So wohnt Düsseldorf Wohnen mit Lärmschlucker

Düsseldorf · An der Bergischen Landstraße in Düsseldorf verwirklichte Architekt Niklaus Fritschi eine besondere Idee. Er setzte einfach eine zweite Fassade vor ein Haus - als Pufferzone gegen Lärm.

So wohnt es sich im Lärmschlucker
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Foto: Anne Orthen (ort)

Wer will denn hier wohnen? Wo jeden Tag fast 20.000 Autos vorbei donnern. Da kann man ja sein eigenes Wort nicht verstehen, geschweige denn ruhig schlafen. Oder? Jeder, der die Stadt über die Bergische Landstraße verlässt, hat dieses Haus mit seiner fliederfarbenen Fassade und diesem einen vorwitzig herausragenden Fenster schon mal gesehen. Beim Vorüberfahren. Ein Urteil ist da schnell getroffen. Bis man die Gelegenheit bekommt, mal hinter die Fassade zu schauen. Und was hört man da vom Verkehr? Nichts.

Der Architekt Niklaus Fritschi hat Düsseldorf mit dem gläsernen Apollo-Theater unter der Kniebrücke beglückt. Mit der Gestaltung der Rheinuferpromenade ebenso – und ihrem graublauen Steinschwung auf den Gehwegen, der „Düsseldorfer Welle“. Daneben ist der gebürtige Schweizer Spezialist fürs Wohnen der bezahlbaren Art. Er hat Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet gebaut, ließ sich von der Individualität des Wohnungsbaus in Amsterdam inspirieren und zählt nicht zu den Architekten, die unbedingt für sich ein eigenes Haus bauen wollen. So landete er mit seiner Familie in der Siedlung an der Heinrich-Könn-Straße in Gerresheim.

An der Ecke zur Bergischen Landstraße lag noch vor zehn Jahren ein städtisches Grundstück brach. Ursprünglich sollte dort ein Blockheizkraftwerk für die Siedlung gebaut werden, vielleicht auch ein Jugendzentrum, aber auf keinen Fall Wohnungen. „Das Grundstück galt als unverkäuflich, weil es hier so laut ist“, erinnert sich Fritschi. Solche Herausforderungen reizen ihn. „Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, wie man an diesem Ort ruhig wohnen kann.“ Vor etwa acht Jahren hat er dafür eine Lösung gefunden, die ihm selbst so gut gefiel, dass er mit seinem Architekturbüro, das er gemeinsam mit seinem Partner Benedikt Stahl leitet, in das blasslila Haus gezogen ist.

Der Clou: Vor das Haus wurde eine zweite Fassade gesetzt, sie hält einen Abstand von etwa zwei Metern, ist eine Art Wintergarten mit festverglasten Fenstern, von dem aus man die acht Maisonette-Wohnungen betritt – eine Pufferzone zum Verkehr. Leicht war es trotzdem nicht, die Eigentumswohnungen zu verkaufen. „Wer nur die Pläne gesehen hat, konnte sich das nicht vorstellen“, erst als das Haus fertig war, ließen sich die ersten Interessenten schnell davon überzeugen, dass Fritschis Konzept aufgeht.

Familie Eren kann sich gut an diesen Moment erinnern. Ein Freund hatte sie auf das lila Haus aufmerksam gemacht. „Wir waren sofort überzeugt“, meint Gani Eren, „wenn man in der Wohnung ist, sieht man die Autos, aber man hört sie nicht. Das verblüfft bis heute jeden Gast.“ Aber auch aus einem anderen Grund waren er und seine Frau Semat schnell überzeugt: Die Wohnungen über zwei Etagen – die unteren mit kleinen Gärten, die oberen mit Dachterrassen – vermitteln ein Haus-im-Haus-Gefühl, und sie kosteten mit ihren 140 Quadratmetern gut 350.000 Euro. „Ein Schnäppchen.“

Überzeugt ist das Paar auch von den planerischen Finessen, die dafür gesorgt haben, dass der Platz optimal genutzt wird: So wurde mit geringem Aufwand im Kellergeschoss ein Raum für zusätzliches Wohnen gewonnen. Familien Eren hat dort das Elternschlafzimmer eingerichtet, über eine offene Treppe fällt Tageslicht in diesen Raum. Der Wintergarten der oben den Verkehr auf Abstand hält, hat in diesem Untergeschoss ein Pendant und wird von allen als Gemeinschaftskeller genutzt. Auf eine Tiefgarage hat Architekt Fritschi verzichtet („zu hohe Kosten“), stattdessen plante er an einer Grundstücksseite acht überdachte Stellplätze. Als die Tour de France durch Düsseldorf sprintete, wurde dieser Autoplatz kurzerhand von den acht Eigentümern für eine große gemeinsame Frühstückstafel geräumt.

Dank des unterirdischen Schlafzimmers hat die Familie im ersten Stock Platz für ein kombiniertes Arbeits-/Gästezimmer gewonnen, dort sind auch die beiden Zimmer für Tochter Alper (16) und Sohn Elvin (13), dessen Balkon reicht exakt für eine Matratze – ein Schlafplatz für warme Sommernächte. Über den Türen zu den Zimmern lassen Glasfenster (statt Mauerwerk) Licht ins Treppenhaus - dadurch wirkt es hell und luftig. Und auf noch ein Detail weist Semat Zadik-Eren hin: Eine große Nische bietet Platz für einen Einbauschrank, „mit exakt den Maßen von Ikea-Schränken“. So braucht man keine teure Maßanfertigung. Kostenersparnis als Motor für gestalterische Ideen – im lila Haus lassen sie sich überall finden.

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