Szenen einer Scheidung in Düsseldorf So wird eine Sieben-Millionen-Villa zwangsversteigert

Düsseldorf · Ein geschiedenes Paar lässt sein Haus in Düsseldorf vor Gericht zwangsversteigern. Der Wert laut Gutachten liegt bei sieben Millionen Euro. Erst bietet keiner mit, dann kommt es zum Duell.

Leerstehendes 629 Quadratmeter-Haus im Stadtteil Ludenberg: Von einem Düsseldorfer Unternehmer erbaut, an einen berühmten Comedian verkauft und dann von einem Paar übernommen, das sich später scheiden ließ.

Leerstehendes 629 Quadratmeter-Haus im Stadtteil Ludenberg: Von einem Düsseldorfer Unternehmer erbaut, an einen berühmten Comedian verkauft und dann von einem Paar übernommen, das sich später scheiden ließ.

Foto: Maximilian Nowroth

Als die offizielle Bietzeit abgelaufen ist und noch immer kein Gebot abgegeben wurde, erhebt der Mann, dem die Hälfte des Hauses gehört, seine Stimme: „50.000 Euro.“ Die Rechtspflegerin auf der Empore schaut zu ihm rüber, notiert etwas und muss noch einmal nachfragen, damit sie es auch wirklich versteht. Dann ruft sie in den Saal: „Das Gebot wird zugelassen.“

Wie bitte? Weniger als eine Stunde zuvor wurde das Objekt, das an diesem Freitagvormittag im Düsseldorfer Amtsgericht zwangsversteigert wird, als „luxuriöse und repräsentative Villa“ angepriesen. Der Wert laut Gutachten: 6.990.000 Euro. Und dann kommt kurz vor Schluss das allererste Gebot von einem der beiden Besitzer, in dieser lächerlichen Größenordnung? Was ist passiert?

Szenen einer Scheidung. Um diese zu verstehen, muss man etwas zurückgehen. Vor ungefähr zehn Jahren hat ein Düsseldorfer Ehepaar eine Villa im Stadtteil Ludenberg gekauft, unweit des Grafenberger Waldes. 629 Quadratmeter-Wohnfläche. Acht Zimmer, sechs Bäder, Schwimmbad, Garage mit Platz für sechs Autos. Und, kein Scherz: eine Hundedusche.

Vorbesitzer war ein berühmter deutscher Comedian, angeblich hat er das Anwesen für 2,6 Millionen Euro an das Unternehmer- und Investorenpaar verkauft. Sagt zumindest der Nachbar. Und er sagt auch: „Weder der Promi, noch das Paar haben jemals in dem Haus gewohnt. Es steht seit dem Jahr 2009 leer.“

Nur wenige Jahre nach dem Kauf ließ sich das Paar scheiden. „Begegnungen vor Gericht sind sie mittlerweile gewohnt“, sagt der Anwalt, der den männlichen Part betreut. Bei diesem Haus aber gab es wohl keine Einigung, wer wem was zahlt. Daher trafen sich die beiden Besitzer am Freitag mal wieder vor Gericht – aber zum ersten Mal vor Publikum.

Zwangsversteigerungen sind öffentlich, die ganze Welt konnte auf den Seiten des Amtsgerichts Dutzende Fotos aus dem Haus sehen, ein 41-seitiges Gutachten lesen und sich dadurch ein Bild machen. Besichtigungen waren nicht möglich. Gekauft wie nicht gesehen, das gehört zum Risiko dieses besonderen Immobilienkaufs.

Zwei weitere Hürden sind finanzieller Natur. Erstens: Wer mitbietet, muss auf Verlangen eine Sicherheitsleistung vorzeigen – um zu beweisen, dass man es ernst meint. Der Betrag liegt bei einem Zehntel des Verkehrswertes, also 699.000 Euro. So viel Kleingeld hat nicht jeder auf dem Konto liegen. Und zweitens: „Werden im Termin weniger als fünf Zehntel meistgeboten, muss der Zuschlag von Amtswegen versagt werden“, stellt die Rechtspflegerin vor Beginn der Versteigerung klar. Unter 3,5 Millionen kommt das Objekt also nicht unter den Hammer.

Bevor die Auktion anfangen kann, gibt es noch eine letzte Formalie: das Mindestgebot. „Es errechnet sich nach Summe der Gerichtskosten in Höhe von knapp 50.000 Euro“, sagt die Rechtspflegerin. „Ein Gebot darunter würde ich zurückweisen.“ Dann stellt sie ihren Timer auf 30 Minuten. Die Bietzeit beginnt, es ist 9.44 Uhr.

Auf der jeweils linken und rechten Seite des Saales sitzt das geschiedene Paar, begleitet von ihren Anwälten. Die beiden würdigen sich keines Blickes. Im Publikum sitzen etwa 20 Leute, die so zusammengewürfelt wirken wie Pendler in einer Bahn: Man sieht Krawatten und Kapuzenpullis, Halbglatzen und Hochsteckfrisuren, Turn- und Lackschuhe. Wer bringt im wahrsten Sinne des Wortes das Vermögen für diese Auktion mit?

Stille. Die Belüftung rauscht leise, die Rechtspflegerin wird nervös. Nach fünf Minuten fragt sie in die Runde: „Ich weiß nicht, ob nur Neugierige hier sind, oder ob es tatsächlich auch ernsthafte Interessenten gibt. Die brauchen nicht bis 10.10 Uhr warten, sondern können sich jetzt melden. Sonst verzögert sich alles, ist ja nicht wie bei Ebay hier.“

Bis 10.14 Uhr passiert: nichts. „Die offizielle Bietzeit ist abgelaufen“, sagt die Rechtspflegerin. „Wenn es ohne Gebot bleibt, gibt es einen zweiten Termin in sechs Monaten.“ Dann meldet sich der Besitzer der einen Hälfte des Hauses – und gibt das Mindestgebot ab.

Seine Ex-Frau schaut auf, geht kurz nach vorne und setzt sich wieder. Dann sagt die Rechtspflegerin: „Sie bietet 3,5 Millionen Euro. Bietet jemand mehr?“ Er meldet sich: „3,6“. Sie: „Drei Millionen Sechshunderteintausend.“ Er schüttelt ungläubig den Kopf. „Drei Sechs Fünfzig.“ Sie überbietet ihn wieder um Tausend Euro.

So geht es noch neun Mal hin und her, bis er 3,9 Millionen Euro bietet – und sie vier. „Jemand mehr?“, fragt die Rechtspflegerin. „Ja“, sagt er. „4,05.“ Sie überbietet um zwei Tausend Euro, er erhöht auf 4,1 Millionen. Das Publikum blickt gebannt auf die beiden Protagonisten, deren Mimik regungslos bleibt. Sie bietet noch einmal Tausend Euro mehr. „Zum ersten, zum zweiten, zum dritten und letzten Mal“, ruft die Rechtspflegerin und schaut ihn an. Er schüttelt den Kopf. „Dann möchte ich um 10.26 Uhr den Schluss der Versteigerung bekannt geben.“

Damit bekommt sie offiziell den Zuschlag für eine Millionen-Villa, die ihr schon vorher zur Hälfte gehörte. Den vollen Kaufpreis, 4.101.000 Euro, muss sie jetzt erst einmal dem Gericht überweisen. Erst dann bekommt sie ihre Hälfte des Geldes zurück, die andere bekommt ihr Ex-Mann.

Notar und Makler hat sie sich durch die Auktion gespart, allerdings werden zusätzlich noch 270.000 Euro Grunderwerbsteuer fällig. Dann ist die Zwangsversteigerung amtlich korrekt vollzogen.

Als die Auktion vorbei ist, kommt sie mit ihrem Anwalt aus dem Saal. Ein Statement für die Presse? „Nein, ich trinke jetzt erst mal eine Flasche Champagner.“ Nächste Woche wird sie wieder im Amtsgericht sein, es geht um eine Verfügung gegen einen Dienstleister. Sie wirft ihm vor, in einer Verkaufsanzeige für die Villa einen zu niedrigen Preis angesetzt zu haben. Den tatsächlichen Wert sieht sie bei 7,5 Millionen Euro.

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