Gastbeitrag von Stiftungsvorstand Stefan Schweizer Pigage drückte Düsseldorf seinen Stempel auf

Düsseldorf · Stefan Schweizer, wissenschaflicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath, würdigt zum 300. Geburtstag des Architekten und Ingenieurs Nicolas Pigage. Er zählt zu den bedeutendsten Architekten der Stadt. Unter anderem baute er die Benrather Schlossanlage.

 Dieses Gemälde von Pigage ist von Anna Dorothea Therbusch-Lisiewska (1721-1782) und ist auf das Jahr 1763 datiert.

Dieses Gemälde von Pigage ist von Anna Dorothea Therbusch-Lisiewska (1721-1782) und ist auf das Jahr 1763 datiert.

Foto: Stiftung Schloss und Park Benrath

Schloss Benrath, Düsseldorfs architektonisches Prunkstück, ist den meisten Menschen der Region ein Begriff, vielen sind Schloss und Park vertraut. Doch selbst regelmäßigen Besuchern ist der Name des Architekten kaum geläufig. Es wird höchste Zeit, das zu ändern, denn in diesem Jahr feiern wir den 300. Geburtstag von Nicolas Pigage.

Obwohl sich Pigage nie länger als jeweils ein paar Monate am Stück zwischen 1755 und 1771 in Düsseldorf aufhielt, kann er unter die bedeutendsten Architekten der Stadt gerechnet werden. Neben Schloss Benrath ist der alte, 1769/70 angelegte Hofgarten zu nennen, der zwar seine barocken Einzelformen eingebüßt hat, dessen Gestaltungsprinzip aber ablesbar ist. Beide Anlagen haben vieles gemeinsam: Zum einen bestehen sie bis heute in ihren ursprünglichen Funktionen fort – als urbaner Park sowie als Landschloss mit Gärten und Parks. Natürlich unterlagen beide erheblichen funktionalen Änderungen. Sie sind heute öffentlich zugänglich, ihre Nutzung ist nicht mehr an soziale Hierarchien geknüpft, ganz davon zu schweigen, dass sich das Freizeitverhalten in ihnen gewandelt hat. Doch typische aus den einst fürstlichen Gärten hervorgegangene Praktiken wie Freiluftkonzerte, Picknick, Spaziergang und Ballspiel, ja selbst der Ausritt, heute mit dem Drahtesel, hat es bereits unter Pigage gegeben.

Hofgarten und Schloss Benrath eint auch, dass ihre künstlerische Qualität identitätsstiftend wirkte und sie als Denkmäler bewahrt wurden. Bei der Wiederherstellung des Hofgartens orientierte sich Maximilian Friedrich Weyhe an Pigages Grundkonzept. Auch in Benrath gingen der preußische Hofgärtner Peter Joseph Lenné oder der lokale Gärtner Kürten sehr rücksichtsvoll mit Pigages Werk um. Das gilt auch für die Schlossarchitektur, deren Substanz umfangreicher erhalten wurde als in den meisten anderen Schlössern der Zeit. Mit den kurfürstlichen Bädern, den Wäscheschränken in einer der Dieneretagen oder der vollständig eingerichteten Privatbibliothek der Kurfürstin haben sich seltene Zeugnisse des fürstlichen Alltagslebens erhalten.

Nicolas Pigage kam 1723 als Sohn eines Steinmetzes im lothringischen Lunéville zur Welt. Sein Vater arbeitete sich zum Architekten empor und war zumindest so vermögend, dass er den Brüdern Nicolas und Louis eine Ingenieursausbildung finanzieren konnte. Nicolas ging zunächst beim Vater in die Lehre, ehe er ab 1743 in Paris zunächst die École Militaire und danach die Académie Royale d’Architecture besuchte. Sein Lehrer Charles Etienne Louis Camus war kein Architekt, sondern Astronom und Mathematiker. Bei ihm eignete sich Pigage Kompetenzen in der Landvermessung an, die es ihm erlaubten, großflächig Gärten, Parks und Landschaften zu gestalten.

Nur wenig wissen wir aus der Zeit nach dem Studium, vermutlich bereiste er Italien, ehe er 1749 seinen Dienst beim Pfälzischen Kurfürsten in Mannheim antrat. Als Intendant der Gärten und Wasserkünste angestellt, nahm seine Karriere Fahrt auf. Er übernahm den Posten des verstorbenen Vorgängers, und Kurfürst Carl Theodor ernannte ihn bereits 1752 zum pfälzischen Oberbaudirektor, einige Jahre später auch zum Gartendirektor. Pigage hatte damit die fachliche Aufsicht über alle Baumaßnahmen der Kurpfalz inne. Mit dieser Karriere kletterte er auch auf der sozialen Rangskala empor, wurde 1756 zum Hofkammerrat ernannt und schließlich 1768 in den erblichen Reichsadelsstand erhoben.

Die Nachricht von der Ernennung zum Kammerrat ereilte Pigage mitten in den Planungen zu Schloss Benrath. Im November 1755 erging der Auftrag und im Frühjahr 1756 lagen bereits die ersten Pläne vor. Auch wenn sich viele Detaillösungen erst im Zuge der Arbeiten ergaben, erstaunt der Umfang der Pläne, die in einem Vierteljahr zu Papier gebracht wurden: fünf Gebäude mit mehreren Hundert Zimmern mussten konzipiert, ein 60 Hektar großer Park gegliedert sowie eine komplexe Infrastruktur organisiert werden, die neben Straßen- und Gewässerbau auch die Umleitung und Kanalisierung der Itter umfasste.

Im Ergebnis entstand ab 1756 eine einzigartige Schlossanlage, die mehrere Bauwerke, angrenzende Gärten und den Park miteinander verknüpft. Im Inneren des Corps de Logis entwarf Pigage eine funktional und ornamental fein abgestufte Raumausstattung, deren Harmonie ihresgleichen sucht. Dem steht die Funktionalität nicht nach: Pigage integrierte Toiletten bei den Schlafzimmern, die mit Wasser gespült werden konnten. Das Regenwasser wurde abgeleitet, aufgefangen und in die Ziergewässer ausgeleitet. Dieneretagen erlaubten ein diskretes Arbeiten der Bediensteten. Die Seitenflügel wurden unterirdisch mit dem Hauptgebäude verbunden, sodass die Hofküche ausgelagert werden konnte. Die Kuppel trägt einen Schallraum, in dem Musiker unsichtbar für das Publikum im Saal aufspielten. Schließlich, die jüngste Erkenntnis, verteilte Pigage die Ziergewässer im Park so, dass sie bei einer Itterflut als Puffer dienten, das Hochwasser auffingen und aus dem Park geleiteten. Im Süden des Schlossparks errichtete er einen Düker, durch den das überschüssige Wasser im Schlangenbach den Itter-Graben unterquerte. So sehr die Gebäude in einer langen Tradition stehen, so innovativ und modern ist ihre Infrastruktur.

Obgleich auch die Bauwerke des Schwetzinger Gartens von großer Originalität sind, kann Schloss Benrath den Rang von Pigages Meisterwerk für sich beanspruchen. In Benrath agierte Pigage als Kopf und Koordinator einer ganzen Künstlerschar. Nicht selten erwuchs daraus auch Konkurrenz: In Benrath setzte er sich gegen den Bildhauer Peter Anton von Verschaffelt durch, der Bauherr Carl Theodor englisch inspirierte Gegenentwürfe für die Fassaden präsentierte. Den ebenfalls in Benrath tätigen Hofmaler Wilhelm Lambert Krahe stach Pigage bei der Publikation eines Katalogs der Düsseldorfer Gemäldegalerie aus.

Die Beziehungen zu Kurfürstin und Kurfürst waren eng. Beiden errichtete er private Refugien bzw. baute sie nach ihren Wünschen um. Pigages Ehefrau Cordula war Hofdame der Kurfürstin. Er begleitete beide auf Reisen. Auf diese Weise ist sein Werk eng mit der Kurpfalz und dem kurpfälzischen Niederrhein verbunden: Mannheim, Schwetzingen, Ludwigshafen, Heidelberg und eben Düsseldorf. Beim Kuppelbau der Frankfurter Paulskirche wurde Pigage ebenso zurate gezogen wie beim Münster von Sankt Blasien im Schwarzwald. In Frankfurt errichtet er ein Stadtpalais, und für die Schlossgärten in Karlsruhe und Stuttgart lieferte er Entwürfe. Die erhoffte Anerkennung blieb nicht aus und verschaffte Pigage Mitgliedschaften in den Kunst- und Architekturakademien in Rom, Paris und Düsseldorf.

Die heute in Düsseldorf lebende Familie von Pigage besteht aus Nachfahren seines Bruders Louis, den Nicolas zum Benrather Schlossverwalters bestimmt hatte.

Eine Vortragsreihe und verschiedene Führungen widmen sich zwischen Mai und Oktober dem Werk Pigages und laden dazu ein, seinen gärtnerischen, architektonischen, städtebaulichen und musealen Spuren zu folgen. Die Reihe wird von der Stiftung Schloss und Park Benrath in Kooperation mit dem Rheinischen Verein, Stadtarchiv, Theatermuseum und Volkshochschule der Stadt Düsseldorf sowie der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur Rheinland veranstaltet.

Vorträge

Über die allmähliche Auflösung der Architektur – Nicolas Pigage und sein Werk, Frank Maier-Solgk, Datum: Mi, 17. Mai, 19 Uhr, Volkshochschule Düsseldorf, Bertha-von-Suttner-Platz 1, Saal 2

Nicolas Pigages Düsseldorfer Hofgarten – ein Meilenstein in der Geschichte urbaner Parkanlagen in Europa, Stefan Schweizer, Mi, 31. Mai, 19 Uhr, Theatermuseum Düsseldorf, Jägerhofstr. 1

Stadtgrün in Düsseldorf: Maximilian Friedrich Weyhe in der Tradition von Nicolas Pigage, Felix Rissel, Mi, 14. Juni, 19 Uhr, Theatermuseum Düsseldorf, Jägerhofstr. 1

Nicolas Pigages Meisterwerk: Schloss Benrath zwischen Tradition und Innovation, Stefan Schweizer, Mi, 16. August, 19 Uhr, Schloss Benrath, Westflügel, Bibliothek

Nicolas Pigage und die Erfindung des öffentlichen Museums im 18. Jahrhundert,Kathrin DuBois, Mi, 6. September, 19 Uhr, Schloss Benrath, Ostflügel, Roland-Weber-Saal

Führungen

Das Zusammenspiel von Schloss, Park und Gärten von Schloss Benrath, Eva-Maria Gruben und Silke Tofahrn, So, 20. August, 11 Uhr, Treffpunkt: Museumsshop Schloss Benrath

Die Porträts von Nicolas und Louis Pigage im Kontext der Schlosssammlung, Eva-Maria Gruben und Silke Tofahrn, So, 3. September, 11 Uhr, Treffpunkt: Museumsshop Schloss Benrath

Pigages unbekannte Ingenieurkunst. Führung zu Benraths altem und neuem Wassermanagement, Stefan Schweizer, Sa, 16. September, 15 Uhr, Treffpunkt: Museumsshop Schloss Benrath

Führung durch den Hofgarten und Erläuterung der Restaurierungsmaßnahmen, Tobias Lauterbach, So, 8. Oktober, 15 Uhr,Treffpunkt: Eingang Hofgarten an der Jägerhofallee

Info Es wird keine Teilnahmegebühr erhoben. Wir bitten um verbindliche Anmeldungen zu den jeweiligen Veranstaltungen unter besucherservice@schloss-benrath.de.

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