Herzenswusch im Alter Dieser Düsseldorfer wünscht sich zu seinem 100. Geburtstag einen Fallschirmsprung

Düsseldorf · Der 99-Jährige, der aus dem Flugzeug steigt und mit dem Fallschirm abspringt – Herbert Spillers Plan klingt wie der Titel eines schwedischen Romans. Der Senior aus Kaiserswerth will sich einen letzten großen Wunsch erfüllen.

 Schon zu seinem 95. Geburtstag ist Herber Spiller schon mal mit dem Fallschirm abgesprungen. Das Gefühl von Freiheit will er jetzt, mit fast 100, wieder erleben.

Schon zu seinem 95. Geburtstag ist Herber Spiller schon mal mit dem Fallschirm abgesprungen. Das Gefühl von Freiheit will er jetzt, mit fast 100, wieder erleben.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Herbert Spiller hat bald Geburtstag, und eigentlich hat er nur einen Wunsch: Er möchte mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug springen. Vor fünf Jahren hat er sich selbst genau dieses Geschenk schon einmal gemacht, und jetzt will er es wiederholen. Von einem anderen Geburtstag stammt die bunte Grußkarte, die auf seinem Tisch liegt. Darauf steht, die Zahlen mit Blumen geschmückt, sein Geburtsjahr: 1919.

Herbert Spiller ist 99 Jahre alt, am 18. Mai wird er 100. Seit einem dreiviertel Jahr lebt er in im Seniorenheim Stammhaus in Kaiserswerth. Er hört nicht mehr gut und die meiste Zeit sitzt er im Rollstuhl. Seine Füße machen Probleme. Aber ruhig zu bleiben fällt ihm schwer. Ständig rollte er vor und zurück, als wolle er losfahren. Irgendwo hin.

Irgendwo hin ist Herbert Spiller in seinem Leben oft gefahren. Geboren im oberschlesischen Kattowitz machte er eine Lehre zum Friseur, bevor er sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig bei den Fallschirmjägern meldete. „Damals wollte jeder Junge Soldat werden, die Kasernen waren voll“, erzählt er heute. Also wurde Spiller erstmal zur Reserve geschickt. Dort wurde er ausgebildet, aus einem Flugzeug über feindlichem Territorium abzuspringen. Acht Übungssprünge absolvierte er. Zum Einsatz im Krieg kam es für Herbert Spiller aber nicht. Den Abflug seiner Einheit nach Afrika verpasste er wegen Krankheit, die Versetzung nach Russland, weil ihn der Feldarzt zu seinem Helfer bestellte. „Heute bin ich froh, dass sich mein Wunsch, zu kämpfen, nicht erfüllt hat. Wer weiß, ob ich da raus gekommen wäre“, reflektiert er wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag. Bei Kriegsende saß er in Brixen als Helfer im Lazarett fest, ihm und seinen Kameraden drohte die amerikanische Gefangenschaft. Spiller entging dem, indem er, nachts und allein, über die verschneiten Alpenpässe Italien verließ.

Nach dem Krieg arbeitete Spiller zunächst als Bäcker, bevor er wieder seinen gelernten Beruf – Friseur – ergriff, später arbeitete er als Laborant. Er heiratete, bekam drei Kinder, lebte in Braunschweig, Goslar und Hannover. Kurz vor seiner Rente starb Spillers Frau. Seine Schwägerin, die mit ihrem Mann in Düsseldorf lebte, nahm ihn mit auf Reisen, auf einer davon lernte er eine ebenfalls verwitwete Freundin dieser Schwägerin kennen, sie verliebten sich ineinander und Spiller zog nach Düsseldorf. Seinen Ruhestand verbrachte er mit Reisen: Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin fuhr er mit dem Wohnmobil durch Kanada, unternahm eine Nil-Kreuzfahrt und fuhr zum Reiten nach Ungarn. In der Dominikanischen Republik fragte er sich, „was die Fische wohl den ganzen Tag so machen“. Damals habe seine Lebensgefährtin ihn für verrückt erklärt, doch Spiller stieg im Alter von 72 Jahren ins karibische Wasser und machte seinen Tauchschein.

„Ich konnte nie ruhig sein, wollte immer etwas Neues erleben“, erzählt der 99-Jährige heute. Er sagt Sätze wie „Wer einmal aufhört, Dinge zu tun, fängt nicht mehr damit an“, oder „Faul sein darf man nicht“. Auch nachdem seine Lebensgefährtin verstorben war, kam Herbert Spiller nicht zur Ruhe: Er ging dreimal in der Woche zum Schwimmen und tanzte Rock´n´Roll. „Ich wusste immer, dass ich die 100 Jahre schaffen werde“, sagt Spiller heute, „Und immer in Bewegung zu sein, hat mir dabei geholfen.“ Dann lacht er verlegen: „Aber ich will nicht angeben.“

Zu seinem 95. Geburtstag erfüllte sich Weydner selbst einen Herzenswunsch: Er wollte noch einmal Fallschirmspringen. Er startete vom Flugplatz in Marl aus und sprang im Tandem mit einem anderen Springer ab. „Das Gefühl werde ich nie vergessen. Es ist Freiheit, die man spürt“, sagt er heute. Und diese Freiheit will er nochmal erleben. Die Heimleitung unterstützt den Senioren dabei: „Wir versuchen aktiv, Lebenswünsche unserer Bewohner zu erfüllen“, sagt Leiter Klaus Patzelt. Das könne mal ein Besuch bei Fortuna sein oder eine letzte Reise in die Heimat. „Vorher muss Herr Spiller von einem Arzt untersucht werden, aber wenn der seine Zustimmung gibt, würden wir seinen Sprung gern organisieren“, sagt Patzelt.

Das hofft auch Spiller. „Ich will diesen Flug durchziehen“, sagt der, „und wenn ich dabei kaputt gehe.“ Und mit seinem Sprung zum 100. Geburtstag soll es nicht vorbei sein: „Zum 105 springe ich dann wieder“, sagt er und man sieht ihm an, dass er fest an seine eigenen Worte glaubt.

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