Gefährdete Kinder in Düsseldorf Sorge um mehr misshandelte Kinder wegen Corona

Düsseldorf · Am Evangelischen Krankenhaus und in der Kinderschutzambulanz befürchtet man eine hohe Dunkelziffer. Viele Verletzungen würden jetzt nicht auffallen, weil Kinder seltener zum Arzt gebracht werden würden.

 Experten sorgen sich um das Wohl von Kinder in der Pandemie (Symbolbild)

Experten sorgen sich um das Wohl von Kinder in der Pandemie (Symbolbild)

Foto: dpa/Nicolas Armer

Es gibt Sorgen, die begründet sein können, auch wenn man sie (noch) nicht mit Zahlen belegen kann. Die um mehr Fälle von Kindesmisshandlungen in der Corona-Krise ist so eine. Im stationären Bereich an der Klinik für Kinder und Jugendliche am Evangelischen Krankenhaus (EVK) habe man zwar bisher keine Auffälligkeiten festgestellt, sagt Chefärztin Monika Gappa. So äußert sich auch das Florence-Nightingale-Krankenhaus auf Anfrage unserer Redaktion. Doch das Problem aus kinderärztlicher Sicht sei es, dass vieles jetzt „im Verborgenen läuft, auch weil die sonst üblichen Arzttermine bei den niedergelassenen Kinderärzten wegen eher banaler Infekte ausfallen und Verletzungen nicht mehr zufällig bei dieser Gelegenheit gesehen werden“, meint Monika Gappa.

Eine Befürchtung, die man in der Kinderschutzambulanz, die zum Kindernetzwerk des EVK gehört, teilt. „Auch ich habe die Sorge, dass Verletzungen im Moment weniger auffallen, weil die betroffenen Familien seltener beim Kinderarzt sind oder beispielsweise keinen Kontakt mehr zum Vertrauenslehrer haben“, sagt Leiterin Gabriele Komesker. Bei manchen Diagnostik-Terminen erzählten Kinder oder Eltern aber durchaus, „dass sie die aktuelle Lage als sehr angespannt erleben und dass es deswegen auch häufiger als sonst zu Gewalt gegen Kinder kommt“. Davon seien insbesondere Familien betroffen, „in denen Eltern bei Überforderung körperlich gewalttätig werden und die deshalb zum Beispiel ambulante Jugendhilfe oder Erziehungsberatung zum Erlernen von alternativen Lösungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen.“ Andere Familien schafften es dagegen, die Pandemie für mehr Familienzeit zu nutzen, rückten trotz räumlicher Enge emotional näher zusammen.

Die Uniklinik mit Kinderklinik und Gewaltopferambulanz/Rechtsmedizin will sich zu einer möglichen Zunahme von behandelten Fällen (noch) nicht äußern. Damit befasse man sich zurzeit wissenschaftlich, so ein Kliniksprecher. Man wolle erst die Ergebnisse abwarten, um sich fundiert und dann auch anhand der Datenlage äußern zu können.

In der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschuss schloss auch Jugendamtsleiter Johannes Horn nicht aus, dass die Zahl der Kindeswohlgefährdungen unter dem Druck der Corona-Krise gestiegen ist. „Über signifikante Daten, die das dokumentieren, verfügen wir bislang zwar nicht. Aber es kann hier eine Dunkelziffer geben, die mit der aktuellen Situation zu tun hat“, sagte er am Dienstag.

Um Kinder besser vor Gewalt und Vernachlässigung zu schützen, setzen sich Hermann Josef Kahl, Obmann der Düsseldorfer Kinder- und Jugendärzte, und Wilfried Kratzsch, ehemaliger leitender Oberarzt am kinderneurologischen Zentrum der Sana-Kliniken in Gerresheim sowie aktuell Vorstandsvorsitzender der „StiftungDeutsches Forum Kinderzukunft“, für eine Düsseldorfer Hotline für überforderte Eltern ein. Mitarbeiter der Hotline sollen ihnen Tipps geben und Anlaufstellen aufzeigen, um Hilfe für sich und damit für die ganze Familie einzuholen. Und das eben auch abends oder nachts, dann wenn die Situationen in der Regel am häufigsten eskalierten wegen Überforderung. Andere Städte hätten mit solch einer Hotline bereits gute Erfahrungen gemacht, so Kahl.

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