Wissenschaft in Düsseldorf Alzheimer wegen schlechter Luft

Düsseldorf · Wer an stark befahrenen Straßen wohnt, hat laut einer Studie offenbar ein höheres Risiko, an Demenz zu erkranken. Die Düsseldorfer Biologin Annette Limke gewann für ihre Arbeit einen mit 10.000 Euro dotierten Preis.

 Biologin Annette Limke an ihrem Arbeitsplatz. Die Düsseldorferin wurde mit dem Forschungspreis der AFI ausgezeichnet.   Foto: privat

Biologin Annette Limke an ihrem Arbeitsplatz. Die Düsseldorferin wurde mit dem Forschungspreis der AFI ausgezeichnet. Foto: privat

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Schlechte Luft macht krank. Die Tatsache bekommt in Corona-Zeiten eine neue Aktualität, denn gefährlich ist das Virus vor allem für Menschen mit Vorerkrankungen des Atemwegsystems – ausgelöst auch von Umweltbelastung. Aber hohe Feinstaub-Konzentration in der Luft hat noch weit größeren Einfluss auf die Gesundheit: „Menschen, die in der Nähe viel befahrener Straßen wohnen, haben offenbar ein höheres Risiko, frühzeitig an Alzheimer zu erkranken“, sagt die Düsseldorfer Biologin Annette Limke vom Leibniz Institut für umweltmedizinische Forschung. Ultrafeine Staubpartikel, wie sie für Auspuffgase typisch sind, ließen sich im menschlichen Gehirn nachweisen.

Das Objekt ihrer Forschung ist transparent, nur einen Millimeter klein und mit bloßem Auge kaum zu erkennen: der Fadenwurm C. elegans. Ein Winzling mit interessanten Eigenschaften. Er hat zwar keinen Blutkreislauf, aber exakt 302 Nervenzellen – „und wir wissen auch, wo die liegen“, sagt die Wissenschaftlerin. Außerdem, man glaubt es kaum, sind die Gene des Würmchens zwischen 60 und 80 Prozent denen des Menschen ähnlich.

Diese Fadenwürmer, die maximal drei Wochen alt werden, können kriechen, schwimmen und sich orientieren. Im Labor werden sie unterschiedlichen Kleinstpartikeln ausgesetzt, wie sie auch im Abrieb von Autoreifen vorkommen. Erste Ergebnisse: Normalerweise beginnt der Alterungsprozess beim Wurm nach etwa 15 Tagen Lebensdauer, „dann werden ihre Bewegungen unkontrolliert, bestimmte Körperteile versteifen“, erläutert Annette Limke. Wegen der Belastung mit Partikeln aus dem Reifenabrieb jedoch würde dieser Prozess schon deutlich früher einsetzen und nach etwa fünf Tagen beginnen. Das heißt: Der Wurm altert vorzeitig.

Auch seine kognitiven Fähigkeiten, also die Orientierung, Aufmerksamkeit, das Lernen würden vermutlich unter dem Einfluss von Feinstaubpartikeln nachlassen. Wie bitte? Ein Wurm und kognitive Fähigkeiten? „Ja, so ein Wurm kann offenbar lernen“, sagt die Wissenschaftlerin. Und er habe Geschmacksnerven. Wenn man ihn mit Salzigem füttert, würde er sich daran gewöhnen und künftig sofort zu salziger Kost kriechen. Setzt aber ein vorzeitiger Alterungsprozess ein, ausgelöst von Feinstaubpartikeln, zeige der Wurm Verhaltensdefekte – er scheint das Erlernte zu vergessen. Parallelen zur Alzheimer-Erkrankung?

Annette Limke gehört zu einer Arbeitsgruppe der Biologin Anna von Mikecz, die schon seit Jahren den Einfluss von Nanopartikeln auf Erkrankungen des Zentralnervensystems wie Alzheimer untersucht. Diese winzigsten Teilchen werden überall in der Umwelt freigesetzt, sie entstehen neben dem Bremsabrieb von Reifen auch bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff, außerdem kommen sie im Industrieruß vor. Die Arbeitsgruppe interessiert besonders die biomedizinische Wirkung dieser Kleinstpartikel, die in fossilen Brennstoffen von Motoren zu finden sind. „Sie können offenbar in jedes Gewebe im Körper vorstoßen, auch ins Gehirn“, sagt die Forscherin. Sie vermutet, dass diese Nanopartikel dazu beitragen, dass sich dort Eiweißmoleküle verklumpen. Ein Prozess, durch den Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz entstehen.

Diese Eiweißablagerungen untersucht auch Annette Limke bei ihren Fadenwürmern. Ihre Versuchsreihen hat sie so entwickelt, dass neben Ultrafeinstaub auch andere Umweltschadstoffe getestet werden können. So konnte sie bereits nachweisen, dass Partikel von Reifenabrieb Nervenzellen absterben lassen und die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen fördern.

Für ihre wissenschaftliche Arbeit wurde die Biologin aus Düsseldorf soeben mit dem Kurt-Kaufmann-Preis der Alzheimer Forschung Initiative ausgezeichnet, dotiert mit 10.000 Euro. Mit dieser finanziellen Unterstützung wird sie ihrem Ziel vermutlich ein Stück näher kommen: „Letztlich wollen wir einen Test entwickeln, der die Wirkungsweise der Schadstoffe identifiziert und dadurch die Entwicklung neuer Medikamente ermöglicht.“ Irgendwann in ferner Zukunft.

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