Kolumne Mein Düsseldorf Pfandsammeln – für Kino und Pizza

Düsseldorf · Heute und morgen früh werden sie vor allem in Rheinnähe wieder unterwegs sein: die Flaschensammler. Viele von ihnen bessern ihre Rente auf. Den wenigsten sieht man die Bedürftigkeit an.

Foto: dpa/Anne Pollmann

Neulich am Parkplatz des Löricker Freibades: Dort stehen Container für Glas und Papier. Als wir die Zeitungspacken der letzten Tage und ein paar Bocksbeutel entsorgten, fiel uns ein Mann auf, der aus dem Flaschencontainer Leergut angelte. Warum er das tue? „Ich habe über 40 Jahre gearbeitet, meine Rente ist ok, ich lebe bescheiden. Aber für Kino oder eine Pizza außer der Reihe reicht es nicht. Also sammle ich Leergut ein. Manchmal komme ich auf zehn Euro am Tag oder sogar mehr! Kann ich gut brauchen.“

Mal davon abgesehen, wie beschämend es ist, dass eines der reichsten Länder der Erde es nicht schafft, Rentner ein Einkommen zu sichern, von dem sie mehr als das Lebensnotwendigste bezahlen können, berührte uns die Story dieses Mannes. Man sah ihm übrigens seine Bedürftigkeit nicht an und er schilderte seine Lage ohne jede Bitterkeit. Weil uns angesichts solcher Probleme das schlechte Gewissen plagte, boten wir ihm 20 Euro an, die er widerstrebend und erstaunt annahm. Uns fallen angesichts solcher Szenen die Namen einiger Politiker ein, denen wir regelmäßige Dates an Flaschencontainern vorschlagen würden – statt sich Gedanken über Gender-Sternchen in Parteimitteilungen zu machen oder sich beim Versuch blamieren, YouTube-taugliche Statements zum Thema Toiletten-fürs-dritte-Geschlecht abzusetzen. Dort, neben Bergen abgestellter Kartons und dem Boden voller Glasscherben, kommt man auf andere Gedanken, das erdet. Falls gewünscht, kann man die Menschen ja Pfandflaschensammler*innen nennen. So könnte Leergut zum Lehrgut werden!

Allerdings hatten wir bereits vor diesem Erlebnis beschlossen, grundsätzlich Pfandflaschen aus Kunststoff nicht mehr beim Getränkehändler zurückgegeben, sondern stellen sie seit Langem in einer Tüte auf oder neben den Glascontainer. Weil wir dort häufiger vorbeikommen, sehen wir, dass sie binnen kürzester Zeit weg ist – hoffentlich genommen von einem, der die paar Euro braucht. Ehrlicherweise müssen wir zugeben, dass wir auf  die Idee seinerzeit gekommen sind, als unsere tiefe Feindschaft zu den Leergutautomaten in Supermärkten ausbrach. Es waren kurze und heftige, sich zu oft wiederholende Momente, Hass auf den ersten Blick, kein Zweifel: Kaum näherten wir uns damals einem dieser Geräte mit der großen runden Öffnung, den Einkaufswagen voller leerer Flaschen vor uns herschiebend, blinkte umgehend die rote Warnlampe mit dem Hinweis „Behälter voll, bitte informieren Sie einen Mitarbeiter!“ Was wir anfangs noch gern getan hätten, was aber nie gelang, weil keiner zu finden war. Funktionierte das Ding jedoch, war auch das nur die pure Scheinbarkeit:  von den vorsichtig eingesteckten Behältnissen wurden einige akzeptiert, aber andere – das selbe Format! -  zuerst endlos gedreht und am Ende ausgespuckt. Eine Art Glücksspiel, das bald echt nervig wurde. Nun kommen diese Flaschen, als anonyme Spende, an die Sammelcontainer, und alle Beteiligten freuen sich.

Übrigens ist an einem Wochenende wie diesem der große Tag einer offenbar wachsenden Zahl gut organisierter Pfandflaschensammler, weil das laue Sommerwetter die Menschen zum Feiern und Picknicken nach draußen lockt, gern ans Wasser. Wer am Samstag oder Sonntag früh morgens am Rhein unterwegs ist (was Hundefreunden dauernd passiert!), der wird sie ganz gewiss treffen. Meist sind sie mit dem Rad unterwegs, manche mit kleinen Anhängern und alle mit großen Kunststoff-Taschen. Binnen kurzer Zeit sind die Tüten voll, und es kommen schnell einige Euro zusammen, wie sich leicht ausrechnen lässt. Die Sammler profitieren von einer üblen Unsitte erstaunlich vieler Zeitgenossen: Diese suchen, finden und genießen die Idylle, hinterlassen später Müllberge, und darin eben die Flaschen oder komplett geleerte Bierkästen. Letzteres ist für den Sammler so was wie ein kleiner Hauptgewinn – mehrere Euro auf einen Schlag!

Dass sie ihre Beute so schnell es geht am nächsten Leergutautomaten zu Geld machen, ist klar. Was die Geduld mancher anderer Kunden mächtig strapaziert, denn das dauert, bis drei oder vier prall gefüllte Plastiksäcke in den Schlund gesteckt sind. Wenn wir das sehen, freuen wir uns gleich mehrfach – weil wir nicht in der Schlange stehen müssen, den fleißigen Sammlern das Geld von Herzen gönnen. Und weil wir sehen, wie unser Leergut am Ende dahin kommt, wohin es gehört – in den großen Kreislauf des Recyclings.

Hans Onkelbach

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