Mutmaßliche Polizeigewalt in Düsseldorf Polizei kündigt schnelle Ermittlungen an

Düsseldorf · Was genau geschah am Samstagabend in der Düsseldorfer Altstadt? Die Duisburger Polizei hofft schon bis Ende der Woche auf einen ersten Bericht. Über den Ablauf des Geschehens kursieren mehrere Versionen.

 Samy Charchira im gespräch mit Jugendlichen, der in der Altstadt festgenommen wurde

Samy Charchira im gespräch mit Jugendlichen, der in der Altstadt festgenommen wurde

Foto: Samy Charchira

Die Polizei Duisburg zeigt sich optimistisch, bereits Ende dieser Woche einen ersten Bericht zu dem Fall mutmaßlicher Polizeigewalt in der Düsseldorfer Altstadt an die hiesige Staatsanwaltschaft schicken zu können. Die Beamten der Nachbarstadt sollen klären, was sich genau am Samstagabend am Bolker Stern zugetragen hat. Ein kurzes Video des Vorfalls hat eine bundesweite Debatte über Polizeigewalt losgetreten. Der genaue Ablauf ist allerdings weiterhin unklar.

Auch die gesundheitlichen Folgen beim mutmaßlichen Opfer sind noch nicht abschließend geklärt. Von der Polizei heißt es, der 15 Jahre alte Jugendliche habe keine sichtbaren Verletzungen gezeigt und auch nicht um ärztliche Hilfe gebeten, bis sein Vater ihn von der Altstadt-Wache abholte. Ein Polizist hatte bei der Festnahme sein Knie auf den Kopf- und Halsbereich des am Boden liegenden Jugendlichen gedrückt, die Bilder erinnern an den Tod des US-Amerikaners George Floyd, der weltweit für Entsetzen gesorgt hatte.

Der Sozialpädagoge Samy Charchira Kostenpflichtiger Inhalt berichtet unserer Redaktion allerdings nach einem Besuch der Familie, der 15-Jährige habe eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus verbracht. Verletzungen im Gesicht, am Hals und am Becken seien ärztlich attestiert worden. Charchira, der als Vertrauensperson für die aus Nordafrika stammenden Anwohner in Oberbilk tätig ist, berichtet, der Jugendliche habe traurig und mitgenommen gewirkt. Die Familie sei mit der Situation überfordert, auch wegen des hohen öffentlichen Interesses. Ständig habe das Telefon geklingelt. Wie der Jugendliche die Ereignisse schildert, will Charchira auf Bitten der Familie mit Blick auf das schwebende Verfahren nichts sagen. Diese hat einen Anwalt eingeschaltet.

Charchira zeigt sich besorgt über die Folgen für die Maghreb-Community. „Das Ansehen der Polizei in den migrantischen Communitys insgesamt sinkt leider derzeit dramatisch, vor allem bei den Jugendlichen“, sagt er. „Das ist nicht richtig, weil die Polizei grundsätzlich eine sehr gute Arbeit macht, auch wenn sich einzelne Beamte schlecht verhalten.“ Aber das Internet werde überschwemmt mit Videos aus ganz Deutschland, auf denen Polizeigewalt zu sehen sei. „Das hat Auswirkungen auf die Jugendlichen“, sagt Charchira. „Die Hemmschwelle zur Konfrontation sinkt.“ Dazu kämen eigene Erfahrungen. „Ich kenne Jugendliche, die sind innerhalb von drei Monaten mehr als 20 Mal kontrolliert worden.“ Charchira ruft dazu auf, sich mit dem Phänomen offensiv auseinanderzusetzen.

Der Jugendliche ist nach Informationen unserer Redaktion deutscher Staatsbürger und auch in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, verfügt aber auch über die marokkanische Staatsbürgerschaft. Er gilt als „polizeibekannt“, es liegen allerdings keine Verurteilungen vor.

Der Duisburger Polizeisprecher Stefan Hausch betont, dass die im Internet kursierende Videosequenz nicht den gesamten Vorfall zeige. Einsatztrainer sollen bewerten, ob das zu sehende Vorgehen des Beamten ordnungsgemäß ist, darüber hinaus erhoffen sich die Ermittler weitere Videos und Zeugenaussagen. Entscheidend ist, ob der Beamte auf den Hals des Jugendlichen drückt – das wäre unter anderem wegen der Erstickungsgefahr nicht zulässig.

Der Rechtsanwalt des beschuldigten Beamten ging am Dienstag medial in die Offensive. Aus Sicht von Christoph Arnold, der sich mit seiner Bonner Kanzlei auf die Verteidigung von Polizisten spezialisiert hat, handelt es sich um „alltägliche Polizeiarbeit“. Er warnt vor voreiligen Schlüssen, weil die Vorgeschichte nicht zu sehen sei. „Das Video ist bewusst zurechtgeschnitten“, sagte Arnold unserer Redaktion.

In der Tat kursieren zum genauen Ablauf verschiedene Versionen. Fest steht, dass die Polizei zunächst wegen einer Lappalie angerückt war: Jugendliche hatten Stühle von der Terrasse eines Schnellrestaurants zu einem benachbarten asiatischen Imbiss weggetragen. In der Folge wurde die Stimmung hitziger, der nach Polizeiangaben zuvor unbeteiligte 15-Jährige soll sich eingemischt haben – und, so der Vorwurf, tätlich gegen die Beamten geworden sein.

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