch sieben Jahre - bis dahin ist der Umbau verwirklicht. Im Dezember tagt schon das Preisgericht für den Wettbewerb, dann beginnt die Planung, und dann geht's los, erst mit der Tiefgarage, im zweiten Abschnitt mit dem Anbau, und wenn der fertig ist, wird der Altbau saniert.

Und wie soll das funktionieren?

Schenkelberg Davor ist mir auch ein wenig bange, ich weiß, was so ein Projekt während des Betriebs bedeutet. Das verlangt allen viel ab, aber es wird sich lohnen.

Wäre ein Neubau nicht besser gewesen?

Schenkelberg Nervenschonender sicher. Aber der Standort am Jürgensplatz ist bürgernah und historisch bedeutsam. Diese Geschichte hinter sich zu lassen, hielte ich für falsch. Es gibt keinen besseren als diesen gewachsenen Standort im Herzen von Düsseldorf und dem Regierungsviertel.

S. Geilhausen führte das Interview

(RP)
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