Düsseldorferin bekam ein Jahr lang Grundeinkommen „Ein gutes Gefühl der Sicherheit“

Düsseldorf · Ein Jahr lang hat die Düsseldorfer Hundetrainerin Karin Engstler jeden Monat 1000 Euro erhalten – als bedingungsloses Grundeinkommen. Wie es ihr damit erging und woher es kam.

 Hundetrainerin Karin Engstler konnte ein Jahr lang sicher sein, dass monatlich 1000 Euro Grundeinkommen auf ihr Konto fließen.

Hundetrainerin Karin Engstler konnte ein Jahr lang sicher sein, dass monatlich 1000 Euro Grundeinkommen auf ihr Konto fließen.

Foto: Anne Orthen (orth)/Anne Orthen (ort)

An einem nasskalten Wintertag 2018 sitzt Hundetrainerin Karin Engstler nach einer Einheit im Wald in ihrem Auto. „Ich wollte noch schnell meine Mails checken und plötzlich wurde mir trotz der Kälte ganz warm“, erzählt sie. An diesem Tag wartet in ihrem Postfach eine Mail des Vereins Mein Grundeinkommen. Sie habe gewonnen – 1000 Euro, ein Jahr lang jeden Monat. „Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt, dass es Spam sein könnte. Ich wusste ja, dass ich an der Verlosung teilgenommen hatte.“

Die Verlosung – damit meint die 58-Jährige das Verfahren, mit dem der Verein auf seiner Webseite in unregelmäßigen Abständen unter den Teilnehmenden das Grundeinkommen verteilt. Das Geld kommt von den sogenannten Crowdhörnchen, Teilnehmende, die monatlich einen gewissen Betrag an den Verein spenden. Sobald 12.000 Euro zusammen sind, kann ein weiteres Grundeinkommen eines Gewinners verlost werden.

998 Mal ist das bis Ende Januar 2022 seit 2014 bereits passiert. Karin Engstler erhielt ihr Grundeinkommen von Februar 2019 bis Januar 2020. Als Hundetrainerin ist sie selbstständig tätig, „da hat man gute Monate, die viel Gewinn abwerfen, aber auch schlechte. Sicher planen kann man damit nur schwer“. Jetzt, mit sicheren 1000 Euro im Monat gab es eine Grundlage und damit vor allem eines: Sicherheit.

„Ich habe gemerkt, dass sich mein Verhalten änderte, ich wurde viel sicherer und habe das Geld vor allem in mich selbst investiert.“ Früher habe sie bei Fortbildungen immer abgewogen, „aber jetzt konnte ich die einfach mal machen“. Das habe sie in ihrer Arbeit weitergebracht und neue Wege geöffnet.

Schon länger ist sie auch als Ausbilderin von Assistenzhunden tätig. „Da hat man aber zunächst einmal viele Kosten, man muss jedes Mal in Vorkasse treten.“ Denn erst für den „fertigen“ Hund gibt es Geld von der Krankenkasse. Daher habe sie bis dahin nur einen Assistenzhund pro Jahr ausgebildet. „Und manchmal funktioniert es einfach nicht so wie gedacht, dann ist die Investition weg.“ Mit dem Grundeinkommen konnte sie sich jedoch mehr leisten. „In dem Jahr habe ich erstmals drei Assistenzhunde ausgebildet. Das und auch die Fortbildungen haben mich über die Pandemie gerettet – auch, weil ich so den Grundstock dafür hatte, dass ich auch weiterhin mehrere Hunde ausbilden kann.“

Als nach einem Jahr die Zahlungen wieder eingestellt wurden, sei es für die Hundetrainerin zwar nicht leicht gewesen. „Aber ich habe das Geld sinnvoll genutzt.“ Außerdem kam kurz danach die Corona-Pandemie und da habe sie ohnehin mit anderen Problemen kämpfen müssen. Dennoch fühlte sie eine tiefe innere Befriedigung, dank des finanziellen Polsters, das sie sich habe aufbauen können.

Daher befürwortet sie das bedingungslose Grundeinkommen, „auch wenn es da noch einige Fragen zu klären gibt“. Aber auch dafür könnten sich ihrer Meinung nach Lösungen finden. Den oft angebrachten Kritikpunkt, dass dann niemand mehr arbeiten gehen würde, hält sie für unwahrscheinlich.

Vielmehr meint Engstler, dass die Menschen trotzdem arbeiten gehen würden – nur jetzt ohne eine ständige Existenzangst. „Ohne diese Sorgen denke ich, dass die Gesellschaft zufriedener wäre. Vielleicht gäbe es auch weniger Gewalt und mehr Positives.“ Dass reiche Menschen dadurch noch reicher würden, halte sie auch für unbegründet, stattdessen hofft sie auf eine gerechte Lösung, oder dass dadurch die Spendenbereitschaft steigen könne. Damit könne der Gesellschaft noch mehr geholfen werden.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gibt es schon länger – doch die Finanzierung und Umsetzung erweist sich als problematisch. Eine ideale Lösung dafür hat sich noch nicht gefunden, trotz diverser Fürsprecher in Politik und Wirtschaft sowie einiger Forschungsprojekte in verschiedenen Ländern zu dem Thema. In Deutschland untersucht das „Pilotprojekt Grundeinkommen“ seit Juni 2021, welche Auswirkungen es auf Menschen hat, wenn sie drei Jahre lang 1200 Euro monatlich ohne weitere Bedingungen erhalten.

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